Luke Rowe und Egan Bernal

Egan Bernal, der Kantenfuchs

Die Windfestspiele zum Auftakt von Paris-Nizza kamen nicht unerwartet, schon oft sahen wir zerrupfte Pelotons im März durch Mittel-Frankreich knattern. Aber sie brachten Unerwartetes zu Tage. Neben Windkanten-Terminator Luke Rowe und Wattmonster Dylan Groenewegen holte sich ausgerechnet ein kolumbianischer Kletterer das Abzeichen „Kantenfuchs, in Gold“. Egan Bernal, selbstverständlich von der Sky-Armada prächtig unterstützt, zeigte Näschen und Power, war bei den entscheidenden Windkanten vorn dabei und kreiselte scheinbar spielend mit durch, während einige Tretviecher große Probleme hatten. 

Das war stark und beeindruckend. Den Gesamtsieg holte sich der 22-Jährige absolut verdient und scheinbar mühelos. Was für ein krasses Talent, bei dem wir uns die Frage stellen: Was kann er eigentlich nicht?

 

Alberto Bettiol – Obacht für die Klassiker!

Der Italiener Alberto Bettiol würde sicher nicht 100% der Stimmen bekommen, würde man im Peloton nach dem beliebtesten Fahrer fragen. Aber auf wen trifft das schon zu? Eben. Alberto Bettiol ist kein Unbekannter. Der inzwischen 25-Jährige fuhr bei Cannondale, dann 2018 beim BMC und ist nun zurück bei Jonathan Vaughters. Er war in der Junioren-Klasse stark, dann in der U23 auch gut und wurde sehr, sehr früh Profi. Die Eintagesrennen sind sein Terrain, dabei darf es gern etwas hügelig sein, und gegen Pflaster hat er auch nix

Bei Tirreno-Adriatico konnte man sehen, dass er in sehr guter Form ist. Kein Sieg, aber Dritter, Sechster und zum Abschluss Zweiter im Zeitfahren. Der Kerl wird mit Bomben-Form und breiter Brust nach Belgien kommen und man sollte ein Auge auf ihn haben! Klar, man hat Sep Vanmarcke im Team und Sebastian Langeveld hat auch ne gute Form – aber Bettiol kann die Rolle des Jokers spielen. Vielleicht in die Gruppe gehen, die vor dem großen Finale geht, wenn die frühen Ausreißer fast eingeholt sind. Also WIR lassen diesen Kerl nicht mehr als den Augen!

 

Fuglsang mit Monsterpower – Obacht, für die Ardennen! 

Nach Strade Bianche gab es eh keine Diskussionen mehr über die Form von Jakob Fuglsang. A+++.  Bei Tirreno-Adriatico fuhr er dann weiter wie ein Moped. 1:06 min kassierte er beim Auftakt-Team-Zeitfahren auf Roglic. Am Ende lag er im GC nur 30 Sekunden zurück. Der Kerl macht beim Zuschauen Spaß, weil er früh angreift. Fuglsang will offenbar die Ronde fahren, wo er 2016 26. wurde. (1:16 min hinter Sieger Sagan). Ob er sich dort den Stecker zieht, bleibt abzuwarten, will er doch offenbar einen Tag später ins Baskenland reisen. Für die Ardennen muss man aber auf jeden Fall fest mit ihm rechnen. Vor allem beim Amstel könnte er der Mann sein, der dem Rennen die entscheidende Wendung gibt. Wir sind gespannt und freuen uns vor – denn Jungs, die lieber attackieren als Abzuwarten sind beim Publikum stets beliebt.

 

Alaphilippe entdeckt Leichtigkeit des Siegens

Strade Bianche auf Anhieb. Zeitfahren in Argentinien. Klassikeretappen. Massensprint. Julian Alaphilippe gewinnt was, und wie er will. Scheinbar mühelos. Der Kerl kann einfach machen was er will, es läuft. Da tüfteln sie mit Richeze diesen Sprint aus und freuen sich hinterher diebisch. Wie Jungs auf Klassenfahrt, die sich nach einer unerlaubten Partynacht einbilden, unbemerkt morgens um 4 zurück ins Zimmer geschlichen zu sein. „Loulou“ hat wieder eine Form, die für die Konkurrenz schwer zu ertragen ist. Das macht ihn auch zum Top-Favoriten für Mailand-Sanremo und gleich noch für die Ardennen mit. Einfach krass. Er hat die Leichtigkeit des Siegens entdeckt und ist 2019 definitiv bereit, für sein erstes Monument.

 

Oh jeh, Katusha-Alpecin

Vor 12 Monaten knarzte es bereits mächtig im Katusha-Gebälk. Im Sommer eskalierte es dann. Nur drei Siege waren bis Ende März gelungen. Nathan Haas hatte im Oman gewonnen und Kittel, im Jahr zuvor noch von Sieg zu Sieg geeilt, waren „nur“ zwei Erfolge bei Tirreno-Adriatico gelungen. Im Jahr 2017 waren es fünf Erfolge, bis zu diesem Zeitpunkt, 2016 sechs. Nach dem Katastrophen-Jahr 2018 wurden Maßnahmen ergriffen, damit in dieser Saison alles besser werden sollte. Doch nun steht nach dem ersten Drittel der Saison ein einziger Erfolg zu Buche: Marcel Kittels Sieg bei der Trofeo Palma.

Irgendwie läuft es nicht, auch wenn Nils Politt wie schon 2018 eine erfreuliche Ausnahme ist. Denn der Pflasterspezialist zeigte mit Platz zwei im Zeitfahren bei Paris-Nizza, dass er bereit ist, für die großen Klassiker. Die Teamleitung muss sich sicher bald Fragen gefallen lassen, warum es im Vergleich zum Vorjahr nicht den erhofften Aufschwung gab. 
Der Druck wird nicht kleiner, für die Klassikerfraktion und man muss hoffen, dass die Teamleitung die richtigen Ansätze findet, um eine Einheit zu formen und den Hebel umzulegen.