Durch den Zeitfahrsieg von Chris Froome am drittletzten Tag der 71. Vuelta ist der Kampf um den Gesamtsieg noch einmal spannend geworden. Mit nur 1:21 Minuten Vorsprung auf Chris Froome geht Nairo Quintana in die vorletzte und entscheidende Etappe. Bevor am Sonntag in Madrid die Rundfahrt mit einem Schaulaufen und dem Sprint um den Etappensieg zu Ende geht, muss am Samstag die Entscheidung um den Sieg fallen.

Und wie von den Organisatoren und Streckenplanern kalkuliert und gewünscht ist erst im Ziel dieser 20. Etappe klar, wer sich in Madrid als Vuelta-Sieger feiern lassen kann. Nairo Quintana hat eine gute Ausgangsposition, doch die Etappe ist extrem schwer und das Rennen auf den schmalen Straßen kaum zu kontrollieren.

Dass Quintana das Rote Trikot auf seinen Schultern trägt, hat er auch der kühnen Fahrweise von Alberto Contador zu verdanken, der mit seiner Attacke auf der 15. Etappe Chris Froome ins Hintertreffen brachte. Vielleicht spielt Contador auch am Samstag eine entscheidende Rolle, denn die Etappe bietet erneut eine gute Gelegenheit für überraschende Attacken.

 

Der Stand der Gesamtwertung nach der 19. Etappe der Vuelta 2016
Der Stand der Gesamtwertung nach der 19. Etappe der Vuelta 2016

 

Die Strecke

Mit fast 4200 Höhenmetern und einer Länge von 193,2 Kilometern ist es eine sehr schwere Etappe. Der Schlussaufstieg zum Alto de Aitana gehört zur Kategorie Especial und wird endgültig über den Vueltasieg entscheiden.

Nach dem Start an der Küste in Benidorm führt die Strecke gen Norden. Nur die ersten 18 Kilometer sind flach, dann geht es zum ersten von insgesamt vier Bergen der 2. Kategorie. Der Aufstieg zum Coll de Rates ist 13 Kilometer lang. Die durchschnittliche Steigung von 3% täuscht etwas, denn es gibt auch flache Passagen. Nach der Abfahrt folgen die letzten 10 flachen Kilometer der Etappe.

Ab Rennkilometer 54 geht es nur noch auf und ab. Zunächst muss der 8 Kilometer lange Alto de Vall de Ebo (5,4%) erklommen werden. Nach einer sehr kurzen Abfahrt geht es erneut bergauf. Die kategorisierte Steigung des Alto de Tollos ist mit 4,1 Kilometer und 5,9% Steigung angegeben, doch es geht deutlich länger bergauf.

Nach einer langgezogenen Abfahrt und weiteren Wellen beginnt 48,9 Kilometer vor dem Ziel das Finale der Etappe. Zunächst geht es 7,1 Kilometer (5,3%) zum Pto. de Tudons hinauf. Nach einer fast 25 Kilometer langen Abfahrt beginnt der Schlussanstieg zum Alto de Aitana.

 

Profil des Alto de Aitana – der Schlussanstieg der 20. Etappe der Vuelta 2016
Profil des Alto de Aitana – der Schlussanstieg der 20. Etappe der Vuelta 2016

Der Schlussanstieg ist 21 Kilometer lang und im Schnitt 5,9 % steil. Es ist kein Hammerberg, doch nach drei harten Vuelta-Wochen könnte es an diesem Anstieg durchaus zu einem historischen Finale kommen. Entscheidend für den Ausgang wird sein, wie die Kilometer zu diesem Anstieg gefahren werden und ob vielleicht schon einige der Fahrer angeschlagen die Kletterei in Angriff nehmen.

Die letzten Kilometer der 20. Etappe der Vuelta 2016
Die letzten Kilometer der 20. Etappe der Vuelta 2016

 

Die Favoriten

Es ist der letzte große Kampf und es wird sicher einen Schlagabtausch der Favoriten geben. Toursieger Chris Froome wird nicht auf „Absichern“ fahren. Er stand bereits auf dem Podium der Vuelta und hat drei Mal die Tour gewonnen – für ihn zählt nur der Sieg.

Ähnliches gilt für Alberto Contador. Dem Madrilenen kann man sicher einiges vorwerfen, aber dass er defensiv „auf Abwarten“ fährt, ganz sicher nicht. Alberto Contador hat in den letzten 10 Jahren für die spannendsten Etappen bei großen Rundfahrten gesorgt. Legendär ist seine Attacke auf dem Weg zum Fuente Dé bei der Vuelta 2012, die ihm den Rundfahrtsieg brachte. Auch bei Tour und Giro zeigte Contador mehrfach ein offensives Rennen. Er scheut kein Risiko, gibt nie auf und fährt voll auf Sieg. So auch bei der 15. Etappe dieser Spanienrundfahrt, die in die Geschichtsbücher eingehen wird. Und man darf auch am Samstag mit einem Angriff von Contador rechnen, denn einfach den 3. Platz absichern ist nicht sein Stil. Fühlt er sich gut und sieht er eine Chance auf den Sieg, greift er an. Doch mit Froome und Quintana hat er gleich zwei starke Gegner. Vielleicht ist seine größte Chance auf den Sieg, erstmal abzuwarten, was Froome & Quintana machen.

Will Chris Froome das Rote Trikot erobern, muss er für ein hartes Rennen sorgen und den kletterstarken Quintana in Bedrängnis bringen. Allein am Schlussanstieg wird er dem Kolumbianer keine 70 Sekunden abnehmen können. Möglich also, dass das Sky-Team für ein schnelles Rennen sorgt. Das würde die Chancen für eine erfolgreiche Ausreißergruppe im Keim ersticken. Zudem gibt es im Ziel 10 Sekunden Zeitbonifikation, die ebenfalls wichtig sein könnten.

Dennoch wird es sicher eine Ausreißergruppe geben, denn auch der Kampf ums Bergtrikot ist noch nicht entschieden. Omar Fraile hat nur drei Punkte Rückstand auf Kenny Elissonde und wird alles versuchen um ihm das Trikot noch zu entreißen um erneut als bester Bergfahrer nach Madrid zu rollen. Luis Leon Sanchez, Egor Silin, Ben Hermans und Robert Gesink sind für eine starke Ausreißergruppe auf schwerem Terrain immer heiße Kandidaten. Doch dass eine Gruppe durchkommt, ist eher unwahrscheinlich.

Froome hat nach dem starken Zeitfahren neuen Mut geschöpft und wird alles geben um doch noch zu gewinnen. Quintanas Vorsprung ist eigentlich groß genug, doch man weiß nicht, was passieren kann – schon gar nicht, wenn Alberto Contador im Rennen ist. Die Zuschauer hätten es sich kaum besser wünschen können.

 

***** Chris Froome
**** Nairo Quintana, Alberto Contador
*** Esteban Chaves, Robert Gesink, Simon Yates
** Egor Silin, Ben Hermans, Leopold König, Michele Scarponi
* Kenny Elissonde, Louis Meintjes, Pierre Latour

 

Start: 12:18 Uhr
Ziel: ca. 17:30 Uhr

Die Karte der 20. Etappe der Vuelta 2016
Die Strecke der 20. Etappe der Vuelta 2016