Beeindruckende Ausreißerleistungen

Auf den ersten Bergetappen der Tour 2016 wurde das übliche Sky-Feuerwerk erwartet. In den vergangenen Jahren hatte man bereits auf der ersten richtigen Bergetappe die Konkurrenz abgehängt. In diesem Jahr ergab sich jedoch ein etwas anderes Szenario.

Die siebte Etappe mit einem harten Finale über den Col d’Aspin wurde von Ausreißern dominiert und Stephen Cummings (Dimension Data) sicherte sich den Tageserfolg. Die Favoriten belauerten sich. Ähnlich lief es auf der 8. Etappe über vier harte Anstiege (inkl. Tourmalet). Trotz der Tempoarbeit der Froome-Mannschaft und zeitweise auch des Movistar-Teams entstanden zwischen den Favoriten keine Abstände. Lediglich eine überraschende Attacke auf der Abfahrt zum Ziel brachten Chris Froome einige Sekunden, den Etappensieg und das Gelbe Trikot.

Auf dem neunten Teilstück setzte sich mit Tom Dumoulin (Giant–Alpecin) erneut ein Ausreißer durch, während die Klassementfahrer endlich erste richtige Attacken fuhren. Dennoch verlässt das Rennen die Pyrenäen, ohne dass sich ein wirklicher Trend für das Podium ableiten ließe. Fabio Aru (Astana) auf dem 13. Platz trennen gerade einmal 1:23 Minuten vom Gelben Trikot.

 

Etappe 7: Durchweg hohes Tempo, Cummings starkes Solo

ausgewählte Leistungsdaten der 7. Etappe (Quelle: Strava)
Ausgewählte Leistungsdaten der 7. Etappe (Quelle: Strava)

 

Die siebte Etappe begann rasant. Das Feld absolvierte fast 50 Kilometer in der ersten Stunde. Der Schweizer Rouleur Grégory Rast (Trek-Segafredo) erbrachte bereits früh im Rennen durchschnittlich 276 Watt für 60 Minuten (312W normalisiert). Bei Geoffrey Soupe (Cofidis), der mit ausgerissen war, kletterten die Leistungswerte gar auf 350W für die ersten 35 Minuten der Etappe mit einer Geschwindigkeit von 51.4km/h.

Die Etappe war insgesamt von hoher Intensität geprägt. Dayrl Impey (Orica–BikeExchange) wurde hinter Stephen Cummings Zweiter und erbrachte 337W (!) normalisierte Leistung über mehr als 4:30 Stunden (298W Durchschnittsleistung).

Der Höhepunkt der Etappe war der 12 km lange, 6.5% steile Col d’Aspin. Im Anstieg leistete Cummings ungefähr 415W (~5,52W/kg) für 31:15 Minuten. Im Hauptfeld reichten George Bennetts (LottoNL – Jumbo) 5,95W/kg in 30:25 Minuten nicht aus, um mit den stärksten Bergfahren den Gipfel zu erreichen.

ausgewählte Leistungsdaten vom Anstieg zum Aspin (Quelle: Strava)
Ausgewählte Leistungsdaten vom Anstieg zum Aspin (Quelle: Strava)

 

Etappe 8: Viele steile Anstiege, wenig Aktion in der Favoritengruppe

Die Leistungen auf der 8. Etappe (Quelle: Strava)
Die Leistungen auf der 8. Etappe (Quelle: Strava)

 

Die achte Etappe führte über vier Pyrenäenpässe. Erneut wurde sofort schnell gefahren. So schnell, dass André Greipel’s Anfahrer Greg Henderson (Lotto–Soudal) den Beginn als den „schnellsten Start der Welt“ bezeichnete. Er benötigte als Teil des Pelotons 281 Watt (ca. 310W NP), um mit dem Hauptfeld auf den ersten 65 km bis zum Tourmalet mitzuhalten. Bis dahin hatte sich noch keine Ausreißergruppe entscheidend absetzen können.

Dies gelang auf der mythischen Passstraße dann Thibaut Pinot (FDJ), der nach enttäuschendem Zeitverlust am Vortag sein Heil in der Flucht suchte. Er setzte dabei einen neuen Rekord über den Tourmalet, mit 54:59 Minuten und einer Leistung ungefähr 345 Watt bzw. 5,31W/kg. Dabei konnten ihm nur Rafal Majka (Tinkoff) und der überraschend kletterstarke Tony Martin (Etixx-QuickStep) folgen. In der Gruppe um die Favoriten erklomm Emanuel Buchmann (Bora-Argon) den Anstieg mit 5,12 Watt/kg (312W) und brauchte knapp 2 Minuten länger.

 

ausgewählte Leistungsdaten vom Anstieg des Tourmalet (Quelle: Strava)
Ausgewählte Leistungsdaten vom Anstieg des Tourmalet (Quelle: Strava)

Nach dem Tourmalet beruhigte sich das Rennen bis zum letzten Anstieg, dem Col de Peyresourde. Der Anstieg wurde von den Favoriten in 20:30 Minuten absolviert, Chris Froome erbrachte ca. 385 Watt und fuhr die 7,4 % mit 20.4km/h, bevor er sich auf dem Oberrohr pedalierend in die Abfahrt stürzte. Zum Vergleich leistete Michael Valgren (Tinkoff) im Grupetto 275 Watt (3,79W/kg) und brauchte fast 9 Minuten länger bis zum Gipfel.

                 

ausgewählte Leistungsdaten vom Peyresourde (Quelle: Strava)
Ausgewählte Leistungsdaten vom Peyresourde (Quelle: Strava)

 

 

Etappe 9: Wieder ein Solist und erste Zeitunterschiede

ausgewählte Leistungsdaten der 9. Etappe (Quelle: Strava)
Ausgewählte Leistungsdaten der 9. Etappe (Quelle: Strava)

Auf der Pyrenäen-Königsetappe stand gleich nach dem Start der 13,7 km lange und 6% steile Col de Bonaigua an. Sofort wurden unzählbare Attacken gefahren bis sich eine große Gruppe bildete und bereits viele starke Fahrer zurückfielen. Thomas De Gendt (Lotto–Soudal) war wieder einmal Teil der Ausreißergruppe und wurde im hart umkämpften Bergsprint hinter Thibaut Pinot Zweiter. Den gesamten Bonaigua fuhr De Gendt mit starken 388W für 33 Minuten (5,62W/kg). Im Duell um die Bergpunkte gegen Pinot und Rafal Majka (Tinkoff) waren es gar 581W für knapp 1 Minute (am gesamten Anstieg ca. 350W oder 5,65W/kg). Mit atemberaubenden 24.7km/h erklomm die Spitzengruppe den Anstieg.

ausgewählte Leistungsdaten vom Anstieg zum Bonaigua (Quelle: Strava)
Ausgewählte Leistungsdaten vom 1. Anstieg der 9. Etappe (Bonaigua) (Quelle: Strava)

Nachdem das Sky-Team bereits am vorletzten Anstieg zum Col de Beixalis ein flottes Tempo vorgelegt hatte und das Hauptfeld stark dezimiert war, folgte die heißerwartete Bergankunft in Andorra Arcalis (10.1KM 6.5%). Tom Dumoulin (Giant–Alpecin) war den anderen Ausreißern davon gefahren und ließ sich auf dem Weg zum Etappensieg nicht mehr einholen. Er benötigte 30:20 Minuten für den Schlussanstieg, was einer geschätzten Leistung von 5,21W/kg (365W) entspricht.

Einige Minuten später stürmten die Favoriten den Berg hinauf und endlich bekamen die Zuschauer richtige Attacken zu sehen. Vor allem Froome’s Teamkollege Sergio Henao und Dan Martin (Etixx-QuickStep) fuhren offensiv. Nairo Quintana (Movistar) konnte jeden Angriff parieren und blieb bis zum Ziel an Chris Froomes Hinterrad. Zeitgleich mit der großen Tour-Überraschung Adam Yates (Orica-BikeExchange). Quintana benötigte für den Anstieg ca. 27:30 Minuten bei einer geschätzten Leistung von ca. 335W (~5,78W/kg). 

                 

ausgewählte Leistungsdaten vom Anstieg nach Arcalis (Quelle: Strava)
Ausgewählte Leistungsdaten vom Anstieg nach Arcalis (Quelle: Strava)

 

Ausblick – die Stars haben noch Reserven

Betrachtet man die bisher gezeigten Leistungen der Spitzenfahrer, so kann man vermuten, dass dies noch nicht das absolute Limit ihres Leistungsvermögens ist. Werte jenseits der berüchtigten 6W/kg sind bisher ausgeblieben. Doch man kann wohl nicht davon ausgehen, dass das Leistungsniveau allgemein niedriger ist als in vergangenen Austragungen. Schaut man sich die Streckenführung der Tour 2016 an, fällt auf, dass die letzte Woche extrem hart ist und sich vielleicht noch keiner der Favoriten voll verausgaben möchte. Dass könnte auch die bisherige Zurückhaltung der Stars erklären – vor allem von Topfavorit Nairo Quintana.