Stephan Geiß

Im vergangen Jahr fand das Gravel Fondo zum ersten Mal statt, im September steht die zweite Auflage an – worauf freust du dich am meisten?

Auf die besondere Stimmung. Es gibt keinen Rennstress, alle sind entspannt. Es ist ein Zusammensein von Leuten, die eine neue Art des Radfahrens feiern – so könnte man vielleicht am besten beschreiben, was es ausmacht. Ich hoffe einfach, dass es uns erneut gelingt eine solche Atmosphäre zu schaffen.

Und ich bete natürlich, dass wir wieder so tolles Wetter haben wie im vergangenen Jahr, als wir im Herbst bei strahlendem Sonnenschein auf dem Feldberg im T-Shirt saßen. Das war einfach grandios. 

 

Was hast du aus dem letzten Jahr gelernt, was willst du anders, vielleicht besser machen?

Das klingt jetzt vielleicht komisch, aber ich muss sagen, dass ich sehr zufrieden wäre, wenn es wieder so gut wird, wie im vergangenen Jahr. Nach der tollen Premiere liegt die Latte jetzt sehr hoch und ich hätte eher Angst, dass wir da nicht wieder rankommen. Ich wünsche mir einfach, dass es mindestens genauso gut wird.

Aus dem Feedback der Teilnehmer habe ich mitgenommen, dass wir den familiären Charakter beibehalten müssen. Es soll weiter eine kleine, aber feine Veranstaltung sein. Deshalb werden wir sie auch nicht aufblasen. Ich denke, mehr als 250 Teilnehmer sollte diese Form von Veranstaltung nie erreichen. Da kann man eher über mehrere Events nachdenken, aber es definitiv nicht zu groß machen.

Was hat den Teilnehmern besonders gefallen?

Das es keinen Stress gab. Die meisten hatten bereits an anderen Rennveranstaltungen teilgenommen – und egal wo, nach dem Start geht es meist mit Vollgas los. Dieses Start-Szenario kann toll sein, passt aber nicht so richtig zum Graveln. 

Das Gravel Fondo ist anders. Klar, auch fordernd, aber du kannst dich auf deine Leistung konzentrieren und musst auch keine Angst haben, dass dich irgend jemand abschießt. Deshalb auch die Idee mit den Strava-Segmenten, wo man es krachen lassen kann, wenn man will. So kannst du einerseits die Routen genießen, aber wenn du Lust hast, eben auch dich selbst, oder deine Kumpels per Strava-App herausfordern.

 

„Kein Stress“, war das auch Kern der Idee?

Ja. Im Hinterkopf war das definitiv das Motto. Man hat es in den Anfangsjahren bei den Enduro-Rennen im Mountainbike-Bereich gesehen, dass eine angenehme Atmosphäre entstand, weil du diese, ich nenne sie jetzt einfach mal Überführungsetappen, hast. Da kannst du stressfrei mit deinen Kumpels fahren und du kannst dich über den letzten Abschnitt unterhalten. So hat man diesen Wechsel aus Anspannung und Entspannung.

Genau das finde ich sehr gut und deshalb war es mir auch wichtig, dass wir beim Gravel Fondo keinen Modus haben, bei dem man losfährt und dann der gewinnt, der als Erster im Ziel ist. Ich wollte die Leute animieren, sich Zeit zu nehmen. Denn genau das ist es, was dem Gravel-Bike gerecht wird.

Man könnte auch Rennen fahren, klar, aber das Gravel-Bike ist etwas, was dich vom Trubel wegbringt. Damit das nicht falsch verstanden wird, ein Gravel-Ride ist schon sehr anstrengend, aber es geht eben auch um Genuss und vor allem darum, dem Stress der Straße und dem Verkehr zu entkommen.

Stephan auf Streckensuche

Ihr habt bei Votec ein Gravel-Bike entwickelt – kam die Idee zum Gravel Fondo nach dem Gravel-Bike, oder schon vorher?

Die Idee brodelt schon sehr lange in mir und ich muss jetzt etwas ausholen (lacht). Denn der Funke für dieses Format ist bei einer Veranstaltung übergesprungen, bei der ich vor Jahren am Start war. Diese hieß Critical Dirt und ich glaube es war 2011, als ich mitfuhr.

Es war eine inoffizielle Veranstaltung und es ging von Göttingen nach Görlitz über gemischte Untergründe mit rund 80 Teilnehmern. Ich meine mich daran zu erinnern, dass es drei Etappen waren und dass es von einer Gruppe von Radsportlern aus dem Leipziger Raum organisiert wurde. Das war ein sehr ambitioniertes Team, einige sind übrigens auch in der Radbranche tätig.

Vielen waren dabei mit Cyclocrossern unterwegs, weil es eben auch dort über Schotter, Matsch und Straße ging. Damals haben wir es noch Langstrecken-Cyclocross genannt. Es war eine der schönsten Veranstaltungen bei denen ich je war und ich habe immer gehofft, dass die Jungs wieder ein solches Event auf die Beine stellen.

So hatte ich immer dieses Event-Format im Hinterkopf. Und als dann bei uns im Team bei Votec die Idee eines Gravel-Bikes reifte, habe ich gleich daran gedacht, so eine Veranstaltung zu machen. Unser Gravel Fondo trägt also auch ein wenig die DNA dieses Events der Leipziger Jungs. Was bei uns nun natürlich neu ist, sind die Strava Segmente, das gab es damals noch nicht.

 



 

Wie findest du die Strecken?

Ich habe durch die Familie eine Verbindung zum Schwarzwald. Daher bin da selbst viel mit dem Gravel Bike unterwegs und kenne dort nahezu jeden Winkel und die abgelegensten Routen. So war es eigentlich schon vor der ersten Veranstaltung klar, dass es da stattfinden wird, übrigens auch weil wir unsere Votec-Räder da testen.

 

Graveln ist allgemein ein Trend. Ihr als Unternehmen wart mit dem Votec Gravel-Bike recht früh dabei. Habt ihr den Markt analysiert, die Trends in den USA beobachtet oder woher kam der frühe Entschluss auf diese Nische zu setzen?

Auch das war ein natürlicher Prozess und keine kühle Strategie. Wie schon erwähnt, bin ich früher selbst Mountainbike-Rennen und auch Cyclocross-Rennen gefahren. Dabei habe ich immer wieder gemerkt, dass das Cyclocross-Rad das universellste Rad war, bei dem ich am ehesten aus der Tür trete und direkt Spaß habe – abseits des Trubels der Straße. Natürlich geht das auch mit dem Mountainbike, aber da faszinieren mich eher Trails oder spezielle Strecken. Und auch das Thema „Strecke machen“ hat seinen Reiz. So ist ein Zwischending aus Rennrad und Mountainbike perfekt.

Nun hätte man auch beim Cyclocross-Rad bleiben können, aber diese sind eben doch für den Wettkampf gemacht und nicht perfekt geeignet, um etwa eine 100km Tour über Schotter zu machen. So haben wir damals unsere Cyclocross-Räder in der Offseason gepimpt: mit breiteren Reifen, als wir im Rennen fahren würden, den Vorbau ein wenig raufgestellt und so weiter.

Als es dann bei VOTEC um die Entwicklung eines Cyclcrossers ging, tauchte bei uns im Produktmanagement-Team um Holger Weiser die Frage auf, warum wir ein Cyclocross-Rad machen sollen, wenn wir es dann am Ende 90% des Jahres doch irgendwie zweckentfremden und nicht auf einem durchweichten 2-km-Rundkurs einsetzen. So kam der Entschluss, aus dem dafür perfekten Bike ein fertiges und praxisnahes Produkt zu machen – das war das Gravel-Bike.

Es heißt übrigens nicht, dass ein Gravel-Bike nicht auch bei einem Cyclocross-Rennen funktioniert, gerade auf den moderneren Kursen kann das sogar Vorteile haben. Natürlich haben wir auch gemerkt, dass es in den USA diesen Trend gab, der natürlich auch durch das Straßensystem der USA begünstigt wird, aber es war eher eine Bestätigung, diesen Weg zu gehen, als ein Auslöser.


 

Graveln wird nun auch in Deutschland immer beliebter. Was glaubst Du, woran liegt das? Sind das Menschen, die so ticken wie Du, oder ist das ein neuer Typ Radfahrer?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Ich denke, das es beides gibt. Ich glaube schon, dass es Menschen aufs Gravel-Bike zieht, die aktuell Mountainbike fahren. Auch Rennradfahrer werden das Gravel-Bike entdecken. Aber es wird auch neue Leute geben, die sich vielleicht nicht so recht aufs Rennrad getraut haben, jetzt aber mit dem Gravel-Bike das finden, was sie sich wünschen. Vielleicht auch, weil sie ein Allround-Rad suchen, mit dem sie morgens zur Arbeit fahren, aber am Wochenende eben doch auch eine große Tour machen können.

 

Zurück zum Gravel Fondo, was würdest du sagen, muss man mitbringen, um dabei wirklich Spaß zu haben?

Man sollte grundsätzlich ein geeignetes Rad haben, um dort mitfahren zu können. Denn wir fahren schon viel auf Schotter, aber der ist meist sehr fein und verdichtet, so dass man dort auch mit dem Rennrad fahren kann. Ich sage immer, mit einem Rennrad ab 28-mm-Reifen kannst du mitfahren, ohne zu fluchen. Aber ab mindestens 30-mm-, eher 35-mm-Reifen, und mit einem Gravel- oder Cyclocrossbike macht es definitiv am meisten Spaß. 

  

Und wie fit muss ich sein?

Die Strecken sind schon herausfordernd. Wir haben am ersten Tag 85–90 Kilometer mit 2300 Höhenmetern. Das klingt jetzt nicht so krass, aber auf Schotter fühlt sich das nach Mehr an. Man ist schon einige Stunden unterwegs und sollte sich darauf einstellen. Aber wir haben in diesem Jahr die Möglichkeit eingebaut, dass man sich unterwegs für eine kürzere Strecke entscheiden kann. Diese Kurz-Strecke ist genau so schön, hat rund 70 Kilometer und 1700 Höhenmeter, ist also wirklich machbar.

Im letzten Jahr waren auch einige Teilnehmer unsicher, ob sie es schaffen. Aber es haben wirklich alle geschafft. Wir versuchen es durch einige Verpflegungsstationen einfacher zu machen. Da gibt es auch mal ein belegtes Brot und nicht unbedingt Astronauten-Nahrung. Hier kann man sich dann auch mal Zeit für eine längere Pause nehmen.

Wenn man es sich als Tagesaufgabe vornimmt, kann es jeder, der regelmäßig, ambitioniert Rennrad fährt und sich dem Thema nahe fühlt, gut bewältigen.

 

Gibt es einen Zeitschluss?

Es gibt schon ein Limit, aber das ist so großzügig gewählt, dass da niemand Probleme bekommt. Es gab im vergangenen Jahr eine kleine Abkürzung, die auch einige genommen haben. In diesem Jahr ist es durch die Kurz-Variante noch zusätzlich entschärft. So muss sich niemand davor fürchten.

Vor allem, weil es ja nicht immer im Renntempo zur Sache geht und man sich in Gruppen zusammenfindet. Auf diese Art pusht man sich noch gegenseitig ohne in Stress zu geraten, was natürlich auch von uns gewollt ist. So haben es auch 2016 einige geschafft, die vorher gesagt hatten, sie schaffen nie 2000 Höhenmeter auf Schotter im Schwarzwald. Und sie sind dann am zweiten Tag wieder aufs Rad und sind noch eine Etappe gefahren.

 

 

Das VOTEC Gravel Fondo 2017

Termin:
9.–10. September 2017

Strecken:

  • Samstag | 85 km | 2200 Hm
  • Sonntag | 60 km | 1700 Hm
 
 

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