Nun geht es in Richtung 2018, fühlst du dich 100% fit?

Ja. Nach der WM-Absage wurde ich komplett durchgecheckt und hatte dann auch eine lange Erholungsphase. Das war sehr wichtig. Jetzt fühle ich mich auf dem Rad wie neu.

Der einzige Saisonsieg 2017 – Dubai Tour, 3. Etappe (© Roth&Roth)

 

So hatte die Bronchitis sogar etwas Gutes, du konntest deine Akkus durch das frühe Saisonende noch etwas mehr aufladen?

Ich wäre lieber gesund gewesen und die WM gefahren, aber ja, so fühlt es sich ein wenig an. Ich hatte Zeit zurückzuschauen und über vieles nachzudenken. Man muss in diesem Zusammenhang auch den Unfall vor zwei Jahren sehen. Ich bin danach noch in eine passable Form gekommen, stand bis zur WM voll unter Strom. Dann habe ich das Team gewechselt, war top-motiviert und habe alles gegeben.

Jetzt hatte ich etwas mehr Pause, konnte das alles reflektieren und mich voll erholen. Ich fühle mich frisch und voll motiviert. Ich war in der Vorbereitung viel früher dran, konnte locker rangehen – dass ich mehr Zeit habe, als die letzten Jahre, hat mir Sicherheit gegeben.

 

Nach schwerem Trainingsunfall: Mit spezieller Schiene am Finger zurück an die Weltspitze (© Roth&Roth)
Hast du dadurch etwas anders gemacht?

Schon. Ich hab wieder angefangen zu laufen, bin auch im Winter raus – für den Kopf ist das einfach gut. Ich bin fest davon überzeugt, dass dieser Winter etwas verändern wird.

 
Was sind die großen Ziele fürs neue Jahr?

Da ändert sich nicht viel – auch 2018 wird es sich um die Monumente drehen. Das sind die Rennen, die mir liegen und auch die Rennen die ich mag. 

 
Grün bei der Tour ist kein Ziel?

Phu, das ist sehr schwer, vor allem solange Peter Sagan im Rennen ist.

 
Gibt es etwas, was Sagan kann, was du auch gern können würdest?

(lacht). Wie er sein Rad beherrscht ist schon stark. Er ist ein anderer Typ und wir haben beide unsere Qualitäten. Ich beherrsche mein Rad auch gut, aber ein lässiger Trick wär schon gut (grinst). Was ich bei einigen Fahrern gesehen habe und ich echt beeindruckend finde, ist freihändig auf dem Hinterrad fahren, dass würde ich auch gern können.

Aber Spaß beiseite, ich konzentriere mich grundsätzlich eher auf mich, als dass ich jetzt neidisch wäre oder mich immer mit allen vergleiche. 

 
Lernst du immer noch dazu?

Klar. Jedes Rennen, jedes Finale ist anders. Ich bin jetzt wirklich schon viele Rennen gefahren, aber es gibt immer wieder neue Situationen. Das macht die Rennen ja auch aus. Wenn es immer gleich wäre, würde es mir wahrscheinlich auch keinen Spaß mehr machen. Bei den Klassikern ist man immer noch aufgeregt vorher, ein bisschen wie vor einer Klausur. Dass muss auch so sein.

Rivalen seit Jahren – Peter Sagan und John Degenkolb (© Roth&Roth)

 

Bei eurem Team Trek-Segafredo bist du für die Klassiker nicht der einzige Kapitän, ihr habt mit Jasper Stuyven einen zweiten Sieg-Kandidaten – wie kommt ihr beide miteinander aus?

Sehr gut. Wir verstehen uns gut und Jasper ist jemand, auf den man sich 100% verlassen kann. Natürlich ist er auch ein Alphatier und hat klare Vorstellungen. Aber wenn er sagt, wir fahren für dich, dann kann man sich darauf verlassen. Das funktioniert richtig gut mit uns.

 
Habt ihr eure Klassiker-Planungen für 2018 schon gemacht?

Wir wollen in der neuen Saison mehr drauf achten, dass wir unser Klassiker-Team im Frühjahr eng zusammenhalten und viele Rennen miteinander fahren. Aber mit Blick auf Sanremo muss man gut überlegen ob man Paris-Nizza oder Tirreno-Adriatico fährt. Für Paris-Nizza spricht, dass man dann genug Zeit hat, sich zu erholen, dagegen spricht aber die Gefahr, dass es dort sehr schlechtes Wetter geben kann. Da muss man gucken, was das Beste ist. Solche Sachen haben wir schon besprochen.

 
Habt ihr für einige Rennen schon die Kapitänsrolle festgelegt?

Nein. Man muss schauen, wer sich dann richtig gut fühlt. Da kann man nicht schon Wochen vorher klar festlegen, wer bei welchem Rennen Kapitän ist. Und grundsätzlich ist es ja für uns ein Vorteil, mehrere starke Fahrer zu haben und im Rennen flexibel zu sein.

 
Wie läuft das dann im Rennen – kommt dann die Ansage aus dem Auto, oder sprecht ihr auch miteinander, für wen gefahren wird?

Natürlich sprechen wir auch im Rennen miteinander. Wir haben immer einen klaren Plan fürs Rennen, aber du weisst nicht was passiert. Du musst dann im Rennen entscheiden, was das Beste für die Mannschaft ist.

 
Hast du etwas verändert, an der Sitzposition geschraubt? 

Kaum. Es ist so, dass ich bei den verschiedenen Rädern leicht unterschiedliche Positionen habe. Natürlich analysieren wir und testen ausgiebig. Vor der Saison haben wir mit gebioMized eine Satteldruck-Messung gemacht. Das war sehr interessant und aufschlussreich, ohne jetzt zu sehr ins Detail gehen zu wollen.

 
In Deutschland zählt vor allem die Tour de France. Du hast Monumente gewonnen, aber der Tour-Etappensieg fehlt dir noch. Nervt es dich, dass in Deutschland fast nur die Tour zählt?

Naja, manchmal ist es schon schade, dass bei der Tour ein zweiter Platz nichts zählt. Da würde ich mir schon wünschen, dass das nicht so einfach abgetan wird. Manchen Journalisten fällt es schwer, den Blick fürs Ganze zu behalten. Wenn wir, wie in diesem Jahr, als Team mit einem klaren Leader ins Rennen gehen und dem alles unterordnen, dann muss auch ich meine Ambitionen zurückstellen.

Manche haben mir das vor der Tour gar nicht geglaubt, als ich gesagt habe, dass ich nicht mit riesigen Ambitionen in die Tour reingehe, sondern wir alles für Alberto geben. Wenn ich dann ohne einen einzigen Anfahrer auskommen muss, ist ein zweiter Platz aus meiner Sicht nicht schlecht. Aber klar, mein Anspruch ist Rennen zu gewinnen, auch bei der Tour. 

 
Was wäre dir wichtiger, endlich der Etappensieg bei der Tour, oder ein zweiter Stein im Regal?

Der Stein, auf jeden Fall!