John Degekolb – welches Trikot er im nächsten Jahr trägt, wissen wir noch nicht (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)
John Degenkolb – welches Trikot er im nächsten Jahr trägt, wissen wir noch nicht (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Wechselt Giro-Sieger Vincenzo Nibali zum neuen Bahrain-Cycling-Projekt? Tritt John Degenkolb im nächsten Jahr die Nachfolge von Fabian Cancellara als Klassiker-Kapitän bei Trek-Segafredo an? Fährt Peter Sagan ab 2017 für Astana? Wir wissen es nicht und daran wird sich auch bis zum 1. August 2016 nichts ändern. Denn erst dann beginnt offiziell der Transferzeitraum und wir haben Gewissheit. Die UCI-Regeln sind eindeutig und schreiben sogar vor, dass vor dem 1. August keine Verträge unterzeichnet werden dürfen.

Regel 2.15.120 des UCI-Reglements
Regel 2.15.120 des UCI-Reglements

 

Warum das so ist

Natürlich ist es nachvollziehbar, dass der Radsportweltverband vermeiden will, dass schon vor der Tour de France wild verhandelt wird. Denn sportlich könnte sich ein Fahrer schnell in einer Zwickmühle sehen, wenn er im Rennen den Erfolg seines künftigen Arbeitgebers beeinflussen kann. Ist beispielsweise ein Fahrer mit seinem künftigen Kapitän in der Spitzengruppe und fährt dieser gerade um den Sieg, könnte er wertvolle Hilfe liefern. Egal ob er ihn tatsächlich unterstützt, oder ob nicht, es würde auf jeden Fall darüber spekuliert. Dass man dies verhindern möchte, ist klar.

Hinzu kommt, dass die Teams entscheiden, welcher Fahrer welches Rennen fährt. Verlässt ein Fahrer die Mannschaft, nominiert die sportliche Leitung vielleicht einen anderen Fahrer. Im Vorfeld der Vuelta war das schon mehrfach zu beobachten. Gäbe es die aktuelle Transferregelung nicht, hätte das sicher auch Auswirkungen auf die Teamzusammenstellung bei der Tour de France. Die Grande Tour hat sowohl für die Teams, als auch für die Sponsoren eine große Bedeutung – da stellt sich für die Mannschaften nicht nur sportlich die Frage, wen man dort ins Rennen schickt. Dabei müssen die großen Stars sicher nicht um einen Startplatz fürchten, auch wenn sie das Team verlassen wollen, aber vielleicht die Helfer oder Nachwuchstalente. Für die Fahrer geht es aber nicht nur um die Rennplanung, sondern auch um die Unterstützung außerhalb der Rennen.

Bis vor einiger Zeit spielte auch die UCI-Punkte-Regelung eine große Rolle. Denn die Fahrer nahmen die Punkte mit zum neuen Team. Sammelte ein Fahrer im Herbst noch ordentlich Punkte, schwächte er damit seine alte Mannschaft. Diese musste dann vielleicht um den 1.Liga-Status fürchten, während das neue Team des Stars ein ordentliches Punkte-Polster hatte. Dies ist heute nicht mehr so, denn es zählen nur die Punkte, die in der jeweiligen Saison eingefahren wurden für das WorldTour-Team-Ranking. Die Mannschaften, die es unter die ersten 16 in diesem Ranking schaffen, erfüllen die sportlichen Kriterien für den Verbleib in der obersten Liga. Anders sieht es bei Teams aus, die von der ProConti-Ebene in die WorldTour aufsteigen wollen. Bei ihnen gilt weiterhin, dass sie sich auch mit den Punkten der Neuverpflichtungen um die WorldTour-Lizenz bewerben.

 

Wie die Regel umgangen wird

Will ein Team einen großen Fahrer verpflichten, kostet das viel Geld. Aber es erhöht auch die Chancen auf Erfolg und Aufmerksamkeit. Und diese Aufmerksamkeit ist die Währung gegenüber der Sponsoren. Will ein Team neue Sponsoren gewinnen, oder den aktuellen Etat aufbessern, muss man den Geldgebern etwas bieten. Die Verpflichtung eines Stars wäre ein gutes Argument. Meist hängen Etat und Fahrer-Verpflichtung sehr eng zusammen. Manchmal, wie beispielsweise bei Peter Sagan, hängen Sponsor (Specialized) und Fahrer sogar sehr eng zusammen.

Es ist also verständlich, dass die Mannschaften nicht bis zum 1. August abwarten und erst dann die Sache fix machen. So muss man die UCI-Regel umgehen. Meist wird das mit Absichtserklärungen gemacht, sogenannten „Letter of Intent“. Aber es gibt wohl auch weitere kreative Ideen. So soll es auch schon mal ein „zufällig“ falsch notiertes Datum auf Verträgen gegeben haben, dass später „korrigiert“ wurde.

 

Regel ohne Wirkung

Die Idee hinter der UCI-Regel ist durchaus sinnvoll. Doch mit der aktuellen Struktur des Profi-Radsports, kann die Regel den Zweck kaum erfüllen, zumal Vertragsverlängerungen jederzeit getätigt werden können. Stimmt ein Fahrer einer „frühen“ Verlängerung nicht zu, dürfte dem Team klar sein, was dies bedeutet.

Fahrer-Transfers gehören zum Sport. Das jede beteiligte Partei im eigenen Interesse handelt und versucht sich abzusichern, ist logisch. Die Diskussion um John Degenkolb, Vincenzo Nibali und Peter Sagan zeigt, dass der Termin „1. August“ nur festlegt, wie lange die Spekulationen mindestens noch andauern.