Greg van Avermaet und Alejandro Valverde beim Amstel Gold Race 2017 (Foto: Roth&Roth)

Philippe Gilbert – der Fuchs

Dass Philippe Gilbert ein cleverer Klassiker-Fahrer ist, ist ebenso bekannt, wie die Dribbelstärke des Lionel Messi. Beim Amstel Gold Race hat der Belgier seine Rennintelligenz mehrfach unter Beweis gestellt. Dass Gilbert die Attacke von Tiesj Benoot (Lotto-Soudal) am Kruisberg mitgegangen ist, war keine Überraschung und einfach clever. Er hat sich danach in der Gruppe nicht geschont, sondern richtig viel geackert. Das hat die Gruppe (abgesehen von Rojas) zusätzlich am Laufen gehalten.

Beeindruckend war der Moment, als Gilbert und Kwiatkowski am Bemelerberg davonziehen. Kwiatkowski attackierte zunächst und Gilbert blieb am Rad. Nach 260 Rennkilometern ist auch der Bemelerberg ein schwerer Anstieg und so hatte der Rest Mühe, am Rad zu bleiben. Kurz vor der Kuppe geht Gilbert noch mal drüber, fährt an Kwiatkowski vorbei und macht Tempo. Gilbert guckt sich um und sieht eine kleine Lücke zu Nathan Haas. Gilbert zieht durch, spürt, dass jetzt was gehen kann. Er guckt sich wenige Sekunden später wieder um, sieht, dass Haas rausgeht und so ein Meter Loch ist – eine solche Situation löst beim Belgier einen ähnlichen Reflex aus, wie Rückenwind und LKW-Windschatten am Lieblings-Strava-Segment bei Hobby-Fahrern – Vollgas. Jetzt. Die Lücke geht auf und das Duo ist weg. Stark.
Leider fällt Gilbert nach einem Sturz am Sonntag während des Amstel für die beiden restlichen Ardennen-Klassiker aus.

 

Michal Kwiatkowski macht (fast) alles richtig, nur zu früh

Als Gilbert 1000 Meter vor dem Ziel noch mal an Kwiatkowski vorbei zieht, war klar, dass der Pole den Belgier nun vorn fahren lässt. Kwiatkowski lässt ein Loch zu Gilbert und wartet ab. Gilbert guckt sich um, fährt ganz links an die Gitter um Kwiatkowski nur eine Seite für die Attacke zu lassen. „Kwiato“ wartet. Gilbert guckt sich um, Kwiato wartet. Dann passt Kwiatkowski den perfekten Moment ab, wartet bis Gilbert sich nach dem Umschauen wieder nach vorn dreht und gibt Vollgas. Ganz rüber, Gilbert sieht es erst, als Kwiato neben ihm ist. Vielleicht schaut sich Kwiatkowski dann auch ein Mal zu oft um, aber 300 Meter vor dem Ziel war für den Sprint am Ende zu lang. Gilbert saugt sich an und zieht vorbei. Hätte, hätte …

 

Danke für das neue Finale

Bei Mailand-Sanremo stört es uns nicht, dass man eigentlich nur die letzten 30 Kilometer gucken muss. Denn es ist der erste Klassiker der Saison und wir sind heiß auf große Rennen. Beim Amstel, eine Woche nach Roubaix, war das in den letzten Jahren anders. Nach Kaffee Nummer 5 hat man sich den Cauberg ein paar Meter näher gewünscht. Langeweile bis 5 km vor dem Ziel, dann ein spannendes, aber kurzes Finale.

Auch Renndirektor Leo van Vliet hat das nicht gefallen und so wurde das Finale entschärft, der Cauberg entfernt. „So, liebe Klassikerfahrer, jetzt müsst ihr die Sprinter eben eher abhängen“ – so die Devise. Und das ging perfekt auf! Es entwickelte sich ein spannendes Rennen, über mehr als 40 Kilometer. Die letzte Rennstunde hat beim Zuschauen großen Spaß gemacht und es war spannend bis zum Schluss. Danke, liebe Streckenplaner und Respekt, für die Entscheidung.

 

Die alten Männer

34 Jahre alt ist Sieger Philippe Gilbert, 36 der Drittplatzierte Michael Albasini. Das Durchschnittsalter des Podiums ist 32 Jahre. Zufall? Gilbert und Albasini sind herausragende Radfahrer, aber sie haben eben auch die Tempohärte und die Erfahrung von unzähligen Rennen. In der Fluchtgruppe waren Albasini und Gilbert die Motoren. Mit Rojas (31), Henao (29), Izagirre (28) und Haas (28) waren ebenfalls erfahrende Renner dabei. Beim Fleche Wallonne und in Lüttich wird auch Alejandro Valverde (36) wieder vorn mitmischen, dann zeigen die „alten Männer“ den „jungen Wilden“ vielleicht wieder wie es geht.   

 

Kwiatkowski – für den Rest der Woche in der Favoritenrolle

Als Michal Kwiatkowski am steilen Keutenberg von Valverdes Hinterrad rechts raus geht und losfährt, kann einfach niemand mitgehen. Limit, für alle. Van Avermaet fährt sein Tempo, Valverde folgt, Wellens und Felline hängen grad noch dran. Nur Kwiato kann eben noch ein paar Watt mehr – stark. Mitte März war der Pole bereits superstark und gewann Mailand-Sanremo. Gut einen Monat später scheint er kein bisschen schwächer zu sein. Für den Fleche Wallonne und Lüttich-Bastogne-Lüttich zählt Kwiatowki zu den absoluten Top-Favoriten.