Tony Martin (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

„Ich saß auf dem Rad des Teamkollegen viel zu hoch“, sagte Martin im Ziel. „Dann waren auch noch die Bremsen vertauscht, ich musste also auch noch im Kopf arbeiten.“ Er war froh, noch in der Spitze dabei zu sein.

Etwa drei Kilometer vor dem Ziel setzte er alles auf eine Karte. „Ich hatte realisiert, dass ich, wenn ich nur mit der Gruppe ankomme, wieder das Trikot verpasse“. Er griff an, alles oder nichts. „Ich war am Limit, hab mir selbst nicht viele Chancen ausgerechnet“, sagt Martin. Doch er erwischte genau den richtigen Moment. Denn Sky kontrollierte nur die Gruppe, wollte Froome schützen und keine Zeit auf die Konkurrenz um den Gesamtsieg verlieren. Geraint Thomas machte schon einige Kilometer das Tempo, hatte viel Kraft verbraucht. Froome selbst würde selbst nicht nachsetzen, warum jetzt Kräfte verschwenden, gegen Tony Martin? „Froome will das Trikot weniger als wir“, hatte Martins Teamchef Patrick Lefevere schon am Start gesagt, „Er will das Trikot in Paris, nicht morgen. Er will keine Kräfte verschwenden.“

Es waren also andere gefragt, Tony Martin zurückzuholen. Doch wer weniger als zwei Kilometer vor dem Ziel Vollgas hinter Tony Martin herfährt, der kann anschließend keinen Sprint mehr anfahren. Vielleicht war das der Grund, warum man bei Giant-Alpecin einen Moment zu lange zögerte. „Ich denke das stimmt, wir haben zwei Sekunden zu lange gewartet“, sagt Giant-Alpecin Anfahrer Koen de Kort. „Ich habe gedacht, dass jemand hinterhergeht, wenn er attackiert. Aber es haben alle nur geguckt. Ich bin dann gefahren, bis ich völlig leer war, bis zur letzten Kurve, aber das hat nicht gereicht.“

Keiner wollte Giant-Alpecin helfen, Tony Martin zurückzuholen. Verständlich, denn niemand will die Arbeit machen und dann von John Degenkolb im Sprint geschlagen werden. Die Arbeit blieb also an Giant-Alpecin hängen, doch die konnten die entstandene Lücke dann nicht mehr schließen. „Wir sind mit unseren Möglichkeiten hinterhergefahren“, sagte Degenkolb nach dem Rennen der ARD. „Vielleicht haben wir einen Moment zu lang gezögert, das war dann am Ende der Moment der gefehlt hat. Ich bin einfach nur enttäuscht“.

Tony Martin hat den richtigen Moment gewählt, hat voll durchgezogen und seine ganze Stärke ausgespielt. Es steckte auch viel Frust in seinem Angriff, nachdem er drei Tage lang den Traum von Gelb immer knapp verpasste. „Doch jetzt kehren sich die Gefühle um“, sagte Martin im Ziel. Er hat heute alles richtig gemacht und endlich auch Glück gehabt. Genau so entstehen die großen Geschichten der Tour de France. Vier Tage hat er für das Gelbe gekämpft, auf dem falschen Rad, im richtigen Moment, hat er alles auf eine Karte gesetzt und sich seinen Traum selbst erfüllt.

 

Das Team flippt aus: