Greg van Avermaet (Foto: Roth&Roth)

Peter hat keinen Bock auf Spielchen 

Wer sich für die Gemütslage des Weltmeisters interessiert, muss sich nur das Interview nach Gent-Wevelgem anschauen.

Peter hat keine Bock mehr, dass alle nur auf ihn gucken. Er hat keinen Bock mehr drauf, dass die Konkurrenz lieber einen anderen gewinnen sieht, als ihn. Wir haben es schon häufiger geschrieben, dass Sagans Stärke zum Problem wird. Jetzt kann es der Weltmeister selbst nicht mehr so leicht mit Humor nehmen, dass die Konkurrenz nur auf ihn schaut. Natürlich ist das verständlich, vor allem für diesen Instinkt-Radfahrer, der das alles macht, weil es ihm Spaß bereitet. Aber er muss lernen, damit umzugehen. Cancellara und Boonen ging es vor einigen Jahren nicht anders. Doch sie sind meist souverän damit umgegangen.
Gut für Sagan, dass jetzt mit der Ronde van Vlaanderen das schwerste Rennen der Frühjahrsklassiker ansteht. Dort gibt es keine Überraschungssieger. Gelingt es Bora-hangrohe mit Burghardt und Co das Rennen bis 40-50 km vor Ziel zu kontrollieren, wird es schwer, Sagan abzuhängen. Und wenn er dann am Kwaremont oder Paterberg losfährt, gilt die Physik, nicht die Taktik. Watt und Schwerkraft geben dann den Rennausgang vor. Mit etwas Wut im Bauch wird Peter wohl noch stärker sein. Der Hulk is back.

 

Wir wissen, wer die Favoriten für die Ronde sind

Wer zu den Klassikern einen Radsport-Liveticker macht, hat die Namen Van Avermaet, Sagan, Stybar und Degenkolb in der Zwischenablage. Auch wenn mal der eine Fahrer die Gruppe verpasst, oder wegen eines Sturzes zurückfällt, sie sind die Favoriten, weil sie ohne Frage die derzeit stärksten Fahrer im Peloton sind. Nimmt man Niki Terpstra, Philippe Gilbert und Edvald Boasson Hagen dazu, haben wir die absoluten Top-Favoriten für die Ronde van Vlaanderen zusammen. Sie werden den Sieg wohl unter sich ausmachen, wenn es nicht eine Monster-Überraschung gibt. Die Ronde ist extrem schwer, „dort können nur eine Handvoll Fahrer gewinnen“, sagt etwa Marcel Sieberg. Nach den letzten Rennen bleibt kein Zweifel, wer diese Fahrer sind. Trotzdem wird es ein spannendes Rennen. Hoffentlich! 

 

Boonen bereit für den großen Abschied

In Belgien werden bereits die Tage runter gezählt, bis ihr „Tommeke“ in Roubaix vom Rad steigt. Tom Boonen wird gefeiert, wo er auftaucht. Er ist ein belgischer Nationalheld und der Hype ist in diesem Jahr noch größer als sonst, so hat man das Gefühl. Doch Boonen selbst scheint die Ruhe selbst. Voll fokussiert auf das letzte große Ziel – Paris-Roubaix. Boonen gibt locker Interviews, winkt den Fans, wirkt vor den Rennen, als würde er seine Jungs nur bis zum Starschuss begleiten und dann in ein Supporter-Cafe gehen. Doch das täuscht. Boonen ist bereit. Er ist austrainiert und stark, das beweisen seine Resultate. Sechster bei Gent-Wevelgem, Achter bei E3-Harelbeke. Für Boonen ist alles auf diesen einen Tag ausgerichtet. Er holt sich Belastung bei Sanremo, er fährt nach Plan, trainiert voll fokussiert, heißt es aus dem Umfeld. Er scheint 100 % bereit zu sein. Der 9. April 2017 ist der große Tag. Die Hölle des Nordens. Für den Abgang eines so großen Champions ist es vielleicht das blödeste Rennen, weil es ist so unberechenbar ist. Stürze, Defekte, brutale Konkurrenz. Doch auch genau deswegen flippen die Belgier jetzt schon aus. Das wird definitiv eine beeindruckende Abschiedsparty, egal wie das Rennen ausgeht.

 

In den Rennen geht früh die Post ab

Abwarten, das war früher. Es ist sehr auffällig, dass bei den belgischen Klassikern heuer bereits früh eine Vorentscheidung gesucht wird. Ob Omloop Het Nieuwsblad, Dwaars door Vlaanderen oder E3 Harelbeke, die Vorentscheidung fiel jeweils recht weit vor dem Ziel. Auch bei Gent-Wevelgem versuchten die großen Favoriten bereits 70 Kilometer vor dem Ziel, das Feld zu sprengen. Dass eine offensive Fahrweise von der Teamleitung als Taktik ausgegeben wird, liegt an den Erfolgschancen und der Kräfteverteilung. Offensive wurde belohnt, also will man beim nächsten Mal auch dabei sein. Logisch. So ist natürlich schnell eine Dynamik in Gang gesetzt.

Der Grund für die erfolgreichen, recht frühen Attacken liegt in der Verteilung der Kräfte im Feld: Das Quick-Step-Team ist bärenstark, fährt offensiv und hat immer mehrere Optionen. Greifen sie an, stellt sich die Frage, wer die Lücke schließen kann. Ist dann noch ein Fahrer wie Greg van Avermaet dabei, braucht es sehr viel Energie um die Gruppe zurückzuholen. Wer soll im Feld dann die Verantwortung übernehmen? Bora-hansgrohe ist als Team nicht stark genug, also geht Sagan lieber auch bei Van Avermaet mit. Blieben Katusha-Alepcin und Trek-Segafredo in Zusammenarbeit. Will man alle Kräfte aufrauchen in der Verfolgung? Ist man sicher, dass man gewinnt, wenn man sie dann eingeholt hat? Im Falle von Trek hat man selbst mehrere Optionen und schickt vielleicht einen Mann mit. So wird es schnell überschaubar, wer eine starke Gruppe zurückholen kann und einige Mitfavoriten warten vielleicht zu lange ab. Eine spannende Dynamik, die für schöne Rennen sorgt!
Für die Ronde verspricht das ebenfalls Spannung, doch dieses Rennen ist so lang und schwer, dass sicher erst bis zum Oude Kwaremont gewartet wird. Oder doch nicht? Wir können uns drauf freuen.

 

Katusha-Alpecin fehlt die Leichtigkeit

Am Sonntag lief bei Gent-Wevelgem alles schief, bei Katusha-Alepcin. Aber irgendwie passt es zu dieser für sie bislang verkorksten Klassiker-Saison. Man muss dabei nicht über die Form oder die Stärke des Teams diskutieren. Alexander Kristoff gewann im Februar im Oman gleich mehrere Etappen. Im März wurde er Vierter bei Mailand-Sanremo. Solche Ergebnisse kommen nicht ohne Form zustande. Dass er bei Sagan am Poggio nicht mitgehen konnte, ist absolut klar. Bei seinem Körperbau hätte er dort Wattzahlen abliefern müssen, die Strava nicht mehr erfassen kann. Doch bei den belgischen Rennen läuft es für Kristoff, dessen Vertrag am Ende des Jahres ausläuft, irgendwie noch nicht rund.
So auch bei Tony Martin, der schon mehrfach Sturzpech hatte. Der Zeitfahrweltmeister ist für seine Akribie bekannt. Er kann sich für ein Ziel quälen wie kaum ein anderen Sportler. Tony will in Roubaix gut sein, dann rollt er da auch in Topform an den Start, ganz einfach. Scheinbar.
Bei E3 Harelbeke konnte man sehen, dass Martin eine gute Form hat. Als er auf dem Pflaster das Tempo machte, konnte nur Sagan problemlos folgen. Doch da war die entscheidende Gruppe schon weg, der Drops gelutscht. Und genau das passt irgendwie zu Katusha-Alpecin dieser Tage. Es liegt nicht an der Kraft, vielmehr scheint es so, als sei man verkrampft. Warum auch immer. Lukas Podolski hätte sicher eine plausible Erklärung dafür, warum es nicht läuft, wenn es mal nicht läuft. Für die sportliche Leitung ist das keine einfache Situation, denn mit jedem Rennen, wo es nicht läuft, wird sich die Verkrampfung nicht lösen. Torsten Schmidt hat den Fahrern am Sonntag schon während des Rennens Mut gemacht. Anfang der Woche stehen die Driedaagse De Panne-Koksijde an. Wenn dort der Knoten platzt, läuft es vielleicht in die andere Richtung. Und wozu das Team in der Lage ist, wenn sie einmal in der Spur sind, wissen wir spätestens seit Kristoffs Ronde-Sieg 2015.