Der Profi-Radsport befindet sich seit Jahren im Umbruch. Vermarktungsprobleme, ein finanzielles Ungleichgewicht bei Rennen und Teams, die Konzentration auf die Tour de France, eine schwache mediale Durchdringung vieler Rennen und insgesamt ein System, dass nicht so richtig zur Entwicklung der Welt passen will.

Am Erkennen der Probleme mangelte es selten, eher am Umsetzen von Veränderungen. Das hat natürlich damit zu tun, dass es sehr viele unterschiedliche Interessen gibt. Die ASO möchte gern den Stellenwert ihrer Rennen und die damit verbundenen Einnahmen behalten, die Teams wollen Stabilität und ein solides Fundament, damit man nicht komplett am Tropf der 1-2 Hauptsponsoren hängt, die kleinen Rennen wollen Aufmerksamkeit, die UCI gern der Chef bleiben und eigentlich alle wollen mehr Geld.

Reformen und Veränderungen gab es in den vergangenen Jahrzehnten einige, doch meist blieb der ganz große Wurf aus. Doch vor einigen Jahren brachte man umfangreiche Veränderungen auf den Weg. Unter dem Titel World-Tour-Reform begann ein Veränderungsprozess, der viele Probleme anpacken soll. Doch immer wieder gab es Veränderungen und das passte nicht allen Beteiligten. Mal nahm die ASO aus Unmut ihre Rennen aus der World Tour, mal wurden Teile einer Reform wieder zurückgenommen, nachdem die Teams rebellierten (beispielsweise Startpflicht bei neuen World Tour Rennen). Mal zog die UCI etwas durch, wie die Reduktion der Teams, was andernorts übel aufstieß – so hatte AIGCP-Präsident Iwan Spekenbrink das Vorgehen der UCI im Interview mit CyclingMagazine.de kritisiert.

Dass in solch komplexen Gebilden ein Reformprozess kein Sagan-Wheelie ist, leuchtet sofort ein. Doch bei dem ewigen Hin und Her scheint ein Schritt nach vor nur schwer möglich. Für die Fans ist diese Reform kaum noch nachzuvollziehen. 

 

Neue Reform mit alten Eckdaten

Am Rande der WM in Innsbruck hat das Management Komitee der UCI die Neufassung der World Tour Reform beschlossen. Zuvor hatte das Professional Cycling Council (PCC), das ist ein Gremium der Interessenvertreter aller beteiligten Parteien (UCI, Teams, Fahrer, Rennorganisatoren) der Neufassung der Reform zugestimmt. Das teilte die UCI am Dienstag mit. Zu einige Punkten gibt es noch keine Details, aber es wurden Eckpunkte festgelegt.


Die (neuen) Eckpunkte der UCI-Reform:

  • 18 Teams in der World Tour
  • Es gibt 3 Rennklassen: UCI WorldTour, UCI ProSeries,  UCI Continental Circuits.
  • Lizenzen werden ab Ende 2019 für 3 Jahre vergeben.
  • Ab 2020 müssen die World-Tour-Teams an allen World-Tour-Rennen teilnehmen. (Bislang bestand diese Pflicht nur für Rennen, die bereits vor der Saison 2017 zur World Tour gehörten).
  • World Tour hat ~185 Renntage (3 Grand Tours, + Etappenrennen, + Classics Series), Rennen für 3 Jahre garantiert Teil der World Tour
  • Classic Series – Serie aus Eintagesrennen (Monumente +15 weitere) – Details noch offen
  • UCI ProSeries – setzt sich aus aktuell HC + Kat. 1 Rennen zusammen, Start 2020 
  • 3 Team-Klassen: „UCI WorldTeams“, „UCI ProTeams“ (bisher UCI Professional Continental Teams) und „UCI Continental Teams“
  • Die 2 bestplatzierten ProTeams erhalten Startrecht bei Grand Tours.
  • Die 3 bestplatzierten ProTeams erhalten Startrecht bei der Classic Series.
  • Ab 2019 gibt es nur noch das UCI World Ranking, es wird für das Team-Ranking ein neues Konzept geben, das die Ergebnisse der besten 10 Fahrer jeder Mannschaft berücksichtigt.
  • Für den Auf- und Abstieg werden sportliche, finanzielle, administrative und ethische Kriterien berücksichtigt.
  • Details sollen 2019 geklärt werden, damit die Reform zum 1.1.2020 in Kraft tritt.

 

Ein Schritt nach vorn?

Ziel der Reform ist das Stärken der Position des Radsports und ein stabiles System herbeizuführen, heißt es in der Mitteilung. Ein Kernpunkt der zuletzt formulierten Version der Reform, damals noch unter UCI-Präsident Brian Cookson, war die schrittweise Reduzierung der World Tour auf 15 Mannschaften. Dies wurde nun wieder gekippt. Für die Mannschaften bedeutet das, dass sie auch bei sportlichem Misserfolg keinen Abstieg fürchten müssen, insofern kein neuer Bewerber für eine World-Tour-Lizenz auftaucht. Dass man die Lizenz für drei Jahre bekommt, dürfte gegenüber Sponsoren für eine gute Position sorgen. Bereits in der Vergangenheit wurden die Lizenzen für mehrere Jahre vergeben.

Die neue Einteilung der Rennen scheint ein Versuch zu sein, die kleineren Rennen durch die „Classic Serie“ aufzuwerten. Denn Abseits der Monumente kämpfen viele kleinere Rennen um die Existenz. Doch hierzu gibt es noch kein Reglement. 

Für die ProConti-Teams, die dann „Pro-Teams“ heißen, ist die Startgarantie bei den GrandTours im Falle eines Top-Platzes im Ranking ein großer Fortschritt. So kann man sich mit Leistung ein Startrecht bei der Tour de France sichern, was gegenüber potenziellen Sponsoren sicher ein gutes Argument ist. Bislang war es für die ProConti-Teams oft schwer, Sponsoren zu finden, wenn man keinen Start bei den großen Rennen zusagen kann. Das aktuelle Beispiel ist der Fall Aqua Blue Sport.

Wie der Auf- und Abstieg geregelt wird, bleibt bislang offen, ebenso wie das genaue Team-Ranking. 

Wie sich die Reform-Details auswirken, muss man abwarten, aber es erscheint so, als würde es diesmal ein Konzept, dem alle Parteien zustimmen. Vielleicht geht es nun entscheidend voran, doch rein aus der Erfahrung der Vergangenheit schwingen Zweifel mit.