„No road, no problem“, so titelte das populäre US-amerikanische Magazin Men’s Journal aktuell in einem Artikel über das Graveln, der noch recht neuen Fortbewegungsart auf zwei Rädern. Wörtlich übersetzt bedeutet Gravel zwar Schotter, aber das Graveln gilt als Synonym für das Fahren abseits der Straße; eben dort, wo mit einem Rennrad kein komfortables Vorwärtskommen mehr möglich ist.
Fahrspaß abseits der Straße
Das Graveln, oder Offroad-Fahren, findet immer mehr Anhänger, denn es ist ganz anders als klassisches Rennradfahren. Der Wechsel ins Gelände entschleunigt. Ohne einen zwanzig Tonnen schweren LKW im Nacken oder aufgeregte selbsternannte Sheriffs in ihren Autos lässt es sich viel entspannter Pedalieren: Auf Wald-, Forst- und Wiesenwegen nebeneinander fahren und sich auch mal in Ruhe unterhalten, während man die Umgebung genießen kann und nebenbei ganz neue Wege und Pfade entdeckt.
Die angesprochene Entschleunigung heißt aber nicht zwingend, dass beim Graveln nur gemütlich gefahren werden muss. Denn dort wo der Asphalt aufhört, fängt der Fahrspaß erst richtig an. Auf Waldautobahnen lassen sich mit Gravelbikes auch Geschwindigkeiten von 30 bis 40 km/h erreichen und wer auf den Singletrail wechselt, kann sich dort ganz geschmeidig in die Kurven legen und den vielzitierten Flow erleben.
Ob Touren, Training oder sogar Rennen – Graveln offeriert dem Biker viele Möglichkeiten. Für ein paar Stunden durch den Wald, um den Kopf frei zu machen oder gar mehrere Tage auf Schotterpisten durch die Toskana oder die Dolomiten, auch immer mehr Destinationen entdecken den Gravel-Biker als sportlichen Gast. Oder der Gravel-Biker mutiert zum Bike-Packer und kreiert sein eigenes Abenteuer – am Lagerfeuer und mit Zelt.
Als Alternative zum Rennrad-Training ist das Graveln geradezu ideal, da es dauerhaft Druck auf dem Pedal verlangt und so in viel kürzerer Zeit einen wohltuenden Reiz setzt. Auch bei widrigsten Bedingungen macht das Training Spaß, denn mitten in der Natur gehören deren Launen auch einfach dazu; Nässe von unten oder oben stört keineswegs, verändert höchstens das Fahrverhalten auf rutschigem Geläuf. Anders als klassisches Rennradfahren ist Graveln eine Allwetter- und Ganzjahressportart.
Gravel-Events nehmen zu
Wer will, kann sich sogar im Gelände mit anderen messen. Dafür gibt es die unterschiedlichsten Veranstaltungen, besonders im angelsächsischen Raum sind Gravel-Rennen mittlerweile etabliert. Der US-amerikanische Radsportverband hat sogar eine eigene Kategorie dafür eingeführt. Populär in den USA ist beispielsweise das Dirty Kanza 200, das wohlgemerkt 200 Meilen also über 300 Kilometer lang ist und knapp 4000 Teilnehmer zählt, sowie der Grinduro, ein Mix aus Gravel-Ausfahrt mit Enduro-Abschnitten.
Auch die Radprofis haben das Graveln für sich entdeckt. Mittlerweile führen einige Profirennen über unbefestigte Straßen, allen voran die Strade Bianche auf den weißen Schotterpisten der Toskana oder die Tro Bro Leon auf den Naturwegen der Bretagne. Der belgische Klassiker Gent-Wevelgem hat 2017 einen Naturpisten-Abschnitt bekommen und selbst die Tour de France soll 2018 über unbefestigte Wege führen.
In Deutschland wächst die Gemeinde der Graveler und mit ihnen kommen immer mehr Events hinzu. Eines der bekanntesten ist der jährlich stattfindende Gravel Fondo im Schwarzwald, bei denen eine Ausfahrt im Gelände mit auf Zeit gefahrenen Strava-Segmenten gepaart ist.
Gravelbike – das Rennrad fürs Gelände
Gegravelt werden kann auf allem, was im Gelände komfortabel vorwärts rollt, beispielsweise auf Mountain- oder Trekkingbikes. Ideal sind natürlich spezielle Gravelbikes. Ein Gravelbike ist „das“ Rennrad fürs Gelände, besitzt es doch dessen DNA. Anders als das Cyclocross-Bike, das speziell für den Rennsport konzipiert wurde, überzeugt der Graveler mit einem längeren Radstand und der damit verbundenen Laufruhe. Über eine Komfort-Geometrie, die an ein Marathon-Rennrad erinnert, lässt sich eine entspannte Sitzposition einnehmen.
Die profilierten und bis zu 40 Millimeter breiten Reifen „schlucken“ Schläge, dämpfen Bodenunebenheiten und geben perfekten Grip auch auf Matsch und Modder; die modernen Scheibenbremsen verzögern in jeder Situation schnell und sicher. Durch all diese Eigenschaften und seine Ausstattung ist solch ein Gravelbike vielseitig einsetzbar und bügelt selbst auf ramponierten Radwegen jedes Schlagloch und jede aufgebrochene Wurzelwelle einfach weg. Fahrspaß pur eben – auf allen Wegen.