Mathieu van der Poel

MvdP – einfach krass

Was Mathieu van der Poel am Sonntag bei seiner ersten Ronde gezeigt hat, war beeindruckend. Der Kerl hat bei hohem Tempo einen Vorderrad-Defekt. Genau in dem Moment, wo alle mit Vollgas um die Positionen vor dem Oude Kwaremont kämpfen. Er steuert es erst gut aus, muss dann doch zu Boden. Einen Moment braucht er, um wieder loszukommen. Was dann folgt, war einfach wow. MvdP pflügt durch das Feld den Kwaremont hinauf, dass man heute nachsehen muss, ob er dabei vielleicht ein paar Steine rausgerissen hat. Er schafft es tatsächlich wieder in die Favoritengruppe. Am Paterberg fährt er vorn mit drüber und holt sich dann im Sprint noch Platz vier. Das war eine absolut beeindruckende Leistung.

Man kann anführen, dass der Cross-Weltmeister bereist Dwars door Vlaanderen gewonnen hat und ein beeindruckendes Frühjahr zeigt. An Talent fehlt es dem jungen Mann ohnehin nicht. Aber bei der Ronde, die 270 Kilometer lang ist, ohne die 10 km Neutralisation, so eine Leistung abzurufen – das ist eine ganz andere Nummer. Alberto Bettiol hat gewonnen und war superstark, keine Frage. Aber vielleicht war Mathieu van der Poel an diesem Sonntag sogar noch einen Ticken stärker. Bleibt dieser Kerl gesund und entwickelt sich noch weiter, kann er zusammen mit Wout van Aert & Co. eine ganze Klassiker-Epoche prägen. Und so wie er taktisch fährt, hätten wir absolut nichts dagegen.

 

Nils Politt – Schritt für Schritt an die Spitze

Als Nils Politt 2016 bei der Flandern-Rundfahrt erst in die Offensive ging und dann vor dem Finale noch Arbeit für seinen Kapitän Alexander Kristoff machte, waren wir beeindruckt. Der damals 22-Jährige zeigte ein starkes Rennen und hatte ganz offensichtlich Spaß an der Ronde. Dass ihm nur drei Jahre später fast nichts mehr fehlt, um ganz vorn mitzufahren, hatte zumindest ich nicht erwartet.

Wir wussten, dass Nils Politt Talent hat und ein guter Zeitfahrer ist. Wir wussten auch, dass er ehrgeizig ist, Verbesserungspotenzial besitzt und er Bock auf die Klassiker hat. Nach seinem siebten Platz bei Paris-Roubaix im vergangenen Jahr war die Euphorie groß. Und Nils war zu Recht stolz auf diese Platzierung, aber Roubaix liegt dem Tempobolzer wie kein zweites Rennen.

Doch nun hat Politt sich erneut weiterentwickelt. Er hat die Leader-Rolle angenommen und konzentriert sich auf seine Leistungen und Ziele. Schritt für Schritt kommt er langsam an die Weltspitze heran. Was er bei der Ronde am Sonntag gezeigt hat, war der Beweis dafür. An Mut hat es Nils noch nie gefehlt, so konnte er sich oft zeigen. Doch wenn man im Finale bei den ganz großen Jungs am Kwaremont und Paterberg mitfahren muss, ist es etwas ganz anderes, als 40 vor Ziel in die Gruppe zu gehen. Und Politt war dabei, als es über den Kwaremont ging. Am supersteilen Paterberg fehlten nur ein paar Meter, dann wäre er auch dort am Rad geblieben. So musste er mit Bob Jungels die Lücke schließen. Mausetot legte er dann noch einen respektablen Sprint hin. Beeindruckend.

Man sollte vorsichtig sein, mit zu großen Erwartungen, vor allem für Paris-Roubaix. Denn dieses Rennen ist unberechenbar und meist fahren die Sportler besonders gut, die wenig Druck verspüren. Dennoch: Wenn die Entwicklung von Nils Politt so weitergeht, wird er in 1-2 Jahren vielleicht auch diese kleine Lücke am Ende des Paterbergs schließen können. Und vermutlich jeder deutsche Radsportfan würde es Politt von Herzen gönnen, einmal auf dem Podium eines Radsportmonumentes mit Champagner zu spritzen. Der Kerl ist gerade 25 Jahre alt geworden, gebt ihm Zeit.

 

Wieder irdisch – Deceuninck-QuickStep ist keine Übermacht mehr 

Die ersten Klassiker der Saison hat die belgische Mannschaft dominiert. Einfach alles gewonnen, was es zu gewinnen gab. Und auch außerhalb des Lieblings-Terrains holte man Sieg um Sieg. Doch wer Angst vor Langeweile hatte, der wurde am Sonntag beruhigt. Deceuninck-QuickStep konnte dem Rennen nicht den Stempel aufdrücken, wie man es vor drei Wochen noch erwartet hatte. Ja, sie waren in fast allen Gruppen präsent, aber häufig mussten sie reagieren, statt dem Rest das eigene Rennen aufzudrücken.

Die Gründe sind sicher vielfältig. Philippe Gilbert war nach Krankheit weit entfernt von der Top-Form. Auch Yves Lampaert ist nicht so stark, wie man es bereits gesehen hatte. Bob Jungels wurde von der Konkurrenz keinen Millimeter aus den Augen gelassen und bei Zdenek Stybar scheint es so, als sei seine Top-Form bereits wieder am abklingen. Dennoch gelang mit dem zweiten Platz von Kasper Asgreen ein super Resultat. Aber der Anspruch von Patrick Lefeveres Truppe sind nicht super Resultate, sondern Dominanz und Siege. Aber gut, wenn die Pflasterjungs mal nicht so abliefern können, dann holen halt Julian Alaphilippe & Co. ein paar Erfolge mehr – bei QuickStep Deceuninck-QuickStep ist ja sonst auch alles möglich.

 

„Bling“ kann Ronde

Es war seine erste Ronde van Vlaanderen und vor dem Start sagte Michael Matthews noch, dass er keine Ahnung habe, was ihn erwartet. Klar, „Bling“ ist ein Klassikertyp. Er kommt gut die Anstiege hinauf und ist endschnell. Das hatte er schon häufig gezeigt. Aber diese Pflasterrennen haben ihre eigenen Regeln. Es geht um Positionskampf vor den Schlüsselstellen, Streckenkenntnis, eine Gespür für die Situation und natürlich Power. Matthews war in einer guten Form zur Ronde gekommen und er hat ein superstarkes Rennen abgeliefert.

Er war oft vorn zu sehen, an den Schlüsselstellen gut in Position und manchmal vielleicht sogar etwas zu viel im Wind. Aber er hat bewiesen, dass ihm auch dieses Rennen liegt. Hinter Politt wurde er Sechster, war nicht weit weg vom Podium. Man kann sich sehr gut vorstellen, dass er Blut geleckt hat und hier wieder am Start stehen wird. Auch wenn man das Gefühl hat, Matthews ist schon seit 10 Jahren Profi, er ist erst 28. Ihm bleiben also durchaus noch einige Chancen bei der Ronde. So wie er sich am Sonntag präsentiert hat, darf man auf das nächste Jahr gespannt sein!

 

Antwerpen ist schön, Brügge war schöner

Man soll nicht vorschnell urteilen, und lieber noch einen zweiten, oder dritten Blick wagen. Zum dritten Mal startete die Ronde am Sonntag in Antwerpen. Man gab sich Mühe, die Stadt war rausgeputzt, die Bühne pompös und es waren auch ne Menge Zuschauer da. Aber die Stimmung ist nicht zu vergleichen mit den Starts in Brügge. Allein die schmale Gasse vom Teamparkplatz zum Markt, gesäumt von Fans – Brügge war einzigartig. Dann der beeindruckende Marktplatz, wo nicht nur das Einschreiben auf der Bühne stattfand, sondern auch gestartet wurde. Es hatte einfach mehr Charme. Auch die Präsentation selbst wirkte weniger durchchoreografiert. Da gab es mal eine Gesangseinlage mit Tom Boonen, da glänzte Erik Zabel mit seinem Flämisch, da wurde Pippo Pozzato hochleben gelassen, dass selbst ihm fast vor Lachen die Tränen kamen. Es war in Brügge lockerer, echter, familiärer.

Die Ronde kann sicher jeden Euro gebrauchen und Antwerpen mag der Start auch gut tun. Aber wenn es in ein paar Jahre heißt: Wir machen es wieder in Brügge – ich hätte nichts dagegen.