Bei der Tour de France hatte Chris Froome das Rennen unter Kontrolle. So war dem erwarteten Duell mit Nairo Quintana um das begehrte Gelbe Trikot schon nach wenigen Etappen die Spannung genommen. Zwar sah es in den Pyrenäen noch so aus, als könne Quintana zumindest an Froome dranbleiben, war schon vor den Alpenetappen der Rückstand des Kolumbianer zu groß, als dass er eine ernsthafte Gefahr für den Toursieger hätte werden können. Dazu klagte Quintana über Atemprobleme aufgrund einer Allergie. So trug Froome das Gelbe fest auf den Schultern und die erhoffte Spannung war weg.

Dafür kamen die Radsportfans einen Monat später voll auf ihre Kosten. Froome und Quintana starteten bei der Vuelta a España und lieferten sich ein packendes Duell, dass die Fans für die nur mäßig spannende Tour entschädigte.

 

Quintana und Froome mit entgegengesetzter Taktik 

Als würde es einem Drehbuch folgen, begann das Duell Froome vs. Quintana um den Vuelta-Sieg. Nach dem 27,5 Kilometer langen Mannschaftszeitfahren lag weniger als eine Sekunde zwischen den beiden – der perfekte Start.

Wegen des langen Einzelzeitfahrens am drittletzten Tag war die Taktik der beiden Favoriten klar. Quintana musste versuchen bis dahin viel Zeit auf Froome herauszuholen, denn der Brite ist der viel bessere Zeitfahrer. Für Froome hieß es, keinen Rückstand kassieren, dann im Zeitfahren das Trikot holen und bei der Bergankunft am vorletzten Tag nicht mehr hergeben. Genau so gingen die beiden das Rennen an. Eineinhalb bis zwei Minuten könne Froome auf Quintana im Zeitfahren gutmachen, wurde im Vorfeld spekuliert.

Dass es eine spannende Rundfahrt werden könnte, war schon am Parcours ablesbar. Bereits die ersten Tage hatten mächtige Rampen im Programm. Und die Idee der Streckenplaner ging auf – große Zeitabstände blieben aus, die Fans durften sich über eine spektakuläre Vuelta freuen. 

 

Froome und der Wattmesser

Bei den ersten steilen Rampen machte Froome einen frischen Eindruck, doch auch Quintana wirkte souverän. Bei der ersten richtigen Bergankunft konnte er ein paar Sekunden auf den Toursieger herausholen. Den ersten richtig harten Schlagabtausch gab es auf dem Weg zu den Lagos de Covadonga. Doch ganz anders als erwartet.

Alberto Contador und Nairo Quintana attackierten im Schlussanstieg. Chris Froome hatte bereits den Anschluss verloren und fiel immer weiter zurück. Der Brite sah geschlagen aus. Doch Froome hatte sich nur die Kräfte exakt eingeteilt. Plötzlich zündete er den Turbo und holte einen Fahrer nach dem anderen ein. Vorn stürmte Quintana gen Gipfel, 40 Sekunden dahinter pflügte Froome durchs „Feld“. Im Ziel hatte Quintana nur 25 Sekunden auf Froome gutgemacht. Im Gesamtklassement trennten beide weniger als eine Minute. 

Am nächsten Tag siegte Froome am Pena Cabarga und schlug zurück. Quintana erreichte zeitgleich das Ziel. Beide schauten nur auf sich. Auch bei der schweren Bergankunft am Aubisque duellierten sich Froome und Quintana. Doch einen Sieger gab es nicht. Quintana versuchte sechs Mal, den Briten abzuschütteln, doch Froome konnte jeden Angriff kontern. Beide erreichten zeitgleich auf den Plätzen 12 und 13 das Ziel. Der Abstand zwischen ihnen blieb weiter bei rund einer Minute – alles im Lot für den starken Zeitfahrer Froome. 

 

Die Vorentscheidung 

Die 15. Etappe der 71. Vuelta wird lange im Gedächtnis bleiben. Auf dem 118 Kilometer kurzen Teilstück fiel die Vorentscheidung um den Gesamtsieg der Rundfahrt. Alberto Contador attackierte früh und sprengte das Rennen. Während Quintana vorn war, hatte Froome den Sprung verpasst. Es entwickelte sich ein episches Rennen. Vorn kämpften Quintana und Contador mit ihren Helfern, dahinter versuchten Sky und Orica-BikeExchange mit Hilfe der Astana-Mannschaft, den Rückstand klein zu halten. Das riesige Feld rollte weit hinter der Spitze und verpasste das Zeitlimit. 

Froome verlor mehr als zweieinhalb Minuten auf Quintana und die taktischen Vorzeichen veränderten sich. Nun reichte es dem Briten nicht mehr, im Zeitfahren Vollgas zu geben, denn 3:37 min konnte er selbst mit einer Top-Leistung nicht auf Quintana herausholen.

 


Summary – Stage 15 (Sabiñánigo / Sallent de… von la_vuelta

 

Spannung bis zum Schluss

Nun musste Froome versuchen Quintana abzuschütteln, doch das war nicht so leicht möglich. Seine Stunde sollte beim Zeitfahren schlagen. Quintana wirkte vor dem Zeitfahren nervös. Er hatte ein großes Polster, durfte sich jedoch keinen Schnitzer erlauben. Froome hatte nichts mehr zu verlieren, er fuhr voll auf Angriff. Der Brite zeigte ein starkes Rennen und machte 2:16 min auf Quintana gut. So trennten die beiden vor der letzten schweren Bergetappe nur noch 81 Sekunden.

Am Aitana entbrannte dann noch einmal ein erbitterter Kampf um jede Sekunde. Froome versuchte alles, musste jedoch einsehen, dass er Quintana nicht abhängen konnte. Am Ende zog Quintana auf den letzten Metern vorbei, als wolle er zeigen, dass er zurecht der Sieger ist. Froome applaudierte ihm sportlich fair

Es war ein packendes Duell, dass viele gern bei der Tour de France gesehen hätten. Die Streckenführung und keine Sky-Übermannschaft haben diese Vuelta zu einem spannenden Rennen gemacht. 

Chris Froome applaudiert Sieger Nairo Quintana (Foto: Roth&Roth)