Marcel Meisen


Die Ankündigung sorgte für Aufregung, auch wenn das Thema seit Jahren diskutiert wird – das aktuelle System mit Startgeldern im Cross soll verschwinden. Als Ausgleich sollen die Preisgelder angehoben werden. So der Plan der belgischen Veranstalter. Im Sinne „einer Professionalisierung des Sports“ sei dies nötig, argumentieren die Befürworter. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie seien die Cross-Veranstalter in Schwierigkeiten. Die großen belgischen Veranstalter Flanders Classics und Golazo wollen nun zusammen ein neues Konzept auf den Weg bringen, ohne Startgelder.

Cross ist anders

Bei den Straßenrennen bekommen die Fahrer ihr Gehalt, die Kosten für Reisen, Verpflegung, Material, Betreuer usw. übernimmt das Team. „Im Cross ist das anders“, erklärt der Deutsche Cross-Meister Marcel Meisen vom Team Alpecin-Fenix. „Da organisierst du alles selbst. Die Betreuer, das Hotel, die Reisen. Da muss man schon auf die Kosten schauen. Wenn ich nach Belgien fahre, geht das noch, aber nach Tschechien oder noch weiter weg, da muss man schon rechnen. Da sind die Startgelder in der Rechnung schon einkalkuliert“, so Meisen.

Lohn für Erfolg

Auch bei den Gehältern der Cross-Fahrer werden die Antrittsprämien berücksichtigt. „Es ist eine Gesamtkalkulation, anders als beim Straßenradsport“, sagt der 31-jährige Meisen. Ein neues System ohne Startgelder muss nicht unbedingt ungerechter sein. „Es wird von Startgeldern in Höhe von 50.000 – 60.000 Euro gesprochen, die ein Veranstalter kalkulieren muss. Wenn man diese Summe dann in die Preisgelder steckt, kann man da sicher ordentlich was bewegen. Wird aber das Startgeld einfach gestrichen und an den Rennprämien gespart, kann das durchaus problematisch werden“, so Meisen.

Zudem bleibt das stets das Risiko, auf den eigenen Kosten sitzen zu bleiben, wenn man beispielsweise in Runde zwei einen Platten hat und das Rennen gelaufen ist. „Man muss schauen, dass es am Ende für die Sportler nicht noch weniger Geld wird, als ohnehin schon. Denn dann wird es weniger Fahrer geben, die das wirklich professionell machen können. In Deutschland haben wir mit Sascha Weber nur noch einen, bei dem das so ist“, sagt Meisen, der bei Alpecin-Fenix zwar zur Cross-Abteilung gehört, aber auch für Straßenrennen eingeplant ist.

Materialprüfung – Marcel Meisen vorm Cross-Rennen (Foto: @Kathrin Schafbauer)

Das „Konstrukt Cross“ ist insgesamt komplex und regional sehr unterschiedlich. Während der Sport in Belgien Tradition hat und im Winter viele Zuschauer zu den Rennen lockt, ist es beispielsweise in Deutschland die absolute Nische. In Belgien finden die großen und prestigeträchtigen Rennen statt und deshalb ist dort auch das Starterfeld von ganz allein mit den Stars gespickt. Das bedeutet für die Veranstalter weit weg der Cross-Hochburgen aber auch, dass sie für die Stars Geld bezahlen müssen, wollen sie diese bei ihren Rennen haben.

In Belgien sieht man das Streichen der Startgelder als nötigen Schritt und will künftig wohl nur den ersten fünfzehn der UCI-Rangliste eine feste „Mindestausgabenerstattung“ zahlen. „Es besteht die Notwendigkeit einer grundlegenden Änderung des Systems. Auf jeden Fall ist es professioneller, nach Leistung und UCI-Ranking zu bezahlen, anstatt sich darauf zu verlassen, wie viel ein Fahrer wert ist“ sagte Tomas Van Den Spiegel von Flanders Classics gegenüber wielerflits.

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Ganz neu ist ein Ansatz mit hohen Preisgeldern und ohne Startgeldern nicht. „In der Schweiz geht Christian Rocha einen solchen Weg. Dort sind mit den Startgeldern wirklich nur knapp die Unkosten gedeckt. Wer aber gut fährt, kann mit guten Preisgeldern rechnen. Das ist vor allem für Fahrer der zweiten, oder dritten Kategorie interessant“, so Meisen. Die sportliche Leistung wäre direkt an den ökonomischen Erfolg geknüpft – auf den ersten Blick eine sinnvolle Idee.

Innovations-Druck?

Der Cross-Sport steht vor Herausforderungen. Die TV-Zahlen in Belgien und den Niederlanden sind stabil und ordentlich, aber in Deutschland sind nicht alle Rennen ohne weiteres live zu verfolgen. Für die Veranstalter der Rennen sind vor allem die Einnahmen aus Eintrittsgeldern wichtig. „Gefühlt sind es schon ein paar Zuschauer weniger, als vor ein paar Jahren“, sagt Meisen. Aus Belgien hört man ähnliche Stimmen.

Auch hier besteht natürlich ein Zusammenhang zu den Startgeldern. „Ein Sven Nys am Start hat vor Jahren mehr als tausend Leute mit an die Strecke gebracht, da ist dann auch das Startgeld anders zu bewerten“, sagt Meisen. Heute ist es so, dass bei einigen Rennen große Fahrer mit Startgeld angelockt werden, der Rest des Starterfeldes dann „aufgefüllt wird“. „Sowas ist für den Zuschauer daheim am TV vielleicht nicht so relevant, aber für die Fans an der Strecke macht ein solches Fahrerfeld das Event dann doch uninteressanter“, sagt Meisen. Bleiben die Leute dann lieber zu Hause vor dem TV, als an die Strecke zu kommen, fehlen den Veranstaltern Ticketeinnahmen und vor allem der Umsatz im Bierzelt. Das wird ganz schnell zum Problem.

Aktuell richten sich die Startgelder nach Prominenz, sportlichem Erfolg, Verhandlungsgeschick und Fan-Potenzial. „So wurde man bislang etwas verspätet für seine Leistung belohnt“, erklärt Meisen. Nach einer guten Saison konnte man für das Folgejahr mehr Startgeld verlangen. Kommt nun die Reform, wäre der Effekt direkter. „Allerdings muss man schauen, wie das dann umgesetzt wird. Werden unter der Hand weiter für die großen Namen Startgelder gezahlt, macht das natürlich wenig Sinn“, so Meisen.

Noch ist unklar, wie genau das neue Konzept aussehen wird. Im Corona-Jahr ist so vieles unsicher, auch für Veranstalter. Wie viele Zuschauer darf man zu den Events zulassen? Wie hoch sind die Einnahmen, fallen Partyzelte flach? Müssen eventuell weitere Events im Rennkalender abgesagt werden? Diese Fragen können aktuell nicht beantwortet werden.

„Normalerweise geht es im Juli los, mit den Anfragen für die Rennen, in diesem Jahr ist es bislang noch recht ruhig“, sagt Meisen. Die Corona-Pandemie wird auch den Cross-Sport beeinflussen und die damit verbundenen Probleme könnten die Bemühungen um die geplante Reform zusätzlich beschleunigen. Ob die Reform den Sport langfristig positiv beeinflussen wird, bleibt abzuwarten.