Jan Tschernoster


Es gibt unzählige Geschichten über Sportler und ihren steinigen Weg an die Weltspitze. Bücher über Champions, die sich nach Rückschlägen zurück kämpfen. Hunderte toller Heldengeschichten großer Sportler. Auch die folgende Sportler-Geschichte gibt es so, oder so ähnlich hundertfach. Doch normalerweise wird sie nicht erzählt. Es ist die Geschichte eines der größten Rad-Talente Deutschlands auf dem Weg zum Profi. Sie hat kein Happy End.

Die Liebe zum Rad entwickelte sich bei Jan Tschernoster wie bei vielen anderen. Als Kind war es ein großer Spaß mit den Kumpels unterwegs zu sein. Ein Gefühl von Freiheit, dazu erste Erfahrungen mit dem Rausch der Geschwindigkeit – so beginnen üblicherweise Radsportbiografien. Ab der U13 ist Jan Tschernoster Rennen gefahren. Mehr aus Spaß, als mit Hintergedanken. „Ich hatte als Kind nie den Traum Profi zu werden, oder mal bei der Tour de France zu starten. Ich hatte einfach Spaß, auch an den Rennen“, sagt Tschernoster. 

Dieses Gefühl, der Spaß beim Radfahren blieb lange ohne übermäßige Ambition. Nationalkader fuhr er zunächst nie. „Im Winter nach dem ersten Juniorenjahr kam Horst Teutenberg zu mir und drückte mir ein SRM-Gerät in die Hand. ‚Wollen wir es mal etwas ernster angehen, Jan?‘, sagte Horst Teutenberg zu mir. Ab da ging es los“, erzählt Tschernoster. „Horst hat mich sportlich & menschlich geprägt. In Sachen Selbstreflexion und Selbsteinschätzung hat er mich echt weitergemacht. Und wie sehr er mich sportlich weitergebracht hat, kann man ja an den Ergebnissen ablesen“.

Junioren-WM

Im Winter trainiert er gut und bereitet sich auf die Saison 2014 vor. Das Training funktionierte und er fuhr vorn mit. Bei der Cottbus-Rundfahrt lief es ordentlich, bei der international gut besetzten und sehr angesehenen Junioren-Rundfahrt Driedaagse van Axel wurde er Gesamtzweiter. Hinter Peter Lenderink und vor den heutigen World-Tour-Profis Fabio Jakobsen und Joris Nieuwenhuis.

WM 2014 – Jan, Teil des blondierten & erfolgreichen Junioren-Teams

Seine Leistungen blieben nicht unentdeckt – der BDR nominierte Tschernoster für die WM im Zeitfahren. Für einen Nicht-Kaderfahrer durchaus ungewöhnlich, eine Einladung für die Nationalmannschaft für die WM zu erhalten.
Zeitfahr-Weltmeister der Junioren in Ponferrada wurde damals Lennard Kämna – Tschernoster landete auf Rang elf. Ein beachtliches Ergebnis, dass ihm die Chance gab, bei den Männern direkt in das KT-Niveau aufzusteigen.

KT-Fahrer – diszipliniert, talentiert, ambitioniert

Im Jahr 2015 konzentrierte sich Tschernoster auf sein Abitur und die Rad-Bundesliga. Er startete zunächst für das Landesverbandsteam NRW. Er ist ganz normal aufs Gymnasium gegangen, keine Sportschule, keine besondere Förderung. „Ich habe abends viel auf der Rolle gesessen“, erinnert Tschernoster. Er startete zunächst für das Team aus dem Sauerland. Wolfgang Oschwald, heute beim Team Sauerland, damals beim Landesverband, sagte ihm: „Solange du nicht jedes Bundesliga-Rennen in Top5 beendest, bist du auch nicht zu gut für die Bundesliga“. Internationale U23-Rennen mit dem Nationalkader kamen erst später, denn das Team Rad-net vom BDR holte ihn im Sommer als Stagiaire.

Es lief im ersten Männer-Jahr sehr ordentlich, trotz Abi-Stress. Er wurde direkt Gesamtdritter der Bundesliga, hinter Lennard Kämna und dem heutigen CCC-Profi Jonas Koch.

2016 – Aufstieg zum Megatalent

Tschernoster wechselte fest zum Rad-net-Team um Ralf Grabsch. „Ich wollte es drauf anlegen. Ich musste mich entscheiden: entweder richtig, oder wirklich nur als Hobby. Ich hatte mich entschieden: Ich wollte versuchen Profi zu werden“ , so Tschernoster.

„Jan ist ein super zielstrebiger, motivierter Mensch, der alles zu 100% akkurat macht, was er sich vorgenommen hat“, beschreibt ihn sein damaliger Teamkollege Pascal Ackermann. „Im Trainingslager habe ich selten jemanden gesehen, der das Training so diszipliniert gemacht hat. Und dann hat er nebenbei noch sein Fernstudium voll durchgezogen“, so Ackermann.

Tschernoster wurde Teil der Sportfördergruppe der Bundeswehr und trainierte sehr seriös. „Meine Eltern haben mich voll unterstützt, auch wenn sie zuvor schon immer darauf bedacht waren, dass ich ‚was richtiges‘ mache“.

„Ich kannte Jan schon, bevor er zu uns ins Rad-Net-Team kam. Es war bei der Oderlandrundfahrt, da ist er noch beim Team NRW gefahren, aber wir wussten, dass er zu uns kommt. Da war eine Windkantenetappe und ich hab ihn zu mir an die Seite genommen und gezeigt, wie man das so macht“, erzählt Ackermann vom Kennenlernen. „Er war so wissbegierig, hat genau zugehört und aufgepasst. So war er mir schon ans Herz gewachsen, bevor er zu uns ins Team kam“, so Ackermann.

Bundesliga-Sieg, TT-Silber

Tschernoster schlug 2016 richtig ein. Er gewann die Rad-Bundesliga, holte bei der Deutschen Meisterschaft im Zeitfahren (U23) hinter dem zwei Jahre älteren Maximilian Schachmann Silber und schlug dabei auch Marco Mathis, der ebenfalls zwei Jahre älter ist. Mathis gewann später bei der U23-WM den Titel im Zeitfahren. Schachmann holte dort Silber.

Silber für Jan (links) bei der U23-DM. Sieger M. Schachmann, Bronze für den späteren TT-Weltmeister M. Mathis.

Aber Tschernoster war nicht nur im Kampf gegen die Uhr auf dem Weg zur Weltspitze. Bei der Tour de l’Avenir, dem wichtigsten Rennen in der U23-Klasse, fuhr er gleich am ersten Tag in der Spitzengruppe mit und kämpfte um den Etappensieg. „Wir waren zu fünft und ich wurde Fünfter. Sie haben mich da gut abgezockt, aber das war dennoch ein Riesending“ , erzählt Tschernoster. Am zweiten Tag durfte er sogar stellvertretend im Bergtrikot starten – als Fahrer, der erst im zweiten Jahr bei den U23 war. Mit in der Gruppe waren damals die heutigen World-Tour-Profis Tao Geoghegan Hart, Amund Grøndahl Jansen und Nathan Van Hooydonck. Den Tagessieg holte damals aber der Italiener Vincenzo Albanese, heute beim Team Bardiani-CSF.

Knapp über 60 Kg bei 1,80 mWeltspitze im Zeitfahren und berghoch richtig stark. „Ich habe schon gedacht, dass ich das Potenzial habe, Profi zu werden“, so Tschernoster bescheiden. Die Radsportwelt nahm bereits Notiz von diesem zurückhaltenden jungen Deutschen Mega-Talent.

„Er hat sich nie aufgeregt oder geflucht – ein ruhiger sympathischer Typ“, erinnert sich Sunweb-Profi Nico Denz, an die gemeinsamen Rennen, wie die l’Avenir 2016. „Er hat sich ein einziges Mal aufgeregt, keine Ahnung warum. Aber wir waren alle perplex, weil er das nie machte.“

Der erste Rückschlag – Arterienknick

Es lief alles glatt, auch in der Vorbereitung auf sein drittes U23-Jahr 2017. Nicht wenige Experten rechneten fest mit einer großen Karriere als Rundfahrer. Doch dann im Januar 2017 gab es plötzlich Probleme. „Es fühlte sich plötzlich an, als würde das linke Bein schneller übersäuern. Es erholte sich nicht wieder, nur wenn ich komplett rausnahm“ , erinnert sich Tschernoster.

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