Nairo Quintana (Foto: Roth&Roth)

 

Rohan Dennis (endgültig) auf dem Weg zum Klassement-Fahrer

Dass Rohan Dennis ein Radfahrer der Extraklasse ist, steht außer Frage. Er hat das Gelbe Trikot getragen und bereits 18 Profi-Siege auf seinem Konto. Doch bislang war seine Rolle die des Weltklasse-Zeitfahrers. Gut, er hat die Tour Down Under gewonnen und war Gesamtzweiter bei der Tour of California, aber die meisten Siege hat er im Kampf gegen die Uhr geholt. Doch nun durfte er bei Tirreno-Adriatico auch auf eigene Rechnung fahren. Zwar war Tejay van Garderen Kapitän, doch Dennis durfte ohne Druck schauen, wie weit  er kommt. Am Ende wurde er Gesamtzweiter, 25 Sekunden hinter Nairo Quintana! Ein echter Schritt auf dem Weg zum GC-Fahrer. Er ist 26-Jahre alt, hat reichlich Erfahrung und kommt auch mit der Leaderrolle klar. Schon in der U23-Kategorie kontrollierte er die Rennen und machte dann im Zeitfahren alles klar. Im Duell mit den ganz großen Klassementfahrern muss er sich zwar noch nachhaltig beweisen, doch Tirreno-Adriatico hat gezeigt, dass da sehr viel Potenzial ist! Beim Giro kann er ohne Druck mal probieren, was rauskommt – wir sind gespannt. 

Peter Sagan bereits in Top-Form

Wir müssen eigentlich nicht viel über Peter Sagan schreiben. Der Kerl ist einfach der Wahnsinn. Zwei Etappensiege und eine unfassbar starke Leistung auf der fünften Etappe  sprechen für sich. Peto hat so Form, er muss eigentlich nur lenken. Da kommt die Klassiker-Saison gerade recht. So stark wie er bergan an ist, hängt ihn am Poggio auch kein Moped ab. Dazu kaltschnäuzig und sprintstark – Sagan ist die nächsten vier Wochen Top-Favorit, egal wo er am Start steht.

 

Jasper Stuyven bereit für die Rolle als Co-Kapitän

Stark bei der Algarve-Rundfahrt, Zweiter bei Kuurne-Bruxelles-Kuurne und jetzt auch bei Tirreno-Adriatico mit einer guten Leistung – Jasper Stuyven ist bereit für die großen Klassiker. Dass er im Frühjahr gut dabei ist, ist keine Überraschung, doch auch seine Sprintstärke sorgt für anerkennendes Nicken. Mindestens. Mit Japer Stuyven hat Trek-Segafredo mehr als nur einen Edelhelfer für John Degenkolb. Er kann die Rolle des Co-Kapitäns übernehmen und eine taktische Option bieten. Gut für das Team, und auch gut für Degenkolb. Denn so stark wie Dege derzeit ist, kann es durchaus wichtig sein, die Verantwortung im Rennen abgeben zu können, zum Beispiel wenn man Stuyven in eine Gruppe schickt. Mal abwarten, welche Geschichten dieses Frühjahr noch so schreibt.

 

Primož Roglič hat den nächsten Schritt gemacht

Erst mit seinem Etappensieg beim Giro 2016 wurde Primož Roglič  so richtig bekannt. Der 27-jährige Slowene hat aber bereits im Jahr 2015 mehr als ordentliche Leistungen gebracht. Klar, die Siege bei der Slowenien-Rundfahrt und der Tour d’Azerbaïdjan haben nicht den Stellenwert der World-Tour-Rundfahrten, aber auch dort wird Radrennen gefahren. Als Roglič im vergangen Jahr erst in die Top-5 bei der Algarve-Rundfahrt fuhr, und dann im Mai zum Auftakt des Giro nur um Zehntel das Rosa-Trikot verpasste, rückte er ins Rampenlicht. Meist wird sein Name bei TV-Übertragungen mit „der Skispringer“ ergänzt, denn bekanntermaßen war er vor der Radsportkarriere mehr als nur ein passabler Skispringer. Laut Wikipedia liegt sein persönlicher Rekord bei 183 Metern.
Roglič ist ein Leichtgewicht und extrem stark im Zeitfahren. Dazu bewegt er sich für einen „Umsteiger“ ordentlich im Feld. Wie er sich in dieser Saison präsentiert, deutet darauf hin, dass er den nächsten Entwicklungsschritt gemacht hat. Die Algarve-Rundfahrt konnte er gewinnen und wurde nun bei Tirreno-Adriatico Gesamtvierter. Man darf wirklich gespannt sein, was er in Zukunft noch zeigen kann.

 

Giro-Form: Quintana, Thomas und Pinot im Soll | Nibali, Mollema und Van Garderen noch weit weg | Dumoulin überraschend schwach im Zeitfahren

Nairo Quintana hat am Terminillo gezeigt, dass er bergauf der Stärkste ist. Nach dem Erfolg bei der Valencia-Rundfahrt hat er bei Tirreno-Adriatico den zweiten Rundfahrtsieg der Saison eingefahren. Der Kolumbianer ist mit Blick auf den Giro d’Italia mehr als im Soll.
Das gilt auch für Geraint Thomas, der beim Giro um den Sieg mitfahren will. Dass dem Briten zu Quintana am Berg ein wenig fehlt, ist wenig überraschend. Doch die Lücke ist wirklich nicht riesig. Nur 18 Sekunden rollte Thomas nach Quintana über die Ziellinie am Terminillo. Seine Stärke ist ohnehin das Zeitfahren und seine Tempohärte. Dass er bei Tirreno-Adriatico noch nicht ganz vorn landen konnte, ist kein Hinweis auf fehlende Form. Denn nach Material-Problemen beim Mannschaftszeitfahren zum Auftakt hatte Thomas bereits nach dem ersten Tag fast eineinhalb Minuten Rückstand auf Quintana. Mit nur sechs Renntagen in den Beinen und nach eineinhalb Monaten Pause kam Thomas zu Tirreno-Adriatico. Ein Etappensieg und Gesamtrang Fünf, trotz Katastrophenstart – auf Thomas muss man achten!

Auch Thibaut Pinot scheint auf dem richtigen Weg für den Giro. Nachdem er bereits bei der Strade Bianche beeindruckte, bestätigte er das auch bei Tirreno-Adriatico. Am Terminillo hatte er Probleme, doch bis Mai kann er an der Bergform noch arbeiten.

Ganz anders dürfte die Bilanz bei Vincenzo Nibali ausfallen. Der Giro-Sieger von 2016 ist noch weit weg von der Konkurrenz. Er fühlte sich gut, aber andere seien eben noch besser, sagte er nach der Terminillo-Etappe. Klar, der Italiener hat schon mehrfach gezeigt, dass er überraschend schnell in Form kommen kann, aber das wird wohl auch nötig sein, wenn er beim Giro ganz vorn landen will.

Auch Bauke Mollema und Tom Dumoulin fehlt noch etwas zur Spitze. Mollema kassierte am Terminillo fast eine Minute Rückstand und landet am Ende der Rundfahrt auf Rang neun. Kein Drama, aber auch noch nicht das, war er sich vielleicht erhofft hatte. Bis zum Giro bleiben noch gut sechs Wochen.
Dumoulin war am Berg stark, zeigte sich aber von seiner Zeitfahrleistung enttäuscht. Der Niederländer hat Gewicht verloren, was eine mögliche Ursache sein könnte. Denn durch Gewichtsverlust kann schnell etwas Power verloren gehen. Doch nach einem kurzen Zeitfahren kann man keine großen Schlüsse ziehen. Das Dumoulin grundsätzlich gut in Form ist, hat er auch bei der Strade Bianche gezeigt. Dennoch gilt es für ihn, die Stärke am Berg zwar auszubauen, im Zeitfahren jedoch weiter Weltspitze zu bleiben – Balance ist gefragt. Das ist sicher keine leichte Aufgabe. 

Tejay van Garderen kann seit Jahren die Erwartungen bei der Tour de France nicht erfüllen. In diesem Jahr geht er neue Wege und will beim Giro zurück zu alter Stärke finden. Dass es bis dahin noch ein weiter Weg ist, hat Tirreno-Adriatico gezeigt. Gesamtrang 21, 3:40 Minuten Rückstand, das ist die ernüchternde Bilanz. Weder am Berg noch im Zeitfahren zeigt er das, was man erwarten würde. Doch der 28-Jährige ist gerade erst in die Saison gestartet, hat zuvor nur die Abu Dhabi Tour bestritten und ihm fehlt sicher noch die Rennhärte. Seine Vorbereitung auf den Giro führt über Katalonien-Rundfahrt und Tour de Romandie. Es bleibt noch Zeit, aber auch noch viel Luft nach oben.