Andre greipel (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Betrachtete man nur das Profil, sah die zweite Etappe der 102. Tour de France so aus, als ob sie für den klassischen Massensprint gemacht wurde. Doch auf dem flachen, aber sehr windigen Kurs war bei diesem Wetter Spannung vorprogrammiert. Es lief wie erwartet, und so sprintete in Zeeland nur eine recht kleine Gruppe um den Sieg.

Etwa 56 Kilometer vor dem Ziel  formierte sich eine Gruppe aus 26 Fahrern, die sich vom zerrissenen Feld absetzten. Mit dabei waren auch zwei Top-Favoriten auf den Sieg – der Brite Mark Cavendish (Etixx-QuickStep) und der Deutsche André Greipel (Lotto-Soudal). Schon bald wurde es klar, dass andere Sprinter wie Alexander Kristoff (Katusha) oder John Degenkolb (Giant-Alpecin) nicht mehr nach vorne kommen – und nichts mit dem Ausgang der Etappe zu tun haben werden. Beide sind bei solchen Wetterverhältnissen meist sehr stark, waren aber vorn nicht dabei und haben wichtige Punkte im Kampf um das Grüne Trikot eingebüßt.

 

Perfekte Ausgangslage

Das war eine Situation, die für Etixx-QuickStep kaum hätte besser aussehen können. Die belgische Mannschaft von Patrick Lefevre hatte gleich sechs Mann vorn. Darunter nicht nur Cavendish mit großartigen Chancen auf den Etappensieg, sondern auch Tony Martin im virtuellen Gelben Trikot. Zusammen mit Martin fuhren Weltmeister Michal Kwiatkowski und der Tscheche Zdenek Stybar immer vorne, um den Vorsprung auf das Feld mit dem Gesamtführenden Rohan Dennis zu halten. Mark Renshaw, der langjährige Anfahrer von Cavendish, blieb dagegen bei seinem Kapitän, um auf den letzten Kilometer anzugreifen.

 

Auch das Lotto-Soudal-Team von André Greipel fuhr ein cleveres Rennen. Erst halfen Marcel Sieberg und Tony Gallopin massiv, um den Vorsprung zu vergrößern. Greipel konnte im Windschatten bleiben.  Als der Wind nachließ, zogen sich Gallopin und Sieberg zurück, um zusammen mit dem deutschen Lotto-Kapitän Kräfte fürs Finale zu sammeln. Das war zwar kein normaler Sprint aus einem großen Feld, doch Etixx-QuickStep hatte doppelt so viele Fahrer wie die Erzrivalen von Lotto-Soudal in der Gruppe – in der Sprintvorbereitung ein großer Vorteil.

 

Zu früh im Wind

Doch all die Vorteile garantieren den Sieg nicht. Mit dieser nominellen Überlegenheit war es damit zu rechnen, dass Etixx-QuickStep den Sprint von vorne fährt. Mit Renshaw hatte Cavendish auch den perfekten Anfahrer dafür – der Australier gilt als einer der besten, wenn nicht der Beste, in seinem Fachgebiet. Aber es klappte nicht. Bei diesen Windverhältnissen, die auf der Zielgerade herrschten, konnte Cavendish, der vor allem auf den letzten 50 Metern der schnellste Mann der Welt ist, seine Endschnelligkeit nicht 250 Meter lang halten. Ein Fehler, an den sich Renshaw vielleicht noch lange erinnern wird.

 

Cav als Greipels Anfahrer

Vielleicht war es bei diesem Zielsprint auch eher ein Nachteil, den Sprint als Erster beginnen zu müssen. Das war wohl auch der Grund, warum Sieberg seinen besten Freund Greipel nicht 500 Meter vor dem Ziel ganz nach vorne brachte, obwohl es möglich gewesen wäre. Greipel konnte am Ende nicht nur den Windschatten von Mark Cavendish nutzen – Maxman diente sogar etwa 100 Meter lang als Greipels Anfahrer, was für den gebürtigen Rostocker perfekt war.

 

Allerdings musste der Lotto-Kapitän, normalerweise stärker im Sprint als der Slowake Peter Sagan (Tinkoff-Saxo), auch auf den letzten Metern richtig Gas geben. Denn Sagan konnte sich bis zur letzten Sekunde hinter Greipel verstecken und nutzte seinen Windschatten perfekt. Kittel oder Cavendish hätten in dieser Situation wohl gewonnen, doch am Ende jubelte der Deutsche und bedankte sich bei seinen Teamkollegen für die Vorarbeit.

 

Bei Etixx-Quick Step gibt es dagegen lange Gesichter. Die Mannschaft von Patrick Leferve verpasste nicht nur den erhofften Etappensieg durch Cavendish, sondern auch das Gelbe Trikot durch Tony Martin. Der Schweizer Fabian Cancellara (Trek), der Dritter wurde, zählt nicht zu den weltbesten Sprintern, war aber in dieser Gruppe der viertschnellste Mann nach Cavendish, Greipel und Sagan. Dass er in dieser Konstellation eine Gefahr für das Gelbe Trikot war, dass Tony Martin so gern erobern wollte, dürfte allen bewusst gewesen sein. Das Team ist voll auf Etappensieg gefahren und steht nach viel Mühe am Ende mit leeren Händen da, was auch Teamchef Lefevere ärgerte.
Mark Cavendish wies die Kritik, er habe am Ende nicht voll durchgezogen, als er gesehen hat, dass er nicht gewinnen kann, harsch von sich.

 

Fehlerlos war dagegen das Rennen des Lotto-Soudal-Teams, dass mit André Greipel den verdienten Sieg feierte und sich zusätzlich über das Grüne Trikot freuen darf.