Chris Froome

Spricht man es gerade heraus, dann ist das richtig beschissen. Ein positiver Dopingtest des Tour-de-France-Siegers Christopher Froome. Schlimmer geht es nicht. „Typisch Radsport“, heißt es wieder. Die Sache ist für alle schnell klar, da reicht die Überschrift bei Bild.de, die lautet: „Sieger der Tour-de-France gedopt!“

Auch wenn man eine Affinität zum Radsport hat, dann ist die erste Reaktion meist Wut oder Enttäuschung. Via Twitter und Facebook lassen sich diese Emotionen schnell teilen, und das wurde am Mittwoch millionenfach getan.

Betrachtet man es dann in einem etwas größeren Rahmen, scheint es so, als seien die Fortschritte im Antidoping-Kampf der vergangenen Jahre mit einem Schlag zunichte gemacht worden. So werden Wut und Enttäuschung nicht geringer.  Doch dieser emotionale Umgang, so nachvollziehbar er ist, hilft dem Sport nicht weiter. Im Gegenteil. Je mehr Menschen ein Bild transportieren, das nicht durch Fakten belegt ist, desto größer ist der Image-Schaden.

Wissen wir, dass Froome gedopt hat? Hätte die UCI Froome den Fahrer wirklich sofort sperren müssen? Das Netz ist voll mit Antworten, vor allem mit den einfachsten. Alles Pseudo-Asthmatiker! UCI deckt Sky! Wer so schnell ist, der muss doch Dopen! Kausalketten des Horrors, weil ohne Fakten. 

Froome hat einen Grenzwert überschritten und dem muss nachgegangen werden, aber im Rahmen der Regeln und Gesetzte. Es gibt diesen Grenzwert, er wurde überschritten, demnach droht zurecht eine Sperre.
Man darf die Arbeit des Sky-Teams kritisch hinterfragen und auch das Regelwerk analysieren und überprüfen – aber bitte basierend auf Fakten, nicht auf Unterstellungen.  

 

Die Fakten

Es gibt viele Texte, die sich mit den Fakten beschäftigen. Hier nur die Kurzfassung: In einer Urinprobe von Froome wurde eine zu hohe Konzentration des Asthma-Mittels Salbutamol gefunden. Laut Team war der Wert rund doppelt so hoch wie erlaubt. Dass Froome Asthma hat, ist bekannt. Die Einnahme von Salbutamol ist nicht verboten, aber es gibt einen Grenzwert für die Einnahme. Man darf als Leistungssportler in 24 Stunden nur maximal 1600 Mikrogramm und in 12 Stunden maximal 800 Mikrogramm Salbutamol inhalieren. Ebenso gibt es einen Grenzwert für die Konzentration im Urin. Man benötigt für Salbutamol keine Ausnahmegenehmigung.

 

Die Fragen:

Bedeutet dies, dass Froome mehr inhaliert hat, als er darf? Das wissen wir nicht, auch wenn die Konzentration im Urin sehr hoch ist. Offenbar, das legen wissenschaftliche Texte nahe, kann man nicht direkt von der Konzentration im Urin auf die eingenommene Menge schließen. Es gibt offenbar Studien, wo Probanden trotz Einhaltung der Einnahme-Grenze den Grenzwert für die Urin-Konzentration überschritten haben. Kurz: Es ist also möglich, dass der Grenzwert im Urin überschritten wird, auch wenn die erlaubte Einnahme-Menge eingehalten wurde.

Hätte die UCI Froome sperren müssen? – Gemäß Article 7.9.1. der UCI Anti-Doping Rules hat Froome die Möglichkeit sich zu verteidigen. Eine provisorische Sperre ist nicht zwingend.

 

Worum geht es in der Öffentlichkeit

Im Grunde geht es darum, ob Chris Froome etwas gemacht hat, was gegen die Regeln verstößt. Denn nur dann kann man ihn bestrafen. Doch das Thema ist längst viel größer. In der öffentlichen Debatte geht es längst um andere Dinge. Es geht darum, ob alles nur Pseudo-Asthmatiker sind, um Mittel nehmen zu können. Darum, dass Sky durch den Fall Wiggins ohnehin einen schlechten Ruf hat und man nun die Bestätigung für Doping sieht. Oder darum, dass man alle Asthma-Patienten aus dem Profi-Sport ausschließen sollte, und am Ende landen viele wieder dabei, dass man sowieso nie die Tour gewinnen könne, ohne zu dopen. 

Man kann all diese Fragen diskutieren. Man kann analysieren, vergleichen, Theorien aufstellen und überprüfen. Watt-Werte von Sportlern vergleichen und Zusammenhänge aufzeigen, wie es beispielsweise Antoine Vayer macht. Aber basierend auf Fakten und die Regeln respektierend. 

Chris Froome hat auf der 17. Etappe der Vuelta Zeit eingebüßt, sich aber auf der 18. Etappe besser gefühlt. Lag es daran, dass er an diesem Tag mehr Salbutamol inhaliert hat? Oder hängt die Schwäche von Froome auf der 17. Etappe damit zusammen, dass er sich am Tag zuvor beim Einzelzeitfahren extrem verausgabt hat? Oder hängt beides zusammen? 

Wer es mit dem Radsport hält, muss an einer umfassenden Aufarbeitung des Falls interessiert sein. Wer ohne Fakten plumpe Parolen raushaut, schadet dem Sport mehr als ein positiver Test. Will der Sport den eingeschlagenen Weg weiter gehen, helfen nur Transparenz und Analyse. Denn nur wenn der Antidoping-Kampf weiter intensiv geführt wird, hat dieser Sport eine Zukunft.