Andre Greipel (Foto: Roth&Roth)

Deutschland – eine Pflaster-Nation

Schaut man nüchtern auf das Ergebnis, kann man aus deutscher Sicht bereits zufrieden sein – zwei Fahrer in den Top10, drei unter den ersten 16. Das macht im Radsport natürlich keinen Sinn, denn es fahren keine Nationalteams. Zudem spiegelt das reine Ergebnis nicht die Leistungen der deutschen Fahrer wieder. Tony Martin beispielsweise fuhr lange Zeit extrem stark. Bis 50 Kilometer vor dem Ziel war Martin in der Gruppe um Greg van Avermaet, machte auf dem Pflaster das Tempo und riss dabei eine Lücke. Doch dann hatte er ausgerechnet vor dem schweren Pflasterstück Mons-en-Pévèle, als die Favoritengruppe auseinander flog, Defekt.

Oder André Greipel. Rang sieben ist ohnehin ein achtbares Ergebnis, aber vielleicht wäre sogar noch mehr drin gewesen. Doch Teamkollege Jürgen Roelandts war lange in der Spitzengruppe, so war Greipel mit seinen Helfern in der Verfolgergruppe taktisch zum Abwarten gezwungen. Auch Edelhelfer Marcel Sieberg beeindruckte erneut. Nach schwierigem Frühjahr mit Krankheit war Sieberg im Finale in der Gruppe um Boonen und Degenkolb dabei. 

Dass Ex-Champion Degenkolb mit Platz 10 nicht zu 100% happy ist, ist nachvollziehbar, aber er fährt eben auch nicht allein. Trek-Segafredo-Teamkollege Jasper Stuyven gehörte ebenfalls zur Spitzengruppe, sodass Degenkolb „die Füße still hielt“. Das brachte Degenkolb reichlich Kritik von Boonen ein, der sich in Degenkolbs Manndeckung nicht allzu wohl fühlte.

Auch Nikias Arndt fuhr lange Zeit gut sichtbar in der Favoritengruppe, musste sich aber der Teamtaktik unterordnen. Da wird man bei der Sunweb-Equipe vielleicht im Nachgang noch mal überlegen, ob das die richte Marschroute war.

Seine Teamarbeit verrichtete Marcus Burghardt am Sonntag ebenfalls wie gewohnt mit Bravour. Er war nach einem Defekt zu einem ungünstigen Zeitpunkt dann noch einmal zurückgekommen und hat für Sagan gearbeitet, aber am Ende lief es einfach nicht, für das Bora-hans grohe-Team.

Da ärgert es dann doch ein wenig, dass die ARD zwar die Tour de France zeigt und sich dort in den Bergen jeden Tag einen deutschen Fahrer in die Spitzengruppe wünscht, aber bei Paris-Roubaix dann eher mager berichtet.    

 

Gianni Moscon – den merken wir uns

Wer die Karriere von Gianni Moscon schon etwas länger verfolgt, wusste vor Paris-Roubaix um dessen außergewöhnliches Talent. Der Kerl kann einfach alles, vor allem aber richtig hart treten. In den Nachwuchsklassen hat er auch Rennen wie die Lombardei-Rundfahrt gewonnen und war Zweiter bei der Flandern-Rundfahrt.

Auf dem Weg nach Roubaix hat er am Sonntag nicht nur ein extrem starkes Rennen gezeigt, sondern ist einfach sein Rennen gefahren. Er hat seine Chance gesucht und wurde mit Rang Fünf belohnt. Gianni Moscon feiert in wenigen Tagen seinen 23. Geburtstag, wir werden in den kommenden Jahren bei den Klassikern noch viel Spaß mit diesem Ausnahmetalent haben.

 

Paris-Rouabix – der Stärkste gewinnt, aber nur mit Glück

Es hätte die entscheidende Situation des Rennens sein können. 75 Kilometer vor dem Ziel setzten sich Peter Sagan, samt Teamkollegen Maciej Bodnar, Daniel Oss (BMC) und Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) ab. Dahinter guckte man sich an, Quick-Step hatte nur noch Boonen und Stybar dabei und auch der Rest musste sich sortieren. Die Lücke wurde größer und das Quartett kreiselte. Es ist Spekulation, aber hätte Peter Sagan nicht Defekt gehabt, es wäre gut möglich, dass sie durchgekommen wären. Aber wäre, hätte und aber – wenn du Paris-Roubaix gewinnen willst, musst du bärenstark sein. Aber du brauchst auch das Glück des Tüchtigen. 

 

GvA – der Mann des Frühjahrs

Wer es noch nicht gemacht hat – einfach mal bei Procyclingstats die Ergebnisse von Greg van Avermaet durchscrollen. Entweder bleibt der Mund offen, oder es kommt ein „Wow“ raus. Olympia, Montreal, Omloop, E3, Gent-Wevelgem, die Jacke bei der Ronde und jetzt das Monument in Roubaix. Zwischendrin hat er sich noch den Knöchel gebrochen, beim Mountainbiken. Yo, Mann des Frühjahrs, mit Abstand.

 

Einmal im Velodrome kreiseln, Held für immer 

Ja, das Stadion war fast leer, als Jon Dibben eine Dreiviertelstunde nach van Avermaet die eineinhalb Runden drehte. Viel Spaß wird er nicht gehabt haben. Er verpasste das Zeitlimit und wurde aus der Ergebnisliste gestrichen. Aber er ist Roubaix zu Ende gefahren und hat etwas erlebt, wofür ihn tausende Radsportfans beneiden. Denn es gibt nicht so viele Dinge im Leben der Radprofis, auf die man als „Normalsterblicher“ neidisch ist, aber „Die Hölle des Nordens“ bezwungen zu haben und auf dieser Radrennbahn zu kreiseln, wer würde an diese Heldentat nicht gern selbst ein Häkchen machen? Eben.