Profil Straßenrennen

WM-Rennen sind immer speziell. Neben der EM ist die Weltmeisterschaft in diesem Jahr das einzige Rennen mit Nationalmannschaften und nicht in den gewohnten Profi-Teams. Es ist stets ein langes und hartes Rennen, dass mit einem wunderschönen Trikot für ein ganzen Jahr lockt. Dieses Eintagesrennen hat in der Radsportwelt eine besondere Stellung.
Die WM 2020 sollte eigentlich in der Schweiz stattfinden und der dort geplante Kurs war schwer und bergig. Das nun nach Imola verlegte Rennen wird keinesfalls leichter! Satte 5000 Höhenmeter bei knapp 260 Kilometern. Vergleichbar mit einem Ardennen-Klassiker geht es auf den neun Runden auf und ab. In Imola sind im Vergleich zu Aigle & Martigny neben Kletterqualitäten auch Explosivität gefragt.

Der Verlauf des Rennens ist schwer vorhersehbar. Die Distanz und das Profil könnten dazu führen, dass die Kapitäne lange warten. Oder aber, Fahrer mit Außenseiterchancen gehen früh in die Offensive und das Finale wird zeitig eröffnet. Kann ein Team das Rennen kontrollieren? Fahren die Italiener oder die Kolumbianer extrem offensiv? Vielleicht wird früh das Tempo für die Top-Kletterer an den Anstiegen angezogen, um Fahrer wie den Belgier Wout van Aert zu zermürben.
Oder wollen die Spanier mit Altmeister Alejandro Valverde das Rennen bestimmen? Welche Rolle spielen die starken Fahrer, wie beispielsweise der Kandier Michael Woods, die keine superstarke Mannschaft haben? Bilden sich Allianzen, weil Teamkollegen aus World-Tour-Teams zusammenspannen?
Problemlos ließen sich noch 10 weitere Fragen formulieren, auf die es erst im Rennen einen Antwort gibt. Genau das macht den Reiz der WM aus. Ein Festtag für Radsport-Fans.
 

Die Strecke

Karte der Straßenrennen

Das Rennen wird auf einem 28,8 km langen Rundkurs ausgetragen. Start und Ziel ist auf der Rennstrecke von Imola. Insgesamt neun Runden sind zu absolvieren. Auf jeder Runde warten zwei schwere Anstiege, doch schon wenn die Fahrer den Renn-Circuit verlassen, geht es bergauf. Die beiden Anstiege sind nicht sehr lang, aber knackig steil! Zudem geht es nach den Anstiegen einige Meter über windanfälliges Terrain. Was diese Abschnitte zusätzlich erschwert. 
Nach dem zweiten Anstieg, dem Galisterna, geht es nicht in eine Abfahrt, sondern wellig weiter. Hier muss man mit Zug weiterfahren, kann aber vom Windschatten profitieren. Das bedeutet allerdings auch – ist man dort abgehängt und eine Gruppe voraus, wird es schwer, zurückzukommen.
Die Anstiege im Straßenrennen

 

Die Favoriten

Es sind die Ardennen-Spezialisten, die hier zu den Favoriten zählen. Wer bei Lüttich-Bastogne-Lüttich ganz vorn landen kann, hat auch bei dieser WM die Chance auf das Regenbogentrikot. Jakob Fuglsang etwa, der den ältesten Klassiker bereits gewonnen hat. Der Däne war nicht bei der Tour de France im Einsatz, sondern hat Tirreno-Adriatico in der Vorbereitung bestritten. Vielleicht bringt ihm das einen Vorteil in Sachen Explosivität, gegenüber den Tour-Startern. Das gilt dann auch für Michael Woods und Vincenzo Nibali.
Aber natürlich sollte man die Tourstarter nicht unterschätzen. Allen voran natürlich Sieger Tadej Pogacar. Auch Julian Alaphilippe und Michal Kwiatkowski zählen zu den Top-Favoriten. Nicht unterschätzen sollte man den jungen Schweizer Marc Hirschi und natürlich Alleskönner Wout van Aert.
Man muss in die Taktiken der Nationalmannschaften eintauchen, um zu erahnen, wie das Rennen angegangen wird. Die Italiener beispielsweise haben mit Diego Ulissi einen sehr endschnellen Mann dabei. Er kann die Karte sein, die man spielt, kommt es zum Sprint einer kleineren Gruppe. Auch die Belgier haben mit Wout van Aert einen Fahrer, der im Sprint einer Gruppe kaum zu schlagen ist. Sicher noch endschneller einzuschätzen, als Ulissi. 
Aber das bedeutet nicht, dass diese Nationen mit aller Macht versuchen werden, das Rennen zu beruhigen. Im Gegenteil – sie können diese Fahrer in der Hinterhand nutzen, um die anderen Nationen unter Druck zu setzen. Denn sowohl die Belgier (mit Benoot, Van Avermaet, Naesen, ..) als auch die Italiener (Masnada, Brambilla, Nibali, …) haben Alternativen. Gehen sie in eine Gruppe, sollte man sie nicht unterschätzen.
Starke Mannschaften haben auch die Kolumbianer (Lopez, Martinez, Uran, Chaves), die Franzosen (Alaphilippe, Madouas, Martin) und Spanier (Valverde, Mas, Soler) – sie wollen ganz sicher nicht mit Wout van Aert um das Regenbogen-Trikot sprinten! Dazu die unberechenbaren Slowenen, mit Roglic und Pogacar. Und natürlich die Dänen mit Fuglsang. 
Das deutsche Team hat ebenso eine starke Mannschaft dabei. Nach dem Ausfall von Nikias Arndt ist man leider nur mit sieben Fahrern am Start. Zu viele Profi-Mannschaften wollten ihren Fahrern in der wichtigen Phase der Saison keine Freigabe erteilen. Schade, vor allem für die Fans und auch die durchaus gewillten Athleten.
BDR-Team
Kapitän ist Maximilian Schachmann, dem der Parcours sicher liegt, schließlich stand er in Lüttich bereits auf dem Podium! Doch Schachmann war mit gebrochenem Schlüsselbein in die Tour de France gegangen und hat schwere drei Wochen in den Beinen. Zudem musste sein Körper den gebrochenen Knochen zusammenflicken. Bei der Tour kostete das Schachmann wertvolle Reserven, bei der WM muss man abwarten. Hat er einen Sahne-Tag und sich wirklich voll erholt, kann er vorn mitfahren. Doch das wird Schachmann selbst erst im Rennen sehen, wie es um seine Beine und die Form bestellt ist.
Simon Geschke ist Co-Kapitän und Road Captain. Der junge Georg Zimmermann soll Erfahrungen sammeln und früh im Rennen helfen. Jonas Koch wird vermutlich in der ersten Rennhälfte Flaschen holen und versuchen, die Kapitäne bestmöglich zu unterstützen. So sicher auch Nico Denz, der nach seinen Erfolgen in den vergangenen Tagen beflügelt ins Rennen geht. Paul Martens und John Degenkolb werden mit all ihrer Erfahrung die Kapitäne unterstützen.
Der BDR schickt ein sehr motiviertes und gutes Team ins Rennen, das nicht in der Rolle ist, das Rennen bestimmen zu müssen. Die Favoriten sind andere, aber die Truppe um Schachmann und Geschke wird sich voll reinhängen um ein gutes Rennen zu zeigen. Die Frauen am Samstag haben mit Liane Lippert vorgelegt, die Männer würden gern nachziehen.
 
***** Jakob Fuglsang, Wout van Aert
**** Michal Kwiatkowski, Alejandro Valverde 
*** Julian Alaphilippe, Michael Woods
** Diego Ulissi, Marc Hirschi, Richard Carapaz, Alexey Lutsenko
* Max Schachmann, Tadej Pogacar, Primoz Roglic, V. Nibali
Start: 9:55 Uhr
Ziel: ~16:45 Uhr
Wetter: Morgens noch kühl, am Nachmittag bis 17 Grad. Am Nachmittag drohen Schauer. 
Die offizielle Startliste gibt es hier