Mal wieder hatte es mit dem ganz großen Sprintduell zwischen André Greipel und Marcel Kittel nicht geklappt. Nachdem die beiden Deutschen beim Giro auftrumpften und zusammen auf fünf Etappensiege kamen, sollte bei der Deutschen Meisterschaft in Erfurt die Frage beantwortet werden, wer denn nun der große Favorit für die Tour-Sprints ist. Doch Marcel Kittel hatte Pech, war eingebaut und am Ende ohne Chance. So siegte André Greipel souverän und fährt im Meister-Trikot zur Tour de France. 

Auch wenn Kittel nach der Niederlage in seiner Heimatstadt sichtbar enttäuscht war, der Sprint um den Meistertitel war nicht der wichtigste in diesem Jahr. Denn es gibt in den nächsten Monaten gleich zwei große „Sprintmeisterschaften“: Bei der ersten Etappe der Tour de France nach Utah Beach, wo die schnellen Männer perfekte Chancen auf das Gelbe Trikot haben und natürlich bei der flachen WM in Katar. Und genau für diese WM in Katar sollen die Leistungen von Kittel und Greipel bei der Tour ausschlaggebend sein.

Nach dem eindrucksvollen Beginn der Saison von Kittel gab es eigentlich im Expertenkreis überhaupt keine Fragen: Natürlich wurde der Erfurter, der bei seinem neuen Team Etixx-QuickStep auch neue Impulse bekommen hat, als der schnellste Mann der Welt eingeschätzt. Doch mittlerweile ist dies nicht mehr unumstritten, auch wenn Kittel durchaus in Top-Form zu sein scheint. André Greipel scheint nun auf Augenhöhe. Es sind nicht die drei Siege, die Greipel beim Giro d’Italia einfahren konnte, die ihn zum Favoriten machen, sondern die Art und Weise, wie der gebürtige Rostocker seine Etappen gewann.  

Es ist klar: Bei der Tour de France werden es Kleinigkeiten sein, die den Unterschied zwischen Greipel und Kittel ausmachen. Trotz der Tatsache, dass der Lotto-Soudal-Kapitän Greipel seit fünf Jahren mit einem mehr oder weniger gleichen Zug fährt, scheint die Sprintvorbereitung von Etixx-Quick Step ein bisschen stärker zu sein. Gerade mit dem Italiener Fabio Sabatini hat das belgische Team einen perfekten Kittel-Anfahrer gefunden, der sich mit dem deutschen Kapitän sehr gut versteht. Doch Greipel hat bei der letztjährigen Tour nicht immer aus einer guten Position gesprintet – und trotzdem vier Etappen gewonnen. Es wird auf jeden Fall das Sprintduell der Tour – und es bleibt nur zu wünschen, dass wir endlich mal wieder einen Kopf-an-Kopf Sprint zwischen den beiden besten Sprintern der Welt erleben.

Die Konkurrenz

Doch bei all der Brisanz um das deutsche Duell sollte man die starke Konkurrenz nicht vergessen. Vor allem Mark Cavendish, der sich in diesem Jahr jedoch mehr auf die Olympia-Teilnahme auf der Bahn konzentriert, könnte den Deutschen gefährlich werden. Der 31-jährige Brite ist nicht mehr der Schnellste, hat aber viel Erfahrung und weiß ganz genau, wie man einen klugen Sprint fahren muss. Im letzten Jahr ist es Cavendish gelungen, Greipel zu schlagen. Und zu gern würde er mit Tour-Etappensiegen im Gepäck nach Rio fahren. 

Im Kampf um das Grüne Trikot sollte es für Peter Sagan (Tinkoff) nicht so leicht sein, wie in vergangenen Jahren. Doch auch wenn es in diesem Jahr nicht so viele „Sagan-Etappen“ gibt, bleibt der Weltmeister der Top-Favorit. Sein größter Herausforderer ist vielleicht der Norweger Alexander Kristoff (Katusha), der zur Tour in einer sehr guten Form fahren wird. Allerdings gibt es vor allem in der ersten Woche einige reine Sprinteretappen wo es viele Punkte zu holen gibt. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass in diesem Jahr auch ein Top-Sprinter wie Greipel oder Kittel um Grün mitkämpfen. Die beiden Deutschen wollen erstmal schauen, wie viele Punkte sie nach der ersten Woche eingesammelt haben.

Eine andere große Frage aus deutscher Sicht ist, wie stark John Degenkolb nach seiner schwerer Verletzung bereits ist. Ist Degenkolb schon wieder in der Form, um seinen ersten Tour-Etappensieg einzufahren? Es wird definitiv eine schwere Aufgabe. Zum einen hat „Dege“ in den Vorbereitungsrennen noch nicht gezeigt, dass er schon in der Lage ist, zu gewinnen. Und zum anderen hat der Deutsche innerhalb des Teams diesmal keine allzu große Unterstützung. Doch Degenkolb ist als Kämpfer bekannt – und dies will er in Frankreich einmal mehr unter Beweis stellen.

Mit Sam Bennett (Bora-Argon 18), Michael Matthews (Orica-GreenEdge), Giacomo Nizzolo (Trek-Segafredo) und Nacer Bohanni (Cofidis) treten weitere starke Sprinter an, die theoretisch um einen Etappensieg mitfahren könnten. Besonders sollte man auf den Tour-Debütanten Dylan Groenewegen (LottoNL-Jumbo) schauen: Der junge Niederländer hat seine Form bei Rund um Köln und der ZLM-Toer gezeigt und will seine erste Tour de France attraktiv gestalten. Doch eine richtige Gefahr für das größte Duell dieser Frankreich-Rundfahrt sollten auch diese Fahrer nicht unbedingt stellen.