Die russische Hacker-Gruppe „Fancy Bears“ hat die medizinischen Ausnahmegenehmigungen verschiedener Sportler veröffentlicht. Nun wird heftig darüber diskutiert. Neben Tennisspielern und Leichtathleten hatten auch einige Radsportler eine so genannte TUE (Therapeutic Use Exemption) für den Gebrauch von eigentlich verbotenen Substanzen. Toursieger Bradley Wiggins bekam gleich vor mehreren Rundfahrten die Erlaubnis, das starke Kortikoid Triamcinolone einzunehmen. Dass der Brite vor der Tour sogar eine Injektion des Mittels bekam, das so eine langfristige Wirkung hat, warf Fragen auf und wurde von Tom Dumoulin heftig kritisiert.

Schließlich äußerten sich auch einige Ex-Doper wie David Millar und Jörg Jaksche. David Millar hatte das Präparat „Kenacort“ mit dem gleichen Wirkstoff eingenommen, damals allerdings zu Dopingzwecken. Medienwirksam erklärte Wiggins nun, dass er das Präparat zur Behandlung seines Asthmas eingenommen habe und keinesfalls zur Leistungssteigerung.

TUEs – ein komplexes Thema

Ausnahmegenehmigungen werden erteilt, wenn der Sportler mit einem Präparat eine Verletzung oder Erkrankung behandelt werden soll, obwohl dieses Medikament auf der Doping-Liste steht. Fabian Cancellara bekam beispielsweise eine Ausnahmegenehmigung, nachdem er allergisch auf einen Bienenstich reagiert hatte.

Doch einige dieser Mittel haben nicht nur eine heilende Wirkung – mit ihnen kann der Athlet auch seine Leistung steigern. Dabei geht es auch um die Regenerationsfähigkeit des Körpers. Mit TUE ist das dann legal. Will also jemand seine Leistung „legal“ steigern, kann er sich eine TUE besorgen. Dies wurde in der Vergangenheit auch praktiziert, obwohl die Ausnahmegenehmigungen von einem UCI-Arzt erteilt werden müssen. Im letzten dunklen Kapitel des Radsports haben sich Teams vor einer GrandTour für alle Fahrer pauschal eine TUE für Kortison geben lassen. Das ist sicher nicht im Sinne der Idee.

Allergiker hätten kaum eine Chance als Profi

Die Forderung, TUEs einfach zu verbieten wurde laut. Doch so einfach ist es nicht, wie folgendes Beispiel zeigen soll. Häufig entwickeln sich Allergien im Laufe eines Lebens. Meist dauert es bis ins Erwachsenenalter, ehe sich eine Allergie zum Asthma „auswächst“. Es ist also gut möglich, dass die asthmatischen Beschwerden erst einsetzen, wenn ein Sportler schon auf dem Weg zum Profi ist, oder diesen Beruf bereits ausübt. Das gilt auch für Belastungsasthma.

Würden wir beispielsweise annehmen, ein Fahrer reagiert allergisch auf Birkenpollen. In diesem Fall könnte er ohne Behandlung bei den Rennen von April bis Anfang Mai nicht annähernd seine volle Leistung bringen. Ein Klassikerfahrer, der die Frühjahrsrennen nicht bestreitet, wird aber auch kaum einen Vertrag erhalten.

So ist es am Ende auch eine normative Frage, ob man Fahrern mit gesundheitlichen Einschränkungen, die außerhalb des Erlaubten behandlungsbedürftig sind, die Chance geben will, Radprofi zu sein. Erlaubt man jedoch die Behandlung, so bleibt die Frage, ob der Fahrer nur die normale Leistung wieder herstellt oder gar einen Vorteil aus der Behandlung zieht. Spätestens hier wird es schwierig, wie auch das Beispiel Bradley Wiggins zeigt, der nach Ansicht von Tom Dumoulin nicht nur die Standardbehandlung bekam.

Missbrauch wird es immer geben

Wir können sicher davon ausgehen, dass Profisportler die Grenze des Erlaubten ausloten und einige auch darüber hinaus gehen werden. Bei den TUEs ist es sehr schwer, Grenzübertritte auszuschließen. Funktionieren würde das Ganze im eigentlichen Sinn nur, wenn man sicherstellen könnte, dass die TUEs medizinisch wirklich nötig sind und dadurch die Leistung nicht gesteigert wird. So stellt sich die Frage, wie man die Beurteilung der Notwendigkeit einer Behandlung und die anschließenden Medikation im Sinne Sports regeln kann. Wären klare Medikamentenregelungen für bestimmte Probleme sinnvoll und durchführbar? Soll der Weltradsportverband für die TUEs verantwortlich sein, oder die WADA? Doch wie sicher kann das sein, denn auch bei der UCI gab es Ärzte, die den Doping-Missbrauch unterstützten. Das Thema war bereits vor 10 Jahren auf der Agenda und ist es nun wieder. Für den Sport kann die Diskussion eigentlich nur gut sein.

Eine wichtige Debatte und weitere Dimension des Themas – TUEs öffentlich?

Die nun ausgelöste Debatte hat die Grundlage in einer Straftat. Die Hacker haben sich illegal Informationen verschafft und diese veröffentlicht. Es geht dabei auch um die Themen ärztliche Schweigepflicht und Privatsphäre. Nun stellt sich die Frage, ob man TUEs der Sportler öffentlich machen sollte. Das dürfte juristisch kaum möglich sein und es stellt sich auch die Frage, ob das wirklich hilfreich wäre. Das Sky-Team hat die Diskussion in diese Richtung angeschoben. Vielleicht könnte es auch reichen, nur die Anzahl der TUEs der Teams zu veröffentlichen, ohne den Inhalt oder die Behandlung.

Damit könnten die Teams der Öffentlichkeit und den Sponsoren zeigen, wie selten sie davon Gebrauch machen. Doch dies würde vielleicht auch dazu führen, dass Teams keine Fahrer mehr anstellen, die TUEs benötigen. Es bleibt ein komplexes Thema, das weiter diskutiert werden wird.

Dieser offene Umgang mit dem Thema ist für den Radsport ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.