Nairo Quintana (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Es sind am Ende 72 Sekunden, die Nairo Quintana zum Toursieg fehlen. Nach mehr als 3000 Kilometern und fast 82 Rennstunden eine Winzigkeit. „Ich habe die Tour in der ersten Woche verloren“, sagt Quintana selbst. Dabei meint der Kolumbianer vor allem die zweite Etappe. Bei Wind und Regen büßte er an der niederländischen Küste 1:28 min auf Froome ein. Wäre er dort bei Froome geblieben, hätte er die Tour gewonnen? Schwer zu sagen, denn das Rennen wäre vor allem in den Pyrenäen anders gelaufen, wenn Froomes Vorprung nicht schon nach der ersten Bergankunft komfortable 3 Minuten betragen hätte.

Quintanas Stärke sind die Berge, dort wollte er angreifen und Zeit gutmachen. Dass er nach der ersten Woche weniger als 2 Minuten Rückstand hatte, trotz Pflasteretappe, Teamzeitfahren und windanfälligen Küstenstrecken, war definitiv keine schlechte Ausgangslage. Doch Quintana gelang es nicht, Froome in den Bergen entscheidende Sekunden abzunehmen. Rechnet man alle Bergetappen und bergige Ankünfte zusammen, hat Quintana nur 24 Sekunden auf Froome aufholen können – zu wenig, um die Tour zu gewinnen.

Der Parcours war wie gemacht für Quintana. Nur ein kurzes Zeitfahren und ein schweres, hügeliges Mannschaftszeitfahren kamen ihm entgegen. Denn der Kampf gegen die Uhr liegt ihm weit weniger als Chris Froome. Quintana hat bei den Zeitfahren nur 14 Sekunden auf Froome verloren. In den Alpen war Quintana am Berg der Stärkste, hätte vielleicht schon in La Toussuiere mehr Zeit auf Froome herausholen können, wenn er früher angegriffen hätte. Es bleibt Spekulation.

Sicher ist, wenn Quintana auch in den Pyrenäen stärker gewesen wäre als Froome, hätte er die Tour gewinnen können, trotz des Rückstandes nach der ersten Woche. Bei der ersten Bergankunft verlor der Kolumbianer 1:10 min auf Froome. Wäre er dort an Froomes Seite über die Zielline gefahren, wäre er in Schlagdistanz geblieben und wir hätten ein anderes Rennen erlebt.

Chris Froome siegt am Ende verdient, denn er war der kompletteste Fahrer der Favoriten. Im Zeitfahren stark, auf der Windkante dank seines starken Teams ohne Zeitverlust, auf dem Pflaster beeindruckend souverän, in den Pyrenäen der Stärkste und in den Alpen stark genug um das Trikot zu verteidigen. Der kompletteste Fahrer mit dem stärksten Team gewinnt die Tour. Die Het Nieuwsblad schreibt: „Nicht Froome, sondern das Team Sky hat die Tour gewonnen.“ So werden wir die 102. Tour de France in Erinnerung behalten und können uns schon auf die nächste Grand Boucle freuen, dann mischen hoffentlich auch wieder Contador, Van Garderen und Nibali in Bestform mit.