Um das eigene Radtraining zu optimieren, lohnt sich auch für Jedermänner ein Blick auf die Methoden der Profis. Wie und wie viel trainieren sie und was genau ermöglicht die teils atemberaubenden Leistungen? Ist es auch neben dem Vollzeitberuf möglich einem professionell strukturierten Trainingsprogramm zu folgen?

Natürlich haben Profiathleten die Möglichkeit, ihren Lebensstil völlig auf den Sport auszurichten. Deshalb können sie riesige Umfänge absolvieren und auch den Rest des Tages der Maximierung der Leistung verschreiben. Für die meisten Jedermänner ist es illusorisch, ihren Trainingsalltag nach diesem Vorbild einzuteilen.

Auch wenn in der Zeit von Herzfrequenz- und Leistungsmessung leicht der Eindruck entsteht, dass sich das Training von Hobby- und Profiathlet nicht mehr groß unterscheidet, klafft meist dennoch eine große Lücke. Die Profis sind nicht nur deshalb stärker, weil sie größeres Potenzial besitzen oder „einfach mehr Kilometer abspulen“, sondern auch, weil sie effizienter und strukturierter trainieren.

Zwar hat sich auch bei den Hobbysportlern eine Kombination aus harten Intervalltrainings und moderateren Einheiten etabliert, doch meist stellt sich langfristig keine deutliche Leistungsverbesserung ein. Wirklich effektive Trainingssteuerung geht weit über regelmäßiges Intervalltraining hinaus. Schaut man sich das Profi-Training genauer an, so gibt es durchaus einige Elemente, die sich auch Hobbyfahrer abschauen können. Wie stark man seine Leistung durch gezieltes Training verbessern kann, hängt natürlich von den individuellen Voraussetzungen ab.

 

Struktur und Balance

Für mäßig trainierte Hobbysportler reicht es meist noch aus, erst einmal häufiger und länger auf dem Rad zu sitzen, um die Fitness anzukurbeln. So liefert Einsteigern auch eine 1-stündige, relativ lockere Ausfahrt noch einen ausreichenden Trainingsreiz. In den ersten Monaten regelmäßigen Trainings können dann durch einfache Veränderungen der Dauer oder Intensität weitere Leistungsgewinne erzielt werden.

Ist ein bestimmtes Niveau erreicht, sind jedoch spezifischere Reize von Nöten, um weiterhin Leistungsfortschritte zu erzielen. Ab diesem Punkt sollte Struktur in das Training gebracht werden. Um fortlaufend die Leistung zu verbessern, sollten für Häufigkeit, Intensität und Trainingsdauer ständig Anpassungen vorgenommen werden. Ziel ist die ideale Balance aus harten Einheiten und langen Ausdauerfahrten: Dadurch wird das Training den veränderten Anforderungen eines stärkeren kardiovaskulären Systems gerecht – sprich, der Blutkreislauf passt sich an.

Eine solche individuelle Trainingsstruktur ist das Ziel:

Eine funktionale und für jeden Fahrer völlig individuelle Trainingsstruktur

Individuelle & funktionale Trainingsstruktur

 

 

Warum eine individualisierte Struktur?

Nur mit dem richtigen Verhältnis aus längeren stetigen Ausfahrten (Säule 1), und (intensiven) Intervallen (Säule 3), sind langfristig auch dort noch Leistungsgewinne möglich, wo vorher schon das Maximum vermutet wurde. Unabdingbar, aber von ehrgeizigen Hobbysportler leider zu oft vernachlässigt sind angemessene Trainingspausen. Sie helfen dem Körper sich auf weitere harte Einheiten vorbereiten und dienen gleichzeitig als Anpassungsphasen.

Trainingsvolumen, Intensität und benötigte Pausen sind für jeden Sportler völlig verschieden. Die einzigartigen Bedingungen und das genetische Rüstzeug einer Person bestimmen, wie er auf Trainingsreize reagiert. Die Spezifizität dieser Variablen bildet die Basis des Trainings. Wenn wir „wie ein Profi“ trainieren wollen, müssen wir wissen wie der Körper reagiert und das Training darauf abstimmen.

Das gilt umso mehr für Jedermänner, die gleichzeitig Familie, Vollzeitberuf und Sport meistern müssen und nicht 25-30 Stunden pro Woche auf dem Rad sitzen können. Die „professionelle Mentalität“ der Trainingsplanung äußert sich in dem Versuch, den Nutzen jeder Einheit zu maximieren!

 

FAKTOREN EINER PROFESSIONELLEN TRAININGSSTEUERUNG

Faktoren der Trainingssteuerung

 

Eine funktionale Trainingsstrategie wird neben der Personalisierung von zahlreichen Faktoren beeinflusst (siehe Grafik). Sie haben seit Jahren Einzug im Profibereich gehalten und durch den technischen Fortschritt in der jüngsten Vergangenheit immer mehr an Bedeutung gewonnen.

Doch ein Hobbysportler überträgt am Abend nicht die Trainingsdaten zu seinem Coach, der diese für ihn analysiert und den Trainingsplan dann entsprechend anpasst. Für Teilzeitsportler ist es wichtig, dass die Trainingsplanung nicht zu komplex wird. Dank moderner Leistungsmessung kann man seinen Training jedoch viel leichter optimieren.

 

Leistung unter Kontrolle – die Voraussetzung

Will man sein Training individualisieren und auf der Basis regelmäßiger Analysen des Fortschritts anzupassen, benötigt man eine vernünftige Methode der Leistungsmessung (ideal: Leistung in Watt). Nur durch die Quantifizierung erhalten wir Klarheit über den Trainingsstress, dem der Körper von Tag zu Tag ausgesetzt wird. Darüber hinaus erlaubt das Wissen darüber, wie viel Watt wirklich erbracht werden, immer genau das Energiesystem anzusprechen, das mit einer Trainingseinheit stimuliert werden soll. So kann man aus der begrenzten Trainingszeit das Optimum rausholen.

Entscheidend ist, dass man die Möglichkeit hat, genau so zu trainieren, wie es der Trainingsplan vorsieht.
Die Leistungskurve eines Profis auf einer langen Ausdauerfahrt mit Grundlagentempo ist deshalb meist eine gerade Linie. Ausreißer in andere Intensitätsbereiche werden vollständig vermieden (siehe folgende Graphik  Leistungskurve eines LottoNL-Profis während einer mehr als 6-stündigen Einheit bei 5060% der Schwellenleistung).

Beispiel für eine gut kontrollierte Trainingsfahrt (LottoNL-Profi)

 

Stetiges Training maximiert die Adaptionen, doch solche kontinuierlichen Leistungsoutputs während langer Trainings sowie Intervallen sind nur mit einem Powermeter realisierbar. Ohne die Zuhilfenahme der Technik bleibt nur „blind“ nach Gefühl fahren.

 

Praxis: Das Training der Profis – die 3+2-Struktur

Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die Struktur eines Trainingsplan optimal aussehen kann, lohnt sich die Analyse dessen, was die besten Radsportler der Welt in ihrem Trainingsalltag machen. Vor allem für die zentralen Aufbauphasen, mit Schwerpunkt auf Leistungsverbesserungen ist ein klares Muster erkennbar. Trainiert wird in 2+2 oder 3+2 Tages-Blöcken, die je nach Trainingsziel abgewandelt werden (siehe folgende Grafik). Diese Struktur findet sich über verschiedene Teams und Nationalitäten hinweg fast überall wieder. Als Beispiel hier zwei Trainingswochen des LottoNL–Jumbo-Teams während eines Tour Vorbereitungslagers.

Trainingsplan Tour-Vorbereitung
Trainingsplan Tour-Vorbereitung

 

Auffällig: Die Profis fahren so gut wie nie mehr als drei essentielle Einheiten in Folge

Die sogenannten „Junk-Miles“ zwischen Grundlagen- und hochintensivem Trainingsbereich werden fast vollständig ausgelassen. Innerhalb eines Blocks hat jede einzelne Trainingseinheit ein vordefiniertes Ziel. Die „3+2 Struktur“ erlaubt eine Abfolge von hochvolumigen bzw. hochintensiven Trainings, ohne allzu schnell in eine Phase der Überbeanspruchung abzurutschen. Die relativ häufigen Pausen bieten dem Körper genug Erholung. Dabei ist natürlich zu bedenken, dass Profisportler deutlich mehr Zeit für lange Ausdauereinheiten haben, als der „normale“ Hobbyfahrer.

Die Erkenntnisse aus der Praxis werden dadurch aber nicht weniger relevant. Vielmehr rücken die spezifischen Reize durch Intensitäten noch stärker in den Vordergrund. Das Verhältnis aus QUALITÄT und QUANTITÄT verschiebt sich zu Gunsten der Qualität. Auf ein einfaches Rezept herunter gebrochen: Volumen reduzieren, intensive Einheiten beibehalten, oder sogar vermehren. Die vergleichsweise hohe Frequenz der Ruhetage bleibt bestehen, denn wiederholte intensive Reize setzen den Körper auch einem hohem Maß an Trainingsstress aus.

 

Eine simple Struktur, die auch Hobbyfahrer sinnvoll nutzen können

Einer der großen Vorteile dieses Fundaments ist seine Einfachheit. Außerdem lässt sie sich mit fast jedem Alltag und den individuellen Trainingsmöglichkeiten vereinbaren. Entscheidend ist es dann, dass das Grundgerüst INDIVIDUELL mit spezifischen Einheiten für die Anforderungen und Ziele eines Sportlers gefüllt wird. Ein auf Kriterien ausgerichteter Fahrer wird die 3+2 Blöcke natürlich anders gestalten, als ein Langstreckenspezialist, der sich auf den Ötztaler Radmarathon vorbereitet.

Beispiele für Trainingsblöcke mit unterschiedlicher Ausrichtung

 

Die Kunst besteht darin, volumen- oder intensitätsbasierte Pläne zu entwerfen, die einerseits die richtigen Reize setzen und andererseits die optimale Menge an Trainingsstress produzieren. Ziel ist es, ein großes Maß an Trainingsadaptionen zu stimulieren, ohne dabei ins Übertraining abzurutschen. Zwar kann man sich im Netz schnell verschiedene Workouts suchen, doch die unzähligen Google-Treffer helfen leider nicht dabei, den Trainingsplan individuell anzupassen. Wer den Weg zu einem professionellen Coach scheut, muss selbst viel Zeit und Energie investieren, um seine Leistung nachhaltig steigern.

 

Das folgt in Teil II

Im nächsten Artikel zeigen wir, welche Trainingsmethoden es gibt und welche Möglichkeiten es gibt, den Trainingsplan zu individualisieren.