Richie Porte (Foto: Roth&Roth; Roth-Foto.de)
Richie Porte (Foto: Roth&Roth; Roth-Foto.de)
Richie Porte (Foto: Roth&Roth; Roth-Foto.de)

Was für ein Sportsmann dieser Simon Gerrans Clarke. Selbstlos überlässt er seinem Landsmann und Freund Richie Porte sein Vorderrad im Finale der 10. Etappe des Giro d’Italia, damit dieser nach seinem Defekt schnell wieder aufs Rad steigen und dem davon rasenden Peloton folgen kann. Porte will den Giro in diesem Jahr gewinnen. Zeit verlieren auf einer Flachetappe ist da keine gute Idee. Und weil Clarke in der Gesamtwertung keine Rolle spielt und nicht einmal davon zu träumen wagt, eine Dreiwochen-Rundfahrt zu gewinnen, hat er keinen Nachteil von der selbstlosen Hilfe. Das ist sportlich, das ist fair. Nur leider gegen die Regeln.

Ein Blick ins Regelbuch macht das schnell klar. UCI Regel 2.3.012 ist da unmissverständlich. Vorderräder oder gar das ganze Rad dürfen nur von einem Fahrer aus dem eigenen Team übernommen werden.

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Auch die Sanktionen sind klar definiert. Zwei Minuten Zeitstrafe und 200 Schweizer Franken sind bei Etappenrennen festgelegt. Sollte Porte noch einmal „fremde“ Hilfe annehmen würde er mit weiteren 200 Franken und einer weiteren Zeitstrafe von fünf Minuten dabei.

Die Rennjury hatte also keine Wahl. Die Tatsache, dass die Jury von Italienern dominiert wird, mag zusätzlich Verschwörungstheorien befeuern. Denn mit Fabio Aru liegt der große Hoffnungsträger Italiens auf Platz zwei der Gesamtwertung und ist jetzt zumindest fürs Erste einen seiner schärfsten Widersacher im Kampf um das Maglia Rosa los. Aber das geht am eigentlichen Thema vorbei. Die Frage ist nämlich: Wie geht der Radsport mit seinen Regeln um?

Der Manager von Portes Team Sky, Dave Brailsford, hätte sich mehr „gesunden Menschenverstand“ von den Kommissären gewünscht. Das klingt ein bisschen nach den Argumenten all jener, die finden, dass beim Fußball eine Notbremse im Strafraum nicht auch noch eine rote Karte nach sich ziehen sollte, wenn es doch schon einen Elfmeter gibt. Aber einen Ermessensspielraum gibt es für den Schiedsrichter nicht. Im Radsport – und das ist das Problem – ist das nicht so eindeutig. Denn die Regeln werden nicht immer so konsequent durchgesetzt. Auch deshalb ist der Aufschrei in den sozialen Netzwerken jetzt so laut.

Bei Paris-Roubaix etwa fuhren zahlreiche Profis über eine geschlossene Bahnschranke kurz bevor ein TGV durchrauschte. Nach den UCI-Regeln hätten die lebensgefährlich agierenden Fahrer disqualifiziert werden müssen.

Schranken-Regel

Doch in diesem Fall verzichteten die Kommissäre auf eine Durchsetzung der Regel, weil der Rennverlauf nicht beeinflusst worden sei. Davon, dass in einem solchen Fall die Regel nicht zur Anwendung kommt bzw. die Sanktionen ausgesetzt werden können, steht nichts im Regelbuch.

Es ist leicht nun auf die vermeintlich parteiischen Kommissäre zu schimpfen und eine Regel zu kritisieren, die Sportsgeist bestraft (wobei die Regel durchaus einen Sinn ergibt, man denke nur an eine mögliche Zusammenarbeit verschiedener Teams zulasten Dritter, was den sportlichen Wettkampf verzerren würde). Aber der wahre Fehler ist, dass im Radsport die Regeln nicht immer konsequent umgesetzt werden.

Und umgekehrt weckt die UCI manchmal die Hoffnung auf Sanktionen, die das Regelbuch nicht hergibt. Siehe den Fall Astana. Dass einem Team wegen mehrerer Dopingfälle die Lizenz entzogen werden kann, steht nirgendwo in den Regularien. An dieser Stelle fehlen dem Radsport Klarheit, die es im Fall einer „fremden“ Materialhilfe gibt. Fazit: Klare Regeln, Fahrer, die sie kennen und Kommissäre, die Verstöße konsequent ahnden. Dem Radsport würde eine solche Klarheit gut tun.