Dan Lorang
 
Herr Lorang, vor knapp einem Jahr haben Sie als Trainer beim WorldTour-Team von Ralph Denk angefangen – was würden Sie dem Dan Lorang von vor einem Jahr mit auf den Weg geben, bevor er zu Bora-hansgrohe geht?

Ich würde ihm sagen: gute Entscheidung. Es wurde alles eingehalten, was versprochen wurde und das gute Gefühl, was ich mit dem Performance-Team von Anfang an hatte, hat nicht getäuscht. Es ist eine gute Atmosphäre und ein respektvoller Umgang – ich würde sagen, es war eine gute Entscheidung.

Abseits davon würde ich ihm vielleicht raten, dass er einfach so weitermachen soll und sich nicht zu sehr zurücknehmen. Wenn man grundsätzlich eine Philosophie hat und überzeugt davon ist, sollte man auch dabei bleiben, unabhängig vom Namen des Sportlers oder seinen Erfolgen.

 

Sie hatten ja zuvor schon Erfahrung im Profi-Radsport, dann aber eine längere Pause gemacht – was hat Sie überrascht?

Es war schon so, dass die Fahrer sehr dankbar waren, über den regelmäßigen Kontakt und den Austausch. Da hatte ich das Gefühl, dass sie diese Intensität nicht gewöhnt waren. Was mich dann schon etwas überrascht hat. Man muss dabei natürlich auch bedenken, dass viele Fahrer erst jetzt den Schritt in die WorldTour gemacht haben, wo feste Teamtrainer Pflicht sind.

Sonst hat mich eigentlich nichts überrascht. Es ging sehr schnell, dass wir uns zusammengefunden haben, auch was das Zusammenspiel von Sportlichen Leitern und Trainerteam betrifft, was nicht immer selbstverständlich ist. Die Sportlichen Leiter haben uns schnell akzeptiert und auch nicht reingesprochen – die Aufgabenverteilung war klar.

 

Welche Entwicklung eines Fahrers hat Sie überrascht, worüber haben Sie sich gefreut? 

Man muss bedenken, dass ich die Fahrer zuvor kaum kannte. Natürlich wusste ich aus den Medien, wer Emanuel Buchmann oder Sam Bennett sind, aber ich habe die Fahrer vorher nicht so intensiv beobachtet. Wenn man jetzt speziell auf Emu (Spitzname von Emanuel Buchmann) schaut, wo es schon einen gewissen Druck gab, weil jeder über sein Rundfahrttalent spricht, dann ist es schon toll zu sehen, dass er wirklich den nächsten Schritt gemacht hat. Nicht nur von den Werten her, sondern auch was die Ergebnisse betrifft. Wichtig ist, dass man einfach gut zusammenarbeiten kann. Natürlich hatte ich vorher ein paar Infos, dass er beispielsweise eher der ruhige Typ ist. Bei uns hat es sofort sehr gut geklappt und ich hab mich gefreut, dass das auch bei ihm so ankam. 

Auch bei Sam Bennett habe ich mich gefreut. Er war oft nah dran, hatte oft auch Pech, wie die Krankheit beim Giro, aber am Ende der Saison lief es dann richtig gut. Auch er ist ein Fahrer, der sehr viel erklärt haben will, sehr akribisch ist, auch mit Werten arbeitet. Einige sagten mir, dass es mit ihm vielleicht etwas schwieriger wird, weil er sich über vieles Gedanken macht. Aber bei uns hat es auch menschlich direkt gepasst und ich kam sehr schnell an ihn ran. 

Wenn es dann noch Fahrer gibt, die ihren Vertrag auch deswegen verlängern wollen, weil sie mit einem Trainer weiter zusammenarbeiten wollen, dann ist das großartig. Man kann schon sagen, dass diese Anerkennung, die eigentlich von allen Fahrern kam, mich am meisten gefreut hat. Denn aus ihrer Sicht haben sie einen neuen Trainer vor die Nase gesetzt bekommen und man kann ja nicht einfach voraussetzen, dass das direkt funktioniert.

Jetzt habe ich Emu und Sam etwas rausgehoben, aber auch Michael Schwarzmann hat sich sehr verbessert. Oder auch Shane Archbold, der lange gar nicht fahren konnte, aber am Ende doch noch gut gefahren ist. Oder Pascal Ackermann, der sich gut auf diesem Niveau eigefügt hat – man freut sich natürlich über jede positive Entwicklung.

 

Was war für Sie als Trainer das größte Rätsel der Saison?

Das war kein Rätsel, aber wenn man einen Fahrer wie Emu hat, der zuvor schon viel trainiert hat und nun den nächsten Schritt machen soll, ist die Frage: Wie geht man die Sache an? Will man als Trainer etwas ausprobieren, was der Sportler vielleicht nicht so sehr mag, dann ist das schon eine spezielle Situation. Vor allem, wenn sich Trainer und Sportler noch nicht so lange kennen. Ob das dann die explosiven Kraftgeschichten sind, oder Zeitfahren auf der Rolle – man sagt als Trainer dann „komm mach das, vertrau mir“. Die zu knackenden Rätsel, sind eher psychologische. Die Frage ist eigentlich immer, wie kommt man an den Sportler ran. Dafür braucht man eine individuelle Strategie.

 

Haben Sie viel experimentiert?

Nein. Ich wollte jetzt aber auch im ersten Jahr bewusst nichts ganz Neues ausprobieren. Es ging darum die Sportler kennenzulernen, auch über Basis-Training und Sachen die man kennt zu gucken, wie sie darauf reagieren. Und natürlich darum, Vertrauen aufzubauen.

Aber ich habe auch einen Sportler, da müssen wir jetzt mal an die Grenze gehen, auch was Umfänge anbetrifft, weil die nächsten Schritte nötig sind. Das muss man mit dem Sportler zusammen machen, weil es sein kann, dass dann mal in einem Rennen nichts zusammenläuft. Wenn man sowas schon im ersten Jahr macht, kann es passieren, dass der Sportler das Vertrauen verliert.

 

Die Strecke der Tour de France wurde nun präsentiert, es gibt ein Mannschaftszeitfahren und es geht über Kopfsteinpflaster – wird das mit den Klassementfahrern speziell trainiert?

Ja, auf jeden Fall. Es steht noch nicht fest, wer bei der Tour starten wird, aber wir werden mit den betreffenden Jungs speziell üben. Vor allem das Mannschaftszeitfahren und auch das Pflaster. Das ist logisch, denn man muss auch auf diese ersten Woche gut vorbereitet sein. Man kann da nicht sagen, ihr kommt da schon irgendwie drüber. Vor allem mit den leichten Fahrern muss man arbeiten. Die können sich da bei den Klassiker-Kollegen vielleicht auch etwas abschauen.

 

Letzte Frage – wie oft hat dich Ralph Denk angerufen, wen er als Kapitän ins Rennen schicken soll?

Deshalb wird mich Ralph nicht anrufen (lacht). Die Entscheidungen treffen eher Lars (Teutenberg, Performance Coach) und Enrico (Poitschke, Sport Direktor), denke ich. Wie das genau im Hintergrund läuft, weiß ich nicht. Aber Ralph Denk ruft mich an, wenn ein Fahrer gut gefahren ist und bedankt sich für die Arbeit. Und natürlich stehen wir in Kontakt und reden darüber, wie sich die Fahrer entwickeln.