Alberto Contador (Tinkoff-Saxo) – Rosa Trikot
Der Spanier ist auf dem Weg zum angepeilten Giro-Tour-Double voll im Soll. Contador übernahm das Rosa Trikot wie erwartet nach der 5. Etappe auf dem Abetone, der ersten Bergankunft des Giro d’Italia 2015. Aber dominiert hat er die Rundfahrt bislang nicht. Grundlage dafür, dass er das Maglia Rosa trägt, war das Mannschaftszeitfahren zum Auftakt, bei dem Saxo-Tinkoff auf Platz zwei fuhr. Seitdem versucht Contador das Rennen zu kontrollieren. Lediglich am Abetone testete er einmal mit einem Antritt selbst die Konkurrenz. Deren Angriffe wiederum er konnte er bislang locker abwehren. Nicht einmal die Schulterverletzung, die er sich beim Sturz im Finale der 6. Etappe, scheint ihn dabei zu behindern. Aber offensichtlich stellt sich Contador auf einen Kampf um Sekunden ein. So holte er sich auf der 8. Etappe bei einem Zwischensprint eine Zeitgutschrift von zwei Sekunden. Contador wird darauf bauen, seinen Vorsprung im Zeitfahren am Samstag auszubauen und das Rennen in der schweren letzten Giro-Woche weiter zu kontrollieren.
Fabio Aru (Astana) – Rang 2, +0’03 Min.
Der Italiener hat sich ganz offensichtlich von seiner Erkrankung im Vorfeld des Giro gut erholt. Er werde nicht bei 100 Prozent sein, hatte er vor dem Beginn der Rundfahrt prophezeit. Das scheint aber auch nicht nötig zu sein. Aru war bislang der aktivste Fahrer unter den Favoriten. Drei Mal schon lancierte er Attacken, mit denen er zwar weder Contador noch Porte abschütteln konnte, die anderen Mitfavoriten aber weh taten. Natürlich waren diese Angriffe auch aus der Not geboren, die ihm Zeitverluste im Einzelzeitfahren bescheren wird. Aber es ist auch auffällig, wie taktisch variabel das Astana-Team zu Werke geht, um Aru in eine gute Position zu bringen. Auf fast allen wichtigen Etappen hatte der kasachische Rennstall einen Mann in der Spitzengruppe. Die aufregende 4. Etappe nach La Spezia prägte das Team mit einer führen Tempoverschärfung am vorletzten Berg entscheidend mit. Mit Mikel Landa verfügt er zudem über einen exzellenten Leutnant. Aru muss nun nur noch einigermaßen unbeschadet aus dem Zeitfahren kommen, dann wird er die Konkurrenz weiter unter Druck setzen.
Richie Porte (Sky) – Rang 3, +0’22 Min.
Der Australier fährt bislang ein taktisch äußerst kluges Rennen. Sein Team muss so gut wie keine Arbeit verrichten, was wohl auch besser ist. Denn der Rückstand von 22 Sekunden auf Contador basiert vor allem auf dem überraschend mäßigen Teamzeitfahren, das Sky zum Auftakt ablieferte. Porte selbst ist ansonsten jedoch bisher stets aufmerksam gewesen. Wie Contador konnte auch er alle Attacken mitgehen und versuchte es am Abetone einmal selbst. Seine Chancen, sich nach dem Zeitfahren in einer noch besseren Ausgangsposition zu befinden sind glänzend.
Rigoberto Uran (Etixx-Quick Step) – Rang 8, +2’10 Min.
Der Kolumbianer ist der große Verlierer der ersten Giro-Woche. Uran verlor bislang – geschwächt von einer Bronchitis – fast auf jeder Bergetappe Zeit. Auch auf der 9. Etappe musste er erneut einen Zeitverlust hinnehmen, womit sein Rückstand nun schon mehr als zwei Minuten beträgt. Uran beteuert, er sei ein Kämpfer. Doch zunächst einmal wird er darum kämpfen müssen, in den kommenden Tagen nicht weiter an Zeit zu verlieren. Denn seine Hoffnungen ruhen darauf, im Zeitfahren über 59,2 Kilometer am Samstag Boden gut zu machen, um dann zumindest wieder in Reichweite des Podium zu sein.
Jurgen Van Den Broek (Lotto-Soudal) – Rang 16, +3’33 Min.
Der Belgier fährt bislang einen unauffälligen Giro. Genau wie Uran musste er auf allen Etappen, auf denen die Favoriten sich aus der Deckung wagten, Federn lassen. Am Abetone verlor er mehr als eine Minute auf Contador und Co.. Man solle ihn dennoch nicht abschreiben, findet Van den Broek, denn sein Terrain komme erst noch. In der Tat liegen ihm die kurzen, explosiven Anstiege, die der Giro bisher zu bieten hatte, eher nicht so. Van den Broek wird also durchaus noch Zeit gut machen, wenn es in der letzten Woche länger und gleichmäßiger bergauf geht. Ein Platz unter den Top 5 ist weiterhin realistisch.
Ryder Hesjedal (Cannondale-Garmin) – Rang 21, + 6’16 Min.
Der Kanadier, Giro-Sieger 2012, gehörte zu den großen Verlierern auf der 4. Etappe nach La Spezia als das Team Astana den Hammer auspackte und das Feld im Cinque Terre zerlegte. Fünf Minuten verlor Hesjedal an diesem Tag auf die Favoriten. Die Tempoverschärfung der kasachischen Equipe hatte ihn auf dem falschen Fuß erwischt. Als Trost konnte Cannondale-Garmin immerhin den Etappensieg von Davide Formolo am selben Tag feiern. Hesjedal bleibt dennoch die Nummer eins für die Gesamtwertung. Der Versuch sich auf der 9. Etappe, auf der er es in die Ausreißergruppe schaffte, ein bisschen Zeit zurückzuholen, gelang aber ebenfalls nicht wie erhofft. Nur 29 Sekunden machte Hesjedal auf das Rosa Trikot gut. Nun setzt er alles auf die letzte Woche in den Alpen, aber die Chancen auf einen Podiumsplatz scheinen aussichtslos.
Steven Kruijswijk (LottoNL-Jumbo) – Rang 23, + 10’39 Min.
Der Niederländer gehörte zu den aktiveren Fahrern der erste Woche, ohne dass er sich dafür hätte belohnen können. Sowohl auf der 8. als auch der 9. Etappe gehörte er zu den Ausreißern, beide Male brachten jedoch andere Fahrer den Etappensieg nach Hause. Auf dem 9. Teilstück reichte es immerhin zu Platz zwei hinter Paolo Tiralongo. Kruijswijk wird auch in den kommenden Tagen weiter auf Etappenjagd gehen. Denn seine Ambitionen im Hinblick auf die Gesamtwertung erhielten bereits auf der 4. Etappe nach La Spezia einen empfindlichen Dämpfer, als er über acht Minuten einbüßte.
Przemyslaw Niemiec (Lampre-Merida) – Rang 24, +11’10 Min.
Der Pole ist bislang nicht in Erscheinung getreten und bereits einen beachtlichen Rückstand in der Gesamtwertung. Das wird bis zu den Alpen nicht besser werden, weshalb Niemiec wohl spätestens dann eimal in einer Ausreißergruppe sichtbar werden wird.
Benat Intxausti (Movistar) – Rang 38, +25’03 Min.
Ein Etappensieg am Samstag auf der 8. Etappe mit Bergankunft in Campitello Matese – der Giro d’Italia ist für Benat Intxausti schon ein Erfolg. Dass er in der Gesamtwertung keine Rolle spielt, ist nicht unsere Schuld.
Domenico Pozzovivo (Ag2R) – Aufgabe
Die Bilder waren fürchterlich anzusehen. Reglos lag Domenico Pozzovivo auf dem Asphalt, den sein Blut tränkte. Sofort wurden die Erinnerungen an den tödlichen Sturz von Wouter Weylandt beim Giro 2011 geweckt. Doch Pozzovivo, dem auf der Abfahrt vom Barbagelata das Vorderrad weggerutscht war, hatte Glück: Schädel-Hirn-Trauma sowie eine größere Fleischwunde im Gesicht- keine Lebensgefahr. Auf der 8. Etappe tauchte er schon wieder als Gast beim italienischen TV-Sender Rai im Ziel auf. Der Giro ist für Pozzovivo vorbei, aber das Leben geht weiter – zum Glück!