Chris Froome

Chris Froome ist souverän

Egal wer attackiert, Chris Froome kann mithalten. Der Toursieger präsentiert sich derzeit sehr souverän. Er hat sich auf beeindruckende Weise seinen Etappensieg am Cumbre del Sol  geholt und dominiert mit seinem Team bislang diese Rundfahrt. Die Sky-Mannschaft hat die Etappen kontrolliert und wenn im Finale die Post abging, war Froome voll da. Er wirkt stark und vor allem locker. Logisch, mit dem Toursieg in der Tasche könnte er drei Wochen im Gruppetto mitfahren und die Saison wäre trotzdem ein Erfolg.

Er ist am Berg wohl der stärkste Fahrer im Feld und sein Team beeindruckt nahezu jeden Tag. Die Tretmaschinen Ian Stannard und Christian Knees kontrollieren zu zweit auch 15-Mann Gruppen. Jeden Tag aufs Neue. Dennoch wird die Konkurrenz ihn nicht zum Gesamtsieg eskortieren.

Doch selbst die Hoffnung, dass Froome irgendwann die Puste ausgeht, scheint eher klein. Denn der Brite ist mit nur 48 Renntagen in den Beinen zur Vuelta angereist. Doch je näher der mögliche Gesamtsieg für Froome rückt, steigt auch der Druck. Denn es wäre der erste Gesamtsieg nach drei zweiten Plätzen. Die Frage bleibt: Wird Froome nervös?

 

Froome aus dem Sattel

Über die Ästhetik des Radprofis Chris Froome wollen wir nicht diskutieren. Er fährt schnell Rad, sehr sogar. Oft schneller als der Rest. Wer vier Mal die Tour gewinnt ist erhaben über Style-Diskussionen. Selbst wenn er rückwärts fahren würde und dabei mit dem Kopf zwischen den Beinen durchguckt – wenn er der Schnellste ist, macht er wenig falsch.

Doch auch Chris Froome verändert sich und lernt nie aus. Ja, er kann nun schon etwas länger schnell bergab fahren, er kann sogar den „Mohoric“, also treten während er auf dem Oberrohr sitzt. Aber bei dieser Vuelta fiel nun zusätzlich auf, dass er häufiger aus dem Sattel geht. Ja, auch Chris Froome steht hin und wieder mal auf, aber dass er bei einer Attacke aus dem Sattel geht, ist sehr selten zu beobachten. Bei dieser Vuelta konnten wir es mehrfach sehen. Mal sehen, was als Nächstes kommt.

 

Rundfahrt für Ausreißer – nix für Sprinter

Nur eine der neun Etappen wurde in einem Massensprint entschieden. Klar, ein Mannschaftszeitfahren, zwei Bergankünfte und reichlich Höhenmeter sind Gift für die endschnellen Männer. Aber die Vuelta macht sicher keinen Fehler, wenn sie den Parcours so gestaltet.

Denn man darf die Frage stellen, wie viele der Top-Sprinter zusätzlich zur Spanien-Rundfahrt gekommen wären, wenn es sieben topfebene Teilstücke gegeben hätte. Die Saison war bereits lang und die Tour ist der Sprinter-Höhepunkt – viele wären es wohl nicht gewesen.

Zudem hätte es in diesem Jahr immerhin fünf Chancen auf einen Sprint gegeben. Doch je weniger Sprinter im Feld sind, desto weniger Teams wollen kontrollieren und desto schwerer wird es. So haben die Ausreißer bessere Chancen. Die Vuelta 2017 ist nix für Sprinter, aber das tut dem Unterhaltungswert keinen Abbruch. Eher im Gegenteil, denn diese Spanienrundfahrt bot in den ersten neun Tagen beste Radsport-Unterhaltung.

 

Noch ist nichts passiert

Neun der einundzwanzig Etappen sind absolviert und die Favoriten haben sich bereits kräftig auf den Zahn gefühlt, sodass man Chris Froome schon in komfortabler Position wähnt. Doch schaut man auf das Gesamtklassement, sind die Abstände noch sehr gering. Ilnur Zakarin trennen als Gesamtzehnten nur 2:15 min vom Roten Trikot. Blickt man auf das Restprogramm dieser Vuelta, kommt man zu dem Schluss: Es ist noch (fast) nichts passiert.

Denn man muss beim Kampf um den Gesamtsieg beachten, dass es nicht nur auf das Ende einer kräftezehrenden Saison zugeht, sondern diese erste Woche brutal hart war – große Hitze, jeden Tag Vollgas und Attacken der Favoriten. Es wäre also keine Überraschung, wenn einer der Favoriten dieser Herausforderung Tribut zollen muss. Einen schlechten Tag kann jeder haben. Egal wer es ist, wenn man diesen Tag bei einer der schweren Bergetappen hat, ist die Vuelta fast verloren.

 

Esteban Chaves – frisch zum Top-Favoriten? 

Die halbe Saison hat Esteban Chaves aufgrund einer Knie-Entzündung verloren, fuhr vier Monate kein Rennen. Über das Criterium du Dauphine und die Tour de France ist der Kolumbianer nun sehr gut in Schwung gekommen. Er ist frisch in die Vuelta gegangen und hat offenbar trotz des verlorenen Frühjahrs eine sehr stabile Form aufgebaut.

Nur 36 Sekunden liegt Chaves in der Gesamtwertung hinter Froome. Der Brite ist derzeit enorm stark und trägt verdient das Leadertrikot. Doch er hat die Tour in den Beinen und den mentalen Stress dazu. Es waren im Juli drei ganz harte Wochen für Froome und es bleibt abzuwarten, ob ihm gegen Ende der Rundfahrt etwas die Luft ausgeht.

Chaves muss nicht allein angreifen. Nibali, Contador, Aru & Co – sie alle wollen den Briten auch ans Limit führen und abhängen. Davon kann Chaves vielleicht profitieren. Das 40 Kilometer lange Zeitfahren am 16. Renntag wird definitiv nicht nach dem Geschmack des Kolumbianers, aber die schweren Bergetappen bieten ihm gute Gelegenheiten anzugreifen. Dazu hat er mit den Yates-Brüder starke Helfer. Immer bei den Besten mitfahren und auf einen schwachen Tag von Chris Froome hoffen – mit diesem Rezept ist viel drin, sehr viel.