Chris Froome

 

Chris Froome – Favorit, aber schlagbar

Nein, Chris Froome hat diese 104. Tour de France nicht zum langweiligen Sommer-Event gemacht. Von der Dominanz vergangener Jahre ist nichts zu sehen. Das mag zum einen daran liegen, dass er nicht ganz so stark ist, zum anderen aber auch am Parcours dieser Tour. Froome mag diese langen Bergetappen mit vielen Anstiegen und einem monströs langen Schlussanstieg. Doch davon gab es bislang genau NULL. Weder die Ankunft in La Planche des Belles Filles, die mehr ein kurzer Bergaufsprint war, noch die Jura-Etappen oder die Ankunft in Peyragudes waren ideal für den Titelverteidiger. Die Spannung ist da, die Abstände sind gering – die Rechnung der Organisatoren ging voll auf. Auch die Etappen in den Alpen sind, abgesehen von der Ankunft am Izoard, nicht sein Lieblingsterrain. Aber Froome ist dennoch der Top-Favorit. Denn am vorletzten Tag der Tour wird das zweite Einzelzeitfahren dieser Tour ausgetragen und alle anderen Favoriten werden wohl Zeit verlieren. Froome muss nicht angreifen, er kann verwalten, das ist ein großer Vorteil.

Prognose: Toursieg

 

Fabio Aru (2. +0:18 min) – starker Fahrer, schwaches Team

Was die Streckenplanung betrifft, gilt für Fabio Aru im Vergleich zu Chris Froome ziemlich genau das Gegenteil. Aru ist ein Angreifer, explosiv und schnell bergab. Die Rampen liegen ihm mehr, als die langen „Bolzer-Berge“. Der Italiener schlägt sich bei dieser Tour überraschend gut. Dass er das Gelbe Trikot in Rodez abgeben musste, lag an seiner schlechten Position im Finale. Ob das nun eher sein Fehler war, oder der des Teams, kann man diskutieren. Fest steht aber, dass er nach dem Ausfall von Jakob Fuglsang und Dario Cataldo kaum noch starke Helfer für die Berge hat. Das kann für ihn zum Problem werden. Er muss selbst mitgehen, kann seine Kräfte nicht kalkuliert einsetzten, sondern muss genau auf die Konkurrenz schauen. Passiert ihm ein Defekt, wie ihn Chris Froome auf der 15. Etappe ereilte, kann Aru die Tour abhaken. Man darf gespannt sein, wie sich der Italienische Meister in den Alpen schlägt.

Prognose: Top-5

 

Romain Bardet (3. + 0:23 min) – starker Fahrer, starkes Team, stark genug?

Romain Bardet trennen vor der Schlusswoche der Tour nur 23 Sekunden vom Gelben Trikot. Er hat ein extrem starkes Team an seiner Seite und wird keine Gelegenheit auslassen, Froome anzugreifen. Diese Tour ist seine große Chance. Das weiß der Franzose und er wird viel riskieren. Das Zeitfahren am vorletzten Tag dürfte ihm Kopfzerbrechen bereiten, denn er wird dort wohl mehr als eine halbe Minute auf Chris Froome verlieren. Das bedeutet für ihn für die Alpen nur eines – Attacke. 
Das Terrain ist gut für ihn, vor allem die 17. Etappe. Das Ziel ist nicht am Gipfel des Galibier, sondern nach einer Abfahrt. Würde die Etappe bereits nach dem anspruchsvollen ersten Teil der Abfahrt zum Col du Lautaret enden, und nicht erst in Serre-Chevalier, wäre das für Bardet noch besser, denn er ist ein sehr guter Abfahrer. Denn die letzten 19 Kilometer geht es auf einer breiten Straße gen Serre-Chevalier. Hier kann eine Gruppe gegenüber einem einzelnen Fahrer wieder viel Zeit gutmachen. Aber vielleicht ist genau das am Ende auch gut für Bardet, falls er im Anstieg die Konkurrenz abhängt und dann in der Abfahrt noch einen Helfer hat, der sich aus einer Spitzengruppe hat zurückfallen lassen. Vielleicht, hätte, wenn – diese Überlegung soll zeigen, dass Bardet Optionen hat. Er muss zwar angreifen, aber nicht verzweifelt und ohne Plan. Der Rückstand ist klein, die Chance ist groß – Bardet wird bei dieser einmaligen Chance nichts unversucht lassen.

Prognose: Podium

 

Rigoberto Uran (4. +0:29 min) – lange unterschätzt, jetzt gefürchtet

Der 30-Jährige Kolumbianer fährt die Tour seines Lebens, wird aber meist übersehen. Aru, Froome, Bardet – alle konzentrieren sich auf das Favoritentrio. Doch Uran hat nur 29 Sekunden Rückstand auf Gelb. Dazu ist er neben Froome der beste Zeitfahrer der Top-Favoriten. Der Kolumbianer hat beim Auftakt in Düsseldorf fast eine Minute verloren und fliegt bei vielen Favoriten unter dem Radar. Dabei war er immer bei den Besten. Uran ist in einer super Form und ist nicht in der Rolle, das Rennen offensiv gestalten zu müssen. Das liegt ihm sehr, denn sein Team ist wohl auch nicht stark genug, das Rennen in Sky-Manier zu dominieren. Doch sollte Froome mal eine Schwäche zeigen, wird Uran diese eiskalt ausnutzen. Dass Bardet und Aru die Rolle der Angreifer übernehmen, ist die ideale Konstellation für Uran. Schwächelt Froome in den Alpen und holt sich Uran im Zeitfahren das Gelbe Trikot, soll sich niemand beschweren – denn alle sind gewarnt. 

Prognose: Podium

 

Daniel Martin (5. +1:12 min) – Abteilung Attacke

Er hätte Gelb an, wäre Richie Porte nicht genau vor ihm am Mont du Chat gestürzt. Rein rechnerisch, natürlich. Zwar stimmt es, dass Martin dort den Rückstand kassierte, der ihn sicher schmerzt, doch das Rennen wäre ganz anders verlaufen, wenn er tatsächlich in den Pyrenäen das Trikot übernommen hätte. Man hätte ihm die Verantwortung fürs Rennen gegeben und angegriffen, sobald sich die Möglichkeit bietet. Für den Iren und sein Quick-Step-Team wäre das sicher zum Problem geworden. Denn Martin hat kaum Helfer in den Bergen. Er schlägt sich allein durch, versucht mitzugehen und gezielt zu attackieren. Weil er Rückstand hat, lässt man ihn auch mal gewähren. Doch es ist kein Zufall, dass Martin nur 72 Sekunden hinter Froome liegt, trotz Sturz im Jura! Er ist in super Form und an den langen Anstiegen vielleicht sogar der Stärkste. Vor allem auf dem Weg zum Izoard sollte man ihn nicht aus den Augen lassen. Doch selbst wenn er Gelb übernehmen könnte, bliebe er nicht der Favorit. Das Zeitfahren in Marseille behagt ihm nicht. Zwar gibt es dort einen Anstieg, was für ihn ohne Frage gut ist, doch er wird dort Zeit verlieren. Mit einer Minute Vorsprung auf Froome müsste er wohl ins Zeitfahren starten, um eine Chance auf Gelb zu haben. Rechnet man den aktuellen Rückstand dazu, wird das eine schwere Aufgabe. Doch er hat nichts zu verlieren, kann nur gewinnen. Schauen sich die Konkurrenten an, kann er von deren Rivalität profitieren. Egal wie es am Ende ausgeht, nur mitrollen wird Dan Martin bis zum Gipfel des Izoard nicht.

Prognose: Top-5

 

Die weiteren Etappen

16. Etappe (18. Juli) | 165 km | Le Puy en Velay– Romans-Sur-Isére
17. Etappe (19. Juli) | 183 km | La Mure – Serre-Chevalier
18. Etappe (20. Juli) | 178 km | Briancon – Izoard (Bergankunft)
19. Etappe (21. Juli) | 220 km | Embrun – Salon-de-Provence
20. Etappe (22. Juli) | 23 km | Marseille – Marseille (Einzelzeitfahren)
21. Etappe (23. Juli) | 165 km | Montgeron – Paris Champs-Èlyèes

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