Vasil Kiryienka

In seinem Leben als Radprofi hat Vasil Kiryienka so gut wie alles erlebt. Mit seiner Erfahrung ist der Routinier beim Sky-Team eine feste Größe.  „Eigentlich überrascht mich nichts mehr, schließlich war das jetzt meine 18. Grand Tour“, sagte der 36-jährige Edelhelfer des nun vierfachen Tour-Siegers Christopher Froome nach der Siegerehrung in Paris. „Aber es waren drei verdammt harte Wochen. Ich war zwar generell gut drauf, hatte aber zwei Tage, an denen ich mich richtig scheiße gefühlt habe. Das war zum einen die achte Etappe, bei der ich einfach nichts drauf hatte, und zum anderen die 15. An dem Tag bin ich so lange die Berge von vorne hochgefahren, dass ich letztlich in der Gruppetto richtig kämpfen musste. Das ist mir bei solch einem Rennen noch nie passiert – und das sagt alles über das Niveau dieser Tour“, so der ehemalige Zeitfahrweltmeister. 

 

Froome war nervös

Kiryienka verrät auch, dass die geringen Abstände zwischen den Favoriten der Gesamtwertung den Sky-Kapitän ein wenig nervös machten. „Ich sage das mal so: Chris musste ab und zu echt mit den Nerven kämpfen, weil er diesmal wirklich gefordert wurde. Das hat er bravourös gemacht, aber es gab richtig emotionale Momente“, sagte der erfahrene Weißrusse. „Vor allem kann ich mich an diesen Reifenschaden bei der 15. Etappe erinnern. Das war die ungünstigste aller Situationen, und wir mussten als Team alles, aber wirklich alles geben, um Chris wieder nach vorne zu fahren. Da hat er viele spannende Sachen gesagt, die man allerdings lieber nicht drucken sollte. Aber das ist für mich normaler, als wenn er völlig ruhig geblieben wäre. Chris ist ja auch nur ein Mensch, und das ist gut so.“

 

Brailsford emotional

Das Team um Froome versuchte ruhig zu bleiben.  „Sowas beeinflusst uns als Team eigentlich nie. Das hat sehr viel damit zu tun, dass die Teamleitung alles dafür tut, um Sportler zu schützen. Ich fahre schon seit fünf Jahren bei Sky und wir haben immer unsere Sache durchgezogen, ohne zu viel nachzudenken“, betont Kiryienka, der selbst den dritten Platz beim Auftaktzeitfahren in Düsseldorf eingefahren hat. „Wobei ich auch sagen muss: Einen solch emotionalen Dave Brailsford, wie beim Zeitfahren in Marseille haben wir noch nie erlebt. Wir waren alle beeindruckt, dass er überhaupt solche Emotionen zeigen kann. Aber auch das ist mehr als verständlich: Schließlich stand Dave nicht weniger unter Druck als Chris.“

 

Kwiatkowski überraschte alle

Als Schlüssel für den vierten Gesamtsieg von Chris Froome bezeichnet Kiryienka – nicht wirklich überraschend – die Form von Mikel Landa und Michal Kwiatkowski. „Mit Geraint Thomas haben wir ganz früh einen Fahrer verloren, der für das Tour-Aufgebot des Sky-Teams unverzichtbar ist. Daher war es für uns nicht klar, ob wir diesen Verlust überhaupt kompensieren können“, meint er. „Was Mikel und Michal geleistet haben, war ungefähr so viel wert, wie die Leistung einiger Teams hier – und zwar zusammengerechnet. Mikel ist unfassbar stark gefahren. Es ist echt schade, dass er Pech im Kampf um das Podium hatte. Aber Kwiato, der hat sogar uns alle überrascht. Wir haben nicht damit gerechnet, dass er so stark sein wird.“

 

Noch 2-3 Jahre auf Top-Niveau

Kiryienkas Vertrag beim Team Sky läuft am Ende des Jahres aus, der Weißrusse, der für seine Arbeit bei der 104. Tour de France oft von der Mannschaft gelobt wurde, ist jedoch guter Dinge, dass er beim britischen Rennstall bleiben wird. „Wir haben während der Tour nicht über einen neuen Vertrag gesprochen, aber alle Anzeichen stehen dafür“, sagt „Kiry“, wie er im Fahrerfeld genannt wird. Der 36-Jährige möchte gern noch zwei-drei Jahre auf dem World-Tour-Level fahren, die Beine dafür hätte er sicherlich.