Lukas Pöstlberger (Foto: Roth&Roth)

Schon die Verabredung zum Gespräch ist unkompliziert. „Klar, komm vorbei“, antwortet Lukas Pöstlberger auf die Frage, ob er am nächsten Tag ein wenig Zeit hätte. Er lächelt, bedankt sich fürs Interview und macht noch einen Spaß über seine müden Beine. In den Stunden zuvor hatte er beim WorldTour-Klassiker E3-Harelbeke ein starkes Rennen gezeigt und wurde Fünfter. Beim 25-jährigen Österreicher merkt man sofort, dass seine lockere Art nicht aufgesetzt ist. Er ist höflich und hört im Gespräch genau zu. 

Im Teamhotel ist nicht viel los, Pöstlberger kommt nach einer lockeren Ausfahrt zurück und ist offenbar ein Schnellduscher. Im Gespräch braucht es keinen Anlauf. „Ich wusste, das waren meine Grenzen, mehr kann ich nicht“, antwortet er auf die Frage, ob er beim E3-Harelbeke vielleicht von mehr geträumt hat und fügt an, „Ich war noch nie in dieser Situation, bei solch einem hochkarätigen Rennen. Da konnte ich auch gar nichts denken, weil ich am Anschlag war.“ Pöstlberger ist nicht laut, aber auch niemand, dem man die Antworten aus der Nase ziehen muss. Er antwortet vorsichtig und erklärt lieber etwas ausführlicher. Aber ohne belehrend zu sein. 

Traum in Rosa – Lukas Pöstlberger genießt den Triumph

 

Erst am Anfang der Karriere

„Er ist sehr zielstrebig, ruhig und fokussiert“, beschreibt ihn sein Manager Christian Baumer. Auch wenn man über die Social-Media-Kanäle einen anderen Eindruck bekommen könnte, wenn man ihn persönlich erlebt ist schnell klar: Das trifft es ziemlich genau. „Ich sauge einfach alles auf wie ein Schwamm“, sagt Pöstlberger selbst über seine Zeit an der Seite von Peter Sagan und dem erfahrenen Marcus Burghardt. Vor dem E3-Harelbeke hatte ihm Burghardt gesagt, dass er bei Dwars door Vlaanderen wenige Wochen zuvor gut gefahren sei, nur vor dem Paterberg einen entscheidenden Fehler gemacht habe. „Das habe ich dann gestern anders gemacht“, sagt Pöstlberger und grinst. Er hört zu, nimmt alles auf. Er schwärmt von der Streckenkenntnis eines Marcus Burghardt und lobt die Trainer. „Ich versuche mit allen zu sprechen, berücksichtige ihre Meinung“, sagt er ruhig. „Ich bin erst das zweite Jahr im Profigeschäft, ich muss noch viel lernen“.

 

Eine Laufbahn mit Problemen

Der Name Lukas Pöstlberger war in seiner U23-Zeit nur den Insidern wirklich ein Begriff. Klar, die Erfolge waren gleich zu Beginn da. Österreichischer Staatsmeister, Etappensieg bei der Tour de l’Avenir im zweiten U23-Jahr. Doch es lief nicht immer glatt, für den Österreicher. Sturzpech, Beckenbruch, Reha. Er musste sich zurückkämpfen, mehrfach. Doch darüber spricht er nicht sofort, stellt lieber in den Vordergrund, dass Ralph Denk ihn gern als Stagiaire genommen hat und nun auch als Profi. Die Erfolge in der U23 kann Pöstlberger alle auswendig aufzählen, aber er weiß genau, dass dies im harten Profi-Geschäft nicht viel zählt.

Dass er er dort überhaupt gelandet ist, verdankt er auch dem Militär. „Ich hatte vorher schon nebenbei trainiert, auch intensiv“, erzählt er. Aber nach der Grundausbildung wurde er in die Schreibstube versetzt, konnte viel trainieren und hatte zudem viel Zeit, zu regenerieren. „Ich habe dort erkannt, wie wichtig Regeneration ist“, sagt er. Zuvor hatte er eine Lehre gemacht, als Tischler. „Wenn du neben 40 Stunden Arbeit noch trainierst, da bleibt nicht viel Zeit zum Erholen. Das war dort ganz anders“, sagt er über die Zeit beim Militär nach der Grundausbildung. „Ich habe dort einen Sprung gemacht“, sagt Pöstlberger rückblickend. Das waren wichtige Lektionen. Nun ist er nicht nur fleißig auf dem Rad, sondern nimmt sich auch die Zeit für Regeneration. Er habe früher nie gedacht, dass er mal vom Radfahren leben könne, aber als 18-Jähriger dachte er dann irgendwann schon darüber nach.

In seinem Element: Pöstlberger an der Muur von Geraardsbergen bei der Flandern-Rundfahrt

Typ Klassikerfahrer

„Ich kann schon ziemlich viel“, sagt Pöstlberger und verweist darauf, dass man das als Klassikerfahrer auch müsse. Kraft, Spritzigkeit, großer Motor und gut bergan müsse man sein, erklärt Pöstlberger. Er gibt sich Mühe, die Besonderheiten der Klassikerfahrer exakt zu beschreiben. Man merkt sofort, wie wichtig ihm die Klassiker sind. Er sieht dort seine Stärken, neben dem Zeitfahren. „Ich kann jetzt nicht 1500 Watt treten“, erklärt er, „aber eben für eine Minute 1000 Watt“. Er bricht ab, lacht.  „Naja, nee, kann ich auch nicht“, sagt er dann. Er ist viel zu genau, um falsche Zahlen als Beispiel zu nehmen. Er grinst und erklärt ruhig weiter.

Er kennt seine Leistungswerte genau und weiß, wo er sich noch entwickeln kann. Er glaubt, dass er noch 1–2 Jahre braucht, um bei den Klassikern ganz vorn mit zu fahren. Aber wo es mal hingehen kann, das hatte ihm schon sein früherer Trainer Björn Geesmann aufgezeigt. „Ich will meine Stärken weiter ausbauen“, sagte Pöstelberger ruhig und entschlossen. Auch wenn er seine Leistungsfähigkeit kennt, nutzt er im Rennen gern den Wattmesser. „Ich habe zwar ein gutes Körpergefühl, aber wenn ich am Limit bin, dann kenne ich meine Grenzen nicht. Ob ich dann 400, oder 600 Watt fahre, es tut genauso weh“, sagt Pöstlberger. „Da hilft es mir, wenn ich eine Orientierung hab, denn ich lasse mich recht leicht verunsichern“, so Pöstlberger. Er sei noch nicht auf seinem Zenit, wolle noch viel lernen und eben möglichst viel richtig machen.

 

Bei den besten in die Lehre

Lukas Pöstlberger fühlt sich wohl bei Bora-hansgrohe. Er lobt die Trainer und Teamchef Ralph Denk. Das Gefühl, im Schatten des großen Peter Sagan nur eine Nummer zu sein, hat er nicht. „Für mich ist das ein Vorteil, beim besten Radfahrer der Welt im Team zu sein“, sagt Pöstlberger. Er guckt sich viel ab und schwärmt von Sagans Einstellung. „Er hat eine klare Einstellung zu seinem Beruf, und versucht, dabei auch viel Spaß zu haben“. Was  im ersten Moment kühl und distanziert klingt, ist nicht so gemeint. Professionalität und Hingabe, dass ist es, was Pöstlberger an Sagan schätzt, dabei aber eben doch das machen, was einem Spaß bereitet. „Er hat mir gesagt, wenn es keinen Spaß mehr macht, hört er auf“, sagt Pöstlberger über Sagan, als meinte er sich selbst.    

Mit seinem Etappensieg beim Giro war nicht zu rechnen. Seine Rolle war die des Anfahrers für Sam Bennett. Doch als dieser ihm das Zeichen zum Angriff gibt, fährt er los. Er hat im richtigen Moment sein Herz in die Hand genommen und den bislang größten Erfolg seiner Karriere eingefahren. Dass Lukas Pöstlberger jetzt plötzlich abheben könnte, davor muss man wohl wenig Angst haben. Im Rosa Trikot beim 100. Giro – „Ich kann noch gar nicht fassen, was das bedeutet. Da brauche ich wohl ein paar Stunden und vielleicht ein Glas Wein um das zu verarbeiten.“

 

Sehr interessant: Pöstlbergers Ritt in Rosa – Leistungsdaten der 1. Etappe des Giro d’Italia
Pöstelbergers ehemaliger Trainer Björn Geesmann hat die Leistungsdaten vom Ritt ins Rosa Trikot analysiert und einen interessanten Artikel dazu verfasst –> den Text findet ihr hier