Andre Greipel (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Eigentlich war auf der 15. Etappe der Tour de France kaum mit einem klassischen Massensprint zu rechnen. Die letzten 50 Kilometer auf dem Weg nach Valence waren zwar komplett flach, sie folgten aber nach dem schwierigen Berg der zweiten Kategorie, der normalerweise für die reinen Sprinter wie André Greipel zu schwer ist. Auch die ersten 20 Kilometer, fast nur bergauf und mit einer Bergwertung der dritten Kategorie, spielten nicht in die Karten von Greipel und Co.

Das musste Mark Cavendish, der Brite vom Etixx-QuickStep, schon früh feststellen. Der größte Konkurrent von Greipel in flachen Sprints musste am Anfang der Etappe abreißen lassen und erreichte das Ziel in einem Grupetto – übrigens zusammen mit Marcel Sieberg, dem wichtigsten Helfer von André Greipel in den Sprints.

Nach einem Sprintfinale sah es anfangs überhaupt nicht aus. Es bildete sich eine starke neunköpfige Spitzengruppe um Peter Sagan (Tinkoff-Saxo), die normalerweise auf so einer Etappe ganz große Chance aufs Durchkommen hätte. Doch dank der unermüdlichen Arbeit des russischen Katusha Teams, das auf einen Sprinterfolg von Alexander Kristoff hoffte, war der Vorsprung der Ausreißer nie größer als vier Minuten.

Am letzten Anstieg hatte die Spitzengruppe, in der auch der Berliner Simon Geschke (Giant-Alpecin) fuhr, weniger als zwei Minuten Vorsprung, womit klar war, dass die Gruppe nicht durchkommen würde. Allerdings musste Katusha, das nach dem letzten Berg Unterstützung vom Team Europcar bei der Nachführarbeit bekam, feststellen, dass der Deutsche Greipel immer noch im Feld fuhr.

Lotto-Soudal setzte letztendlich alles auf Karte Greipel: So fuhr Lars Bak, auch in der Spitzengruppe vertreten, fast immer auf der letzten Position, sparte Kräfte und konnte am Ende noch seinem Kapitän helfen.

Auch ohne die Helfer Henderson und Sieberg hatte Greipel gute Unterstützung auf den letzten Kilometern. Lotto-Soudal war mit vier Fahrern um den deutschen Sprinter vertreten, während Thomas De Gendt sich ganz vorne im Feld an der Tempoarbeit zusammen mit Katusha und Europcar beteiligte. Als Zdenek Stybar kurz vor dem Ziel attackierte, was es vor allem die Mannschaft von Greipel, aber auch Katusha, die das Loch wieder zufuhren.

Jens Debusschere lieferte letztendlich seinen Kapitän in eine gute Position auf den letzten Kilometer – gleich am Rad von Alexander Kristoff, der noch einen Helfer hatte. Der Norweger blieb aber 350 Meter vor dem Ziel allein vorne und musste sich aus taktischen Gründen noch ein wenig zurückziehen. Greipel fuhr dagegen nicht im Wind, begann seinen Sprint mit 250 Metern vor dem Ziel und machte alles richtig – von seiner Knieverletzung, die er sich am Samstag zugezogen hat, war im Sprint nichts zu merken.

Mit diesem Kraftakt zeigte der 33-Jährige noch einmal, dass er sich bei dieser Tour de France in der Sprintform seines Lebens befindet. Während Greipel wieder jubelte, konnte John Degenkolb noch den zweiten Rang vor Kristoff retten. Auf dem letzten Kilometer war Degenkolb ganz allein, erkämpfte sich aber im Kampf mit Peter Sagan noch Greipels Hinterrad. Doch im ganz flachen Sprint hat der Giant-Alpecin-Kapitän normalerweise keine Chance gegen seinen Landsmann – so war es auch diesmal.

Peter Sagan sicherte sich gleichzeitig 20 Punkte beim Zwischensprint und den vierten Etappenrang – das Rennen um das Grüne Trikot sollte der Slowake heute endgültig für sich entschieden zu haben. Für seinen Hauptkonkurrenten Greipel bleibt aber noch die letzte Etappe in Paris, die zum letzten Mal im Jahr 2005 nicht mit einem Sprint endete.

Dort könnte der Deutsche seinen vierten Sieg bei der diesjährigen Tour de France einfahren. In der Form, in der Greipel sich jetzt befindet, sollte dies mehr als nur möglich sein.