Es gibt kein Video das dies beweist und auch kein Rennkommissar hat etwas beobachtet. Es ist klar, Demare wird nicht bestraft werden – trotzdem wird heiß diskutiert.

 

Das war passiert

Es geht um den Außenseiter-Sieg von Arnaud Demare. Der Franzose war kurz vor der Cipressa in einen Sturz verwickelt und schloss nach der Cipressa wieder ins Feld auf. Matteo Tosatto berichtete, dass Demare mit doppeltem Tempo an ihm vorbei gefahren sei und warf die Frage auf, ob Demare unerlaubte Unterstützung hatte. Sein Landsmann Eros Capecchi sagte, „Demare zog mit 80 km/h an uns vorbei. So etwas habe ich noch nie gesehen. Demare hielt sich an der rechten Seite des Teamwagens fest“. Damit war die Diskussion im Gange.

Angeheizt wurden die Spekulationen dann zusätzlich, als Demare sein Strava-Profil auf „privat“ schaltete. Nur sein KOM an der Cipressa blieb zu sehen. Die Diskussion brach los, vor allem im Netz. Zeitweise kursierte ein Foto, das angeblich Demare am Auto im Anstieg zur Cipressa zeigt. Doch das Bild wurde gar nicht an der Cipressa aufgenommen.

 

Die Strava-Daten

Am Sonntag schaltete Demare dann sein Strava-Profil wieder „öffentlich“ und die halbe Radsportwelt begann die Daten zu analysieren. Vorausgesetzt, die Daten stimmen, war Demare an der Cipressa keineswegs mit 80 km/h unterwegs. Dennoch war er an der Cipresse deutlich der Schnellste, was eine zumindest beeindruckende Leistung ist, die einige wohl die Augenbrauen nach oben ziehen lässt. In einer Passage mit gut 3,5 % Steigung im oberen Bereich beschleunigte er auf mehr als 50 km/h. Das muss aber nichts bedeuten, wie Simon Yates twitterte, hatte er oben hinter den Autos 54 km/h.

 

Aufgehört zu treten hat Demare nur sehr kurz nach seinem Sturz und es sieht nicht so aus, als hätte er sich in „Nibali-Style“ raufschleppen lassen.

 

Was wir nun wissen

Arnaud Demare hat zugegeben, den Windschatten der Begleit-Fahrzeuge ausgenutzt zu haben. So wie jeder andere Radfahrer auch, geschenkt. Sein sportlicher Leiter hat gesagt, dass er Demare eine Flasche aus dem Auto gereicht hat, aber natürlich nicht auf verbotene Art und Weise. Natürlich hat sich Demare unterdessen geäußert und illegales Verhalten abgestritten. Doch warum sollten Tosatto und Capecchi so etwas erfinden?

Der Fall von Demare wäre nur endgültig aufzuklären, wenn der Franzose seine Watt-Daten veröffentlichen würde. Denn nur mit denen könnte man erkennen, ob er an der Cipressa (und allgemein im Rennen) einfach nur unglaublich stark war, oder sich hat helfen lassen. Wie schon gesagt, ohne Beweise keine Strafe – und das ist auch richtig so.

 

Warum die Diskussion gut ist

Auch wenn man vielleicht geneigt ist, im ersten Moment zu sagen: „Au man, der Radsport wieder, sie schaffen es immer wieder Negativ-Schlagzeilen zu produzieren“, hat die ganze Geschichte etwas Gutes. Sie zeigt zum einen, wie schnell ein Fahrer in Verdacht gerät und vor allem wie unbarmherzig. Doch es zeigt auch, dass im Radsport genau hingeschaut wird. Es wird keine Leistung mehr einfach so geschluckt und als „Wunder“ verkauft. Es wird geprüft und kritisch nachgehakt. Mit Strava und Co ist das einfach möglich. Klar, bräuchte man noch mehr Daten um ganz genau analysieren zu können. Klar auch, dass die Fahrer nicht begeistert sind, wenn alle Daten öffentlich werden sollen. Doch in Zeiten von Motor-Doping & Co steckt darin vielleicht auch die große Chance Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen.

Im Radsport, wie in der Gesellschaft allgemein, wird es nie ohne Betrug zugehen. Doch der Radsport hat es sich selbst zuzuschreiben, dass besonders kritisch hingeschaut wird. Trotzdem gehört die Unschuldsvermutung nicht abgeschafft.

Wir wissen jetzt auch noch nicht, wie wir uns davor schützen könnten, dass solche Daten nicht manipuliert werden, damit sie eine „falsche“ Sauberkeit belegen. Aber es wird diskutiert und kritisch geprüft, da ist der Radsport schon einen Schritt weiter als andere Sportarten.

 

Eine wichtige Diskussion wurde mit der ganzen Geschichte angeschoben: Wie „sticky“ darf die Bottle sein? Und wie kann man „festhalten“ bestrafen? Wer schon einmal in einem Profi-Peloton im Konvoi dabei war, hat sicher jede Menge „Grenzüberschreitungen“ gesehen. Natürlich wird nach einem Sturz noch mal die „Schaltung eingestellt“, der „Sattel geprüft“ und die „Flaschen neu gemacht“  – das ist normal.

Festhalten ist generell verboten, doch es wird oft toleriert, zum Beispiel nach Defekten und Stürzen. Aber es gibt auch immer wieder dreiste Aktionen. Festhalten am Auto, „Klinke“ am Berg, … . Das ist natürlich nicht ok und gehört bestraft, dass die Versuchung groß ist, wenn es um Sekunden, Geld und Verträge geht – logisch.

Die Frage ist, wie kann man das unterbinden? Vielleicht am ehesten mit einer Strafe für den sportlichen Leiter, denn der hat den größten Einfluss? Es hat schon nationale Zeitfahr-Meisterschaften in der U23 gegeben, da hat der sportliche Leiter den Fahrer an die Flasche genommen. So jemand gehört gesperrt, denn wohin uns die „Hauptsache du lässt dich nicht erwischen Mentalität“ geführt hat, konnten wir ja gut sehen.

Die Diskussion ist nun erneut angestoßen und wird die Radsportwelt weiter beschäftigen.