Noch im Spätherbst beginnt für die Radprofis die Vorbereitung auf die neue Saison. Beim ersten Teamtreffen werden die neuen Teamkollegen begrüßt, das neue Material angepasst und die ersten Gespräche über die Rennplanung geführt. Noch vor Weihnachten werden die Profis die Hauptziele für die neue Saison festlegen. Die Rundfahrer müssen sich dabei zwischen Giro und Tour als Hauptziel entscheiden.

Zwar hat es Marco Pantani vor 18 Jahren geschafft, Italienrundfahrt und Tour de France nacheinander zu gewinnen, doch wir alle wissen, mit welcher Zauberkraft der „Pirat“ damals die Gipfel erstürmte. Zudem profitierte Pantani von einer größeren Pause zwischen den beiden Rundfahrten. Seit 1998 ist jeder Versuch, beide Rundfahrten in einem Jahr zu gewinnen, gescheitert. Zuletzt hatte sich Alberto Contador 2015 am Double versucht, musste aber einsehen, dass es auch für ihn nicht möglich ist.

Mit der Spanienrundfahrt lassen sich hingegen sowohl Giro als auch Tour gut kombinieren. Doch die Vuelta a España hat einen deutlich niedrigeren Stellenwert als der Giro, und vor allem als die Tour. So müssen sich die Rundfahrspezialisten zwischen Italien und Frankreich entscheiden, die Vuelta ist dann ein möglicher Bonus.

Die Strecken der Tour und des Giro wurden bereits präsentiert und wir haben uns angeschaut, welchen Favoriten welche GrandTour mehr liegen dürften.

 

Chris Froome – Projekt „Toursieg Nr. 4“

Prost! Chris Froome feierte 2016 seinen 3. Tour-Sieg (Foto: Roth&Roth)
Prost! Chris Froome feierte 2016 seinen 3. Tour-Sieg (Foto: Roth&Roth)

Der Brite Christopher Froome hat im Juli seinen dritten Sieg bei der Tour de France eingefahren und wird sich wohl auch 2017 kompromisslos auf die Frankreichrundfahrt vorbereiten. Sein Sky-Team will auf der großen Bühne der Frankreichrundfahrt erneut auftrumpfen. Schaut man sich die Strecke der Tour 2017 an, ist diese wohl nicht ideal für Froome. Recht wenig Zeitfahrkilometer – 13 km zum Auftakt in Düsseldorf und 23 Kilometer am vorletzten Renntag – sind eher nicht nach dem Geschmack von Ausnahmezeitfahrer Chris Froome. Das erklärte er auch nach der Tour-Präsentation im Oktober: „Es gibt nur ein 23 Kilometer langes Zeitfahren am Ende der Tour und den Prolog, das sind sehr wenig Zeitfahrkilometer und das macht es schwieriger für mich.“

Dazu gibt es nur drei echte Bergankünfte und einige Etappen, die für ihn trotz extrem starkem Team kaum kontrollierbar scheinen. Es scheint fast so, als wäre es der Wunsch der Routenplaner gewesen, den „Kontroll-Plänen“ der Sky-Equipe einen Strich durch die Rechnung zu machen und so für mehr Spannung zu sorgen. „Mit nur drei Bergankünften wird das Rennen aggressiver“, vermutet Froome. „Die Fahrer werden nicht bis zum Schlussanstieg warten, um anzugreifen“.

Chris Froome ist beim Giro bereits zwei Mal in seiner Karriere gestartet, doch zuletzt im Jahr 2010. Es wäre durchaus interessant, den Briten beim extrem schweren Giro um den Sieg kämpfen zu sehen und der Kurs dürfte ihm nicht nur wegen der 67 Zeitfahrkilometer liegen. Doch er wird sich wohl erneut akribisch auf die Tour vorbereiten und in Frankreich (vielleicht) seinen vierten Sieg einfahren.

 

Nairo Quintana – endlich Toursieger, oder Tour-Pause?

Nairo Quintana bei der Tour in Lauerstellung (Foto: Roth&Roth)
Nairo Quintana bei der Tour in Lauerstellung (Foto: Roth&Roth)

Den Giro d’Italia hat Nairo Quintana bereits gewonnen. An die Vuelta hat der kolumbianische Kletterer im Spätsommer 2016 einen Haken gemacht. Was fehlt, ist der Toursieg. Doch Quintana überraschte im Oktober mit der Ankündigung, eventuell doch Giro und Tour fahren zu wollen. „Wenn man es nicht ausprobiert, weiß man es nie“, sagte der Kolumbianer. Double-Versuch? Teamchef Unzué relativierte und erklärte die Tour zu Quintanas Hauptziel. Entscheidend für ein mögliches Double sei, „wie hart der Giro ist„, sagte Unzué. Und schaut man sich den Kurs der 100. Italienrundfahrt an, wird es deutlich: Sehr hart! Unzué ließ wissen, dass er dennoch gern die großen Stars beim Giro sehen würde, denn durch die italienische Topografie würde es ein tolles Rennen und ein Gewinn für den Sport.

Dass Quintana mit dem Giro liebäugelt, ist nachvollziehbar, denn die Strecke der Frankreichrundfahrt 2017 dürfte dem 26-Jährigen nur bedingt gefallen. Wird die Straße steil, ist das Leichtgewicht in seinem Element. So dürfte ihm die Etappe zum La Planche des Belles Filles oder die Ankunft am Izoard durchaus liegen. Doch der Kolumbianer ist kein Typ der den frühen Angriff sucht. Für sein oft zu langes Abwarten wurde Quintana in der Vergangenheit häufiger kritisiert. Bei der Tour 2017 gibt es zudem einige Etappen, die mit einer Ankunft nach Abfahrten enden und so Fahrer wie Romain Bardet etwas mehr liegen.

Es ist kein Kurs der mir besonders liegt, aber es ist auch keiner der mir nicht liegt“, reagierte Quintana zurückhaltend und vermutet, dass die sechs mittelschweren Bergetappen dafür sorgen werden, dass mehr Fahrer um den Gesamtsieg kämpfen wollen. Dass es in Frankreich nur wenige Zeitfahrkilometer gibt, erfreut den Kolumbianer hingegen.

Betrachtet man nur die Strecken der Rundfahrten, wäre der Giro trotz der vielen Zeitfahrkilometer für den Kletterer Quintana vielleicht die bessere Wahl. Doch der erste Toursieger Kolumbiens zu sein, bleibt das große Ziel. Quintana feiert im Februar seinen 27. Geburtstag – vielleicht fährt er 2017 beim Giro auf Sieg und schaut wie es dann bei der Tour läuft. Denn ihm bleiben noch ein paar Versuche in Frankreich, in ein paar Jahren auch ohne Widersacher Chris Froome, der im Mai 2017 bereits 32 Jahre alt wird.

 

Romain Bardet – die perfekte Tourstrecke

Romain Bardet – explosiv, angriffslustig & sehr gut bergab – die Tour 2017 passt perfekt (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)
Romain Bardet – explosiv, angriffslustig & sehr gut bergab – die Tour 2017 passt perfekt (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Die Präsentation der Tour de France dürfte Romain Bardet nicht nur ein kleines Lächeln beschert haben. Der Kurs ist wie für ihn gemacht. „36 Kilometer gegen die Uhr sind eine Menge“, sagte Bardet zwar, aber er weiß natürlich, dass es vergleichsweise wenige sind. Im Jahr 2012 waren es beispielsweise 95 Kilometer!

Doch es sind nicht nur die wenigen Zeitfahrkilometer, die Bardet gefallen. „Es gibt nie wirklich Ruhe. Dies wird die Fahrer ermutigen, Initiative zu ergreifen“, sagte Bardet nach der Tour-Präsentation. „Die Strecke scheint weniger bergig, als in den letzten Jahren, was für die reinen Kletterer kein Vorteil ist. Trotzdem sind einige Aufstiege sehr steil. Aber die Niveaus sind sehr ähnlich und die Unterschiede können klein sein“, so Bardet. Strecken, die eine aggressive Fahrweise unterstützen und Etappenankünfte nach Abfahrtengenau das ist nach dem Geschmack des 26-jährigen Franzosen. Dazu führt die Strecke auch noch am Firmensitz des Sponsors vorbei und stattet seinem Heimatort einen Besuch ab mehr geht nicht!

Nicht nur für die Franzosen würde ein Traum in Erfüllung gehen, wenn Bardet im Sommer Chris Froome in Bedrängnis bringen könnte. Nach der wenig spannenden Tour 2016 wünscht man sich geradezu, dass Fahrertypen wie Bardet dem Sky-Team die Kontrolle entziehen können. Vielleicht spielten solche Überlegungen auch bei den Tourplanern eine Rolle.

Dass Romain Bardet nun ankündigte, unbedingt den Giro fahren zu wollen, überrascht schon. Von der Idee ist sein sportlicher Leiter Julien Jurdie ebenfalls nicht angetan. „Es ist nicht das richtige Jahr für den Giro“, sagte Jurdie, weil ihm die Tour-Strecke so sehr liegt.

Es ist eine Tour für Bardet – er sollte sich voll darauf konzentrieren.

 

Fabio Aru – Der Giro das große Ziel, doch die Tour liegt ihm mehr?

Fabio Aru – Der Giro vor der Haustür – sein großes Ziel 2017(Roth&Roth Roth-Foto.de)
Fabio Aru – Der Giro vor der Haustür – sein großes Ziel 2017(Roth&Roth Roth-Foto.de)

Dass Fabio Aru im Jahr 2017 den Giro d’Italia als großes Ziel ausgibt, ist wenig überraschend. Es ist die 100. Austragung der Rundfahrt und das ist für den Italiener natürlich von besonderer Bedeutung. Dazu startet der Giro in seiner Heimat auf Sardinien. Der Kurs dürfte dem kletterstarken Aru durchaus gefallen, auch wenn die beiden Zeitfahren eher nicht nach seinem Geschmack sein dürften. Doch der Giro 2017 wird sicher nicht im Kampf gegen die Uhr entschieden, denn es gibt ausreichend Gelegenheit für die Kletterer.

Schaut man sich die Fähigkeiten des Italieners an und blickt auf die Strecke der Frankeich-Rundfahrt 2017, so könnte Aru fast bedauern, dass der Tour-Parcours ausgerechnet im Jahr des Traditions-Giro so sehr auf ihn zugeschnitten ist. Aru ist ein ähnlicher Fahrertyp wie Romain Bardet – kletterstark, angriffslustig, aber mit Schwächen im Zeitfahren.

Fabio Aru ist erst 26 Jahre alt und kann die Tour noch einige Male in Angriff nehmen. Dass er sich den 100. Giro nicht entgehen lassen will, ist absolut nachvollziehbar.

 

Vincenzo Nibali – Double?

Vincenzo Nibali – Am liebsten immer in Rosa (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)
Vincenzo Nibali – Am liebsten immer in Rosa (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Was für Fabio Aru gilt, gilt auch für Vincezo Nibali. Der 100. Giro ist auch für ihn eine Ehrensache. Als Titelverteidiger soll der Kapitän des neuen Bahrain-Merida-Teams beim Giro für den großen Erfolg sorgen.
Nibali gehört zum erlauchten Kreis der Fahrer, die alle drei GrandTours bereits gewonnen haben. Landet Nibali beim Giro auf dem Podium, kann er auch bei der Tour locker an den Start rollen. Die Strecke der Tour liegt dem „Hai von Messina“ sehr. Er ist ein Fahrer der seine Chance sucht – auf jedem Terrain, zur Not mit der Brechstange. Die Strecke der Tour mit den kurzen Etappen und den schweren Etappen mit Klassiker-Charakter laden Fahrer wie ihn förmlich zur Attacke ein. Chris Froome wird vielleicht sogar erleichtert sein, dass in diesem Jahr der Giro Jubiläum feiert und Nibali und Aru so ihren Schwerpunkt nicht auf die Tour legen.

Doch Nibali hat nichts zu verlieren und man muss den Giro abwarten, ob der Italiener nicht auch bei der Tour voll auf Angriff fährt.

 

Esteban Chaves – eine ideale Tour, aber …

Esteban Chaves hat nicht nur in der Lombardei gezeigt, was er kann (Foto: Roth&Roth)
Esteban Chaves hat nicht nur in der Lombardei gezeigt, was er kann (Foto: Roth&Roth)

Der kleine Kolumbianer stand 2016 kurz davor, den Giro zu gewinnen, verlor dann aber am letzten Anstieg das Rosa Trikot an den entfesselt fahrenden Vincenzo Nibali. Vergleicht man die Strecke des Giro und der Tour 2017, läge es nahe, wenn der sympathische Kolumbianer die Tour de France als großes Ziel angehen würde. Chaves ist extrem kletterstark und angriffslustig, verfügt über Endschnelligkeit und ist auch bergab nicht leicht abzuhängen. Er ist ein „Klassiker-Typ“ unter den Rundfahrern und verfügt über das Näschen für den Moment der richtigen Attacke. Nur das Zeitfahren ist so gar nicht nach seinem Geschmack. Da kommt ihm der Parcours der Tour 2017 gerade recht.

Ähnlich wie Romain Bardet, könnte Esteban Chaves bei der Frankreichrundfahrt für ordentlich Wirbel und ein spannendes Rennen sorgen. KÖNNTE, muss man leider sagen, denn der Kolumbianer wird sich 2017 auf den Giro konzentrieren. „Ich habe noch einige Jahre um die Tour zu fahren und werde irgendwann mein Glück versuchen“, sagte Chaves. „Aber ich habe eine besondere Beziehung zu Italien, mag den italienischen Radsport und habe einige Freunde dort“, so Chaves. Er wird also frühestens 2018 bei der Tour für Wirbel sorgen. Schade, wenn man bedenkt, dass ihm der Kurs 2017 wohl sehr liegen könnte.

 

Alberto Contador – die Tour ist die Tour

Alberto Contador – den Zenit überschritten? (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)
Alberto Contador – den Zenit überschritten? (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Es ist keine Überraschung, dass Alberto Contador die Tour als großes Ziel für 2017 ausgibt. Zu gern würde sich der Madrilene mit einem weiteren Tour-Sieg im Palmares in absehbarer Zukunft zur Ruhe setzen. Der Parcours liegt dem angriffslustigen Spanier. Abwarten ist nichts für Contador, er nutzt jede Chance. Der Parcours der Tour mit weniger Bergankünften aber mittelschweren und sehr kurzen Etappen macht es dem Sky-Team schwerer, das Rennen zu kontrollieren und bietet Fahrern wie Contador gute Chancen für Attacken. Doch man muss abwarten, ob Contador seinen Zenit nicht bereits überschritten hat. Im Jahr 2016 sah es ganz danach aus, auch wenn er für sehr spannende Etappen gesorgt hat.

 

Richie Porte – die Tour ist das Ziel

Richie Porte – Endlich aufs Treppchen (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)
Richie Porte – Endlich aufs Treppchen (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Seit Richie Porte beim Giro 2010 die Nachwuchswertung gewann, wartet man auf den ersten GrandTour-Sieg des Australiers. Beim Sky-Team war Porte Helfer von Bradley Wiggins und Chris Froome, durfte aber beim Giro 2015 auf eigene Rechnung fahren. Doch wie so oft, hatte Porte in den entscheidenden Momenten einfach kein Glück. So auch beim Giro 2015, als er als Top-Favorit ins Rennen ging, dann Defekt-Pech hatte und schließlich nach einem Sturz aufgeben musste.

Mit dem Wechsel zum Team BMC zur Saison 2016 nahm Porte nun einen neuen Anlauf. Erneut hatte er Pech und büßte bereits auf der zweiten Etappe nach Defekt 1:45 min auf die Konkurrenz ein. Ohne dieses Missgeschick hätte Porte in Paris auf dem Treppchen neben Froome gestanden. In den Alpen schien Porte der Einzige zu sein, der Froome Paroli bieten konnte. Doch sein Rückstand war bereits zu groß, um für Spannung zu sorgen.

Nun nimmt Porte 2017 einen neuen Anlauf. BMC Performance Manager Allan Peiper ist sich sicher, dass Porte die Tour gewinnen kann: „Wir als Team wissen es, und glauben daran, dass er die Tour gewinnen kann. Wer Zweiter werden kann, der kann auch gewinnen“. Man will ein Team um Porte aufbauen und von der Idee einer Doppelspitze mit Tejay van Garderen abrücken.

Richie Porte ist ein ausgeglichener Fahrer ohne große Schwächen. Als Zuschauer wünscht man sich, dass er früher in die Offensive geht und mehr Risiken eingeht. Die Tour wird auch im Kopf entschieden, ist Porte mental stark und stabil, kann er Froome in Bedrängnis bringen.

 

Thibaut Pinot – Giro statt Tour

Thibaut Pinot – Im Giro aus dem Schatten? (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)
Thibaut Pinot – Beim Giro aus dem Schatten? (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

„Ich will diesen Giro wirklich fahren“, sagte Thibaut Pinot im Oktober. „Es ist ein sehr attraktiver Parcours mit sechs echten Bergankünften und zwei Zeitfahren“. Pinot ist den Giro bislang noch nie gefahren, doch die Strecke der 100. Austragung dürfte dem kletterstarken Franzosen sehr gefallen. Dazu kommt, dass es bei der Tour zuletzt für Pinot nicht so richtig rund lief. Nach seinem dritten Platz 2014 lastete enormer Druck auf dem heute 26-Jährigen. Ganz Frankreich wünschte sich einen heimischen Toursieger. Doch Pinot konnte diese Erwartungen nicht erfüllen, auch wenn er mit dem Sieg in Alpe d’Huez einen großen Erfolg feierte.

Beim Giro ohne Druck zurück zu alter Klassement-Stärke – das könnte durchaus ein guter Plan sein. Doch es bleibt abzuwarten, ob sein FDJ-Teamchef Marc Madiot andere Pläne hat. Schließlich ist die Tour de France für ein französisches Team besonders wichtig. Doch schaut man sich die Strecke der Tour an, würde man ihm raten, in diesem Jahr zum Giro fahren. Pinot ist kein besonders guter Abfahrer. Er scheint auch nicht mit dem Gefühl für die richtige Attacke ausgestattet zu sein. Er ist hingegen stark am Berg und hat sich im Zeitfahren sehr verbessert. Alles Argumente, die für einen Start beim Giro sprechen. Nach einem guten Resultat dort, kann er in den nächsten Jahren mit neuem Selbstbewusstsein in die Tour gehen. Zeit bleibt dem 26-Jährigen noch genug.

 

Steven Kruijsweijk – Revanche in Italien

Steven Kruijswijk nach seinem Sturz (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)
Revanche 2017 – Steven Kruijswijk nach seinem Sturz beim Giro  (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Es war eine der bitteren Geschichten des Radsportjahres 2016. Nach überragenden Leistungen verliert Steven Kruijswijk durch eine Unachtsamkeit erst die Radkontrolle und dann den Giro. Dass er gern Revanche nehmen möchte, ist absolut nachvollziehbar. Kommt der Niederländer erneut in der Form von 2016 zum Giro-Start in Sardinien, könnte das Projekt Gesamtsieg durchaus gelingen. „Es ist ein Giro der mir liegt“, sagte Kruijswijk. „Vor allem die letzte Woche, mit Mortirollo und dem Stelvio sind sehr interessant“, freut sich der Niederländer auf den Mai. Es sind vor allem die schweren Etappen mit den langen Anstiegen, die dem Niederländer liegen. Beim Giro findet er davon ausreichend, die Tour im Jahr 2017 liegt eher anderen Fahrern.

 

Tom Dumoulin – Giro oder Tour?

Tom Dumoulin - Im Kampf gegen die Uhr Weltklasse (Foto: Roth&Roth)
Tom Dumoulin – Im Kampf gegen die Uhr Weltklasse (Foto: Roth&Roth)

Noch hält man sich beim Team Giant-Alpecin bedeckt, was die Planung für die großen Rundfahrten angeht. Schaut man sich die Strecken von Giro und Tour an, scheint keine ideal für Dumoulin. Die Tour hat nur wenige Zeitfahrkilometer und die Bergankünfte sind sehr steil – beides nicht nach dem Geschmack des exzellenten Rollers. Beim Giro hingegen gibt es zwar mehr Zeitfahrkilometer, doch die Berge der letzten Woche sind extrem und gegen Leichtgewichte wie Aru wird es für Dumoulin dort sehr schwer.

Was eher für die Tour als großes Saisonziel spricht, ist das Team. Die niederländische Mannschaft mit deutscher Lizenz hat mit Sunweb einen neuen Hauptsponsor, der sicher die große Bühne Tour de France nutzen will. Mit Warren Barguil hat man zwar einen kletterstarken Franzosen im Team, doch er scheint nicht konstant genug um bei der Tour aufs Treppchen zu fahren. Das trifft auch auf Neuzugang Wilco Kelderman zu.  So müssten schon Etappensiege her um bei der Tour für ausreichend Aufmerksamkeit zu sorgen. Für die müsste wohl allein Neuverpflichtung Michael Matthews sorgen, wofür es auch keine Garantie gibt, oder eben Dumoulin bei den beiden Zeitfahren. Der Prolog in Düsseldorf ist ideal für Dumoulin.

Was für den Giro als Hauptziel spricht, ist der Zeitplan. Denn ohne John Degenkolb muss das Team im Frühjahr zu 100% auf Michael Matthews setzen. Er kann einschlagen und Mailand-Sanremo oder das Amstel Gold Race gewinnen. Doch wenn nicht, geht das Team mit ordentlich Erfolgsdruck in die Rundfahrt-Saison. Da würde ein Etappensieg von Tom Dumoulin beim Giro den Druck nehmen, für das ganze Team. Auch könnte Dumoulin nach dem Giro auch die Vuelta aufs Klassement fahren. Eine Rundfahrt die ihm sehr liegt.

Dass man mit Dumoulin vielleicht doch besser als Tour-Kapitän plant, hat einen weiteren Hintergrund. Bei der Tour de France lasten die Blicke und große Erwartungen auf Warren Barguil. Doch selbst wenn der Franzose in sehr guter Form ist, fällt es ihm schwer taktisch optimal zu agieren. Das wurde bei der Tour de Suisse 2016 und auch bei den Herbstklassikern deutlich. Beim Giro könnte Barguil ohne Druck starten und während der Rundfahrt notfalls umplanen, sollte im Gesamtklassement die Top-5 früh außer Reichweite sein. Dann könnte Barguil voll aufs Bergtrikot fahren und im Herbst bei der Vuelta weitere Erfahrungen sammeln um an Stabilität zu gewinnen. Bei der Tour wären dann Matthews und Dumoulin die Kapitäne, die beide mit Druck gut umgehen können und den neuen Hauptsponsor ins rechte Licht rücken.

Also Barguil zum Giro, Matthews & Dumoulin zur Tour – mal abwarten, was die Sportliche Leitung plant.

 

Tejay van Garderen – Giro-Prämiere

Tejay van Garderen – das ewige Talent? (Foto Roth&Roth roth-foto.de)
Tejay van Garderen – das ewige Talent? (Foto: Roth&Roth roth-foto.de)

Bereits sechs Mal hat Tejay van Garderen die Tour de France bestritten. Zwei fünfte Plätze sind die besten Resultate. Eher enttäuschend, in Anbetracht der großen Erwartungen die sein starker Auftritt 2010 verursachte, als er die Nachwuchswertung gewann. Doch der Amerikaner ist über eine lange Rundfahrt nicht konstant genug. Nachdem sein BMC-Team bereits Richie Porte zum Kapitän der Tour de France erklärt hat (siehe oben Richie Porte) bleibt für den 28-Jährigen „nur“ der Giro, oder der Verzicht auf die Kapitänsrolle.

Doch vielleicht würde ihm der Giro gut tun. Er könnte ohne Druck im Schatten der italienischen Stars mitrollen und schauen was geht. Die Zeitfahren liegen ihm, doch die letzte Woche ist brutal, physisch wie mental. Der Giro ist anders als die Tour. Weniger hektisch, weniger Aufmerksamkeit, aber mehr Action. Van Garderen ist eher ein defensiver Fahrer, was bei diesem Giro aber kein Nachteil sein muss. Wenn man ihn nicht mit zu hohen Erwartungen ins Rennen schickt, könnte er vielleicht einige überraschen. Er wäre nicht der erste Fahrer, der mit freiem Kopf die Liebe zu den italienischen Bergen entdeckt.

 

 

Rafal Majka – Boras Mann für den Giro

Rafal Majka – Bei Bora 2017 der Giro-Kapitän (Foto: Roth&Roth)
Rafal Majka – Bei Bora 2017 der Giro-Kapitän (Foto: Roth&Roth)

Mindestens Top 5„, so die Ansage der Teamleitung. Schaut man sich das Teilnehmerfeld des 100. Giro an, wird das kein Coffee-Ride für den erklärten Giro-Kapitän bei Bora-Hansgrohe. Der 27-jährige Pole hat ohne Frage die Fähigkeiten weit vorn zu landen und war 2016 bereits Fünfter. Der Druck ist groß und Majka muss liefern. Man darf gespannt sein, wie stark sein Team für die Berge aufgestellt ist. Denn die Ziele für die Tour de France sind nicht geringer, denn dort soll Leopold König mindestens Fünfter werden, und Sagan „natürlich“ Grün gewinnen.

Die Strecke des Giro dürfte Majka liegen, auch wenn es ihm vielleicht ein paar Zeitfahrkilometer zu viel sind. Mit Aru, Nibali & Co. am Start wird er nicht sofort im Rampenlicht stehen und kann „sein Rennen“ fahren. Bis zur letzten Woche heißt es keine Zeit zu verlieren, denn dann steht die Entscheidung in den Bergen an. Stellt man ihm Gregor Mühlberger, Patrick Konrad und Silvio Herklotz an die Seite, hätte man eine schlagkräftige Truppe für die letzte Woche. Man darf gespannt sein, wie sich das Bora-Team in der neuen Rolle zurechtfindet. Die Zeiten wo man in Fluchtgruppen vertreten war und zurückhaltend für Überraschungen sorgte, sind vorbei. Es zählt nur der Erfolg, „mindestens Top 5“.

 

Adam Yates – seine Tour

Adam Yates vor Chris Froome – 2017 auch im Klassement? (Foto: Roth&Roth)
Adam Yates vor Chris Froome – 2017 auch im Klassement? (Foto: Roth&Roth)

Was für Romain Bardet gilt, gilt auch für Adam Yates. Der Sieger der Nachwuchswertung der Tour 2016 ist explosiv, kletterstark und sehr angriffslustig. Die Strecke der Tour 2017 dürfte ihm sehr gefallen. Yates ist ein Klassikertyp, der auch bei dreiwöchigen Rundfahrten keinen schwachen Tag hat – das ist die Erkenntnis der Tour 2016. Das Zeitfahren mag er nicht übermäßig, noch ein Pluspunkt der Tour. Das Teamkollege Esteban Chaves den Giro ins Auge gefasst hat, macht für Yates den Weg für die Tour frei. Der 24-Jähre war die große Überraschung der Tour 2016 – mal sehen, was er zeigen kann, wenn der Kurs ihm noch mehr liegt.

 

 

Bauke Mollema – Giro oder Tour?

Bauke Mollema - Giro-Kapitän oder als Co-Kapitän zur Tour (Foto: Roth&Roth)
Bauke Mollema – Giro-Kapitän oder als Co-Kapitän zur Tour (Foto: Roth&Roth)

Der 29-jährige Niederländer lag bei der Tour 2016 lange auf Rang zwei, ehe er auf der vorletzten Bergetappe einbrach und weit zurückfiel. Der starke Kletterer hat sein Potenzial schon mehrfach gezeigt und hat die Streckenpräsentation der Tour 2017 freudig verfolgt. „Vor allem die wenigen Zeitfahrkilometer fallen auf“, sagte Mollema. Für ihn durchaus ein Vorteil, im Kampf gegen Chris Froome. Doch im Team Trek-Segafredo hat man mit Alberto Contador den Kapitän für die Tour schon gefunden.

So konzentriert sich Mollema auf den Giro? Vielleicht besser nicht, vor allem mit Blick auf einen möglichen Toursieg. Denn die Strecke der Frankreichrundfahrt bevorzugt offensive Fahrer und gibt der Sky-Konkurrenz gute Gelegenheiten Froome und sein „Kontroll-Team“ unter Druck zu setzen. Es könnte durchaus sinnvoll sein, mit einer Doppelspitze in die Tour zu gehen um so taktisch flexibel zu sein. Es wäre eine Überlegung wert. Bei der Tour kann viel passieren, dass weiß Contador nur zu genau. Und der Giro-Parcours liegt Mollema weniger, als der der Tour. „Ich werde im Dezember entscheiden, ob ich beim Giro starte“, sagte Mollema. Mal sehen wie man sich im Team entscheiden wird. Je mehr Konkurrenz es für Chris Froome gibt, desto spannender könnte die Tour werden.

 

Warren Barguil – siehe Tom Dumoulin 

Warren Barguil – Giro oder Tour, Hauptsache Berge (Foto: Roth&Roth)
Warren Barguil – Giro oder Tour, Hauptsache Berge (Foto: Roth&Roth)

Der 25-jährige Franzose hat ohne Frage viel Talent. Doch Warren Barguil fehlt es noch an Konstanz und taktischer Finesse. Vuelta und Tour ist er bereits gefahren, vielleicht wäre es an der Zeit einmal den Giro kennenzulernen und weitere Erfahrungen zu sammeln. Welche Gründe noch für den Giro als Hauptziel sprechen, lest ihr bei „Tom Dumoulin“ weiter oben nach.