Profil der 19. Etappe der Tour 2019

Diese 19. Etappe führt über 126 Kilometer von Saint-Jean-de-Maurienne nach Tignes. Es ist die vorletzte Bergetappe dieser Tour und erneut geht es hoch hinaus. Der Gipfel des Col de l’Iseran liegt 2770 Meter über Meeresspiegel. Es ist der höchste Punkt dieser Rundfahrt und es wird neben dem Bonussprint (8,5,2 Sek) auch der Souvenir Henri Desgrange vergeben, eine Sonderwertung zu Ehren des ehemaligen Tourdirektors. Das Ziel ist in Tignes, immerhin 2113 Meter üNN.

Mit weniger als 130 Kilometern ist es eine recht kurze Etappe. Doch auch dieses Teilstück hat es in sich. Fast 3800 Höhenmeter gilt es zu überwinden. Auch nach der schweren 18. Etappe über den Galibier ist der Kampf um Gelb weiter offen. Doch auch wenn es am Ende keine großen Abstände zwischen den Klassementfahrer gab, wird diese 18. Etappe Spuren hinterlassen haben. Die Fahrer mussten ans Limit gehen und nach fast drei harten Wochen stößt das System Athlet so langsam an die Grenzen. Für den Freitag könnte es deshalb für einige Fahrer ein schwerer Tag werden. Denn mit der großen Höhe kommen die Fahrer unterschiedlich gut klar. 

Bei einer solch kurzen Etappe kann das Rennen außer Kontrolle geraten, denn bei nur dreieinhalb Rennstunden können die Kapitäne früh selbst angreifen. Sind es die Top-Fahrer die angreifen, müssen auch die direkten Kontrahenten reagieren. Die 15. Etappe der Vuelta 2016 gilt als Paradebeispiel für solche Etappen, bei denen das Rennen kurz nach dem Start außer Kontrolle geriet und der Top-Favorit das Rennen verlor. Doch eine frühe Attacke birgt immer das Risiko eines Einbruchs. Dass die ersten sechs Fahrer in der Gesamtwertung sehr eng beisammen liegen, und am Samstag noch einmal eine Hammer-Etappe ansteht, spricht eher gegen einen Brechstangen-Angriff kurz nach dem Start. Vielmehr könnte es auf diesem Teilstück darum gehen, mit einem hohen Tempo den Mann in Gelb zu brechen.

 

Großangriff von Movistar?

Dass in Tignes erneut ein Ausreißer jubelt ist möglich, aber weniger wahrscheinlich. Der Kampf um Gelb ist in vollem Gange und bei der kurzen Etappe ist es schwer, einen großen Vorsprung herauszufahren. Spätestens am Schlussanstieg wird es zum Schlagabtausch der großen Favoriten kommen, sollte nicht schon eine Mannschaft am Iseran zum Großangriff blasen. So müssten Ausreißer wohl mit rund zwei Minuten Vorsprung in die Schlusssteigung gehen, um am Ende den Tagessieg zu holen.

Vor allem das Movistar-Team hat nach dem Etappensieg von Nairo Quintana wieder mehrere Optionen in der Gesamtwertung und könnte versuchen, mit einer Attacke am Iseran das Rennen zu sprengen. Hat man frühzeitig einen Fahrer in der Ausreißergruppe platziert, könnte dieser nach der Abfahrt auf dem Weg zum Schlussanstieg für den Kapitän arbeiten. Doch bislang schien Mikel Landa der einzige Movistar-Fahrer zu sein, der ums Podium mitkämpfen könnte. Doch Landa hat bereits den Giro d’Italia in den Beinen und es wäre wenig verwunderlich, würde dem Spanier etwas die Kraft ausgehen.

Das Ineos-Team hat mit Egan Bernal und Geraint Thomas gleich zwei Fahrer in der Gesamtwertung sehr weit vorn. Doch sie müssen Julian Alaphilippe in Schwierigkeiten bringen, wollen sie ihm das Gelbe Trikot abjagen. Vielleicht schlagen auch sie am Iseran ein hohes Tempo an um Alaphilippe früh ans Limit zu führen. 

Steven Kruijswijk hat angekündigt, auf Gesamtsieg zu fahren, so muss auch er angreifen. Sein Jumbo-Visma-Team schien in den Bergen die stärkste Equipe zu sein. Vielleicht gehen auch sie in die Offensive. Und dann gibt es  noch Thibaut Pinot, den bislang wohl stärksten Kletterer in dieser Tour. Will er in Gelb in die letzte Bergetappe am Samstag starten, muss er wohl bereits am Iseran angreifen. 

 

Reicht bei Alaphilippe die Kraft?

Doch nur wer die entsprechenden Kraftreserven hat, kann angreifen. Denn bei aller Taktik entscheiden am Ende die Beine. Die große Frage für diese 19. Etappe ist: Wird Julian Alaphilippe Gelb verlieren? Bislang fährt Alaphilippe ein überragendes Rennen, doch am Galibier musste er erneut reißen lassen, obwohl das Tempo lange Zeit moderat war. Dank seiner herausragenden Abfahrtkünste musste er nur auf Bernal Rückstand hinnehmen. Doch am Freitag liegt das Ziel am Gipfel, nicht im Tal. Man darf gespannt sein, ob sein „Traum in Gelb“ weitergeht.

Die Gesamtwertung nach der 18. Etappe der Tour de France 2019

 

Die Strecke

Karte der 19. Etappe der Tour 2019

Kurz nach dem Start geht es direkt bergauf. Es ist keine lange Steigung, aber vielleicht wird sofort attackiert. Anschließend geht es etwa 20 Kilometer flach zur ersten kategorisierten Steigung des Tages. Es folgt eine kurze Abfahrt und erneut geht es hinauf. Betrachtet man die ersten rund 75 Kilometer bis zum Fuße des Col de l’Iseran, so geht es stufenartig und stetig aufwärts. Der Start liegt auf 585 Metern Höhe, die Steigung zum Iseran beginnt 1800 Meter über Meeresspiegel. Es geht die ganze Zeit das Tal der Arc hinauf, bis die eigentliche Steigung beginnt.

Der Iseran ist die höchste befahrbare Passstraße der Alpen, aber kein Monsterberg. Es ist nicht supersteil und es gibt auch flacherer Passagen. Dennoch ist es ein langer Anstieg und die Höhe könnte ihre Wirkung zeigen. Es ist keine gleichmäßige Steigung und sowohl im Mittelteil, als auch auf den letzten zwei Kilometern gibt es steile Rampen. Vielleicht sind das die Stellen für die Attacke, die Alaphilippe außer Tritt bringt? 

Das Profil des Iseran

Vom Gipfel des Iseran sind es noch 37,5 Kilometer, davon geht es fast 25 bergab. Der obere Teil der Abfahrt ist durchaus anspruchsvoll, hier können gute Abfahrer Zeit gutmachen.

Anschließend geht es in die Schlusssteigung. Will man hier einen Angriff platzieren, dann direkt im unteren Teil. Der Weg hinauf zum Lac de Tignes ist nur die ersten Kilometer wirklich steil, ehe es eine flachere Passage gibt. Die letzen vier Kilometer der Steigung sind dann wieder mehr als 7% steil. Die Bergwertung wird knapp zwei Kilometer vor dem Ziel abgenommen, anschließend geht es leicht ansteigend zum Ziel. 

Es ist kein Monsterberg, aber nach all den Anstrengungen könnte es auch hier große Abstände geben.

 

Das Profil des Schlussanstiegs

Bergwertung ist 2 km vor Gipfel

 

Die Favoriten

Für einen Sieg aus einer Ausreißergruppe kommen nur extrem starke Kletterer in Frage. Simon Yates hat sich gestern zurückgehalten und seinen Bruder vorgelassen, vielleicht ist er nun wieder an der Reihe. Thomas de Gendt ist bei jeder Attacke gern dabei und auch Fahrer wie Pello Bilbao, Warren Barguil oder Ilnur Zakarin wären Kandidaten. Vielleicht schickt Movistar Alejandro Valverde in die Gruppe des Tages. Der Spanier könnte später helfen, aber auch um den Tagessieg fahren.

Die große Höhe wird eine Rolle spielen und das dürfte vielleicht den Kolumbianern in die Karten spielen. Egan Bernal machte am Galibier einen starken Eindruck, auch Rigoberto Uran hat sich gefangen, nachdem er in den Pyrenäen noch nicht bei den Besten mitfahren konnte. 

Thibaut Pinot hat die große Chance die Tour zu gewinnen, doch er muss geschickt agieren. Dennoch wird er wohl nicht auf die Etappe am Samstag warten wollen, um Gelb zu übernehmen. Denn taktisch wäre es viel günstiger, müsste er dann nur reagieren, anstatt selbst den Druck der Attacke zu haben. Denn sehr schnell können taktische Allianzen entstehen, die es fast unmöglich machen, der Konkurrenz davonzufahren.

 

***** Simon Yates
**** Egan Bernal
*** Geraint Thomas, Thibaut Pinot
** Mikel Landa, Warren Barguil, Fabio Aru, Pello Bilbao
* Steven Kruijswijk, Rigoberto Uran, Emu, Alejandro Valverde

 
Start: 13:45 Uhr
Ziel: ~17:30 Uhr

 
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