Niki Terpstra und Philippe Gilbert

1. Ein Sprint einer größeren Gruppe

Ja, Quick-Step ist so stark aufgestellt, wie keine andere Mannschaft. Terpstra, Stybar, Gilbert, Lampaert, Declerq oder Senechal – sie alle könnten im Finale selbst das Rennen in die richtige Richtung lenken. Nicht unwahrscheinlich, dass am Carrefour de l’Arbre noch 3–4 Quick-Step-Fahrer ganz vorn dabei sind, wenn das Finale endgültig eingeläutet wird.

Übermacht ja, aber schaut man sich die Fahrer an, so wird deutlich, dass keiner zu den endschnellsten Männern zu zählen ist. Gibt es einen Sprint mit van Avermaet, Demare oder Stuyven, ist zumindest auf dem Papier kein Quick-Step-Fahrer Favorit. Schafft man es, die Favoritengruppe zu halten, wäre im Sprint alles möglich. Doch natürlich wissen die Belgier das auch und werden versuchen, wie schon in so vielen Rennen zuvor, früh eine Vorentscheidung herbeizuführen.

 

2. Allianzen bilden

Es gibt kein Team im Peloton, dass ähnlich stark besetzt ist, wie die Quick-Step-Mannschaft. So müssten die Teams vielleicht Allianzen bilden, um Quick-Step zu neutralisieren. Ein Beispiel: Greift etwa Niki Terpstra an, müssten die Kapitäne mitgehen. Ist der Angriff neutralisiert, greift der nächste Quick-Stepper an – beispielsweise Philippe Gilbert. Doch welches Team hat nun noch einen Fahrer, der annähernd auf dem Niveau des Kapitäns ist, um diese Attacke mitzugehen? Eben.

Wäre es aber so, dass zunächst Jasper Stuyven den Angriff von Terpstra mitgeht, dann aber die Zusammenarbeit verweigert und die Attacke so neutralisiert, könnte beim Angriff von Gilbert Greg van Avermaet mitgehen und ebenfalls die Attacke im Keim ersticken. Gut, dass ist jetzt ein etwas plumpes Beispiel, aber sollten Situationen entstehen, in denen eine Zusammenarbeit sinnvoll sein kann, werden die Teams das überlegen. Doch bei einem Rennen wie Paris-Roubaix, wo es in Form eines Ausscheidungsfahrens vor allem auf die Stärke ankommt, ist dies ein eher unwahrscheinliches Szenario.

 

3. Selbst früh in die Offensive

Warten bis zum Finale, und sich dann der Übermacht der Quick-Steppen ausliefern ist keine gute Idee? Gut, dann vielleicht selbst das Heft in die Hand nehmen. Greift man früh an, kann man Quick-Step unter Druck setzen, dazu zwingen, in der Nachführarbeit viel Kraft zu verschleudern. Klar, bei fast jedem Angriff eines der großen Namen wird Quick-Step selbst einen Fahrer mitschicken, aber was passiert, wenn Mads Pedersen und Luke Rowe mit Yves Lampaert in einer Gruppe weg sind? Pokert man dann bei Quick-Step? Glaubt man an Lampaert? Will man nicht lieber mit 3–4 Optionen in den Carrefour, als „John Deere“ (Spitzname von Lampaert) allein mit diesen Hasardeuren zu lassen? Ja, klar, Wilfried Peters (sportl. Leiter Quick-Step, erfahren, rau, abgebrüht) lässt sich nicht mit einer Banane hinter dem Busch vor locken, aber der Versuch mit einer großen Tüte Frieten ist es vielleicht wert? Setze sie unter Druck, dann machen sie Fehler – vielleicht auch am Sonntag.

 

4. Sei einfach selbst der Stärkste

Manchmal ist Radsport ganz einfach. So haben wir es am vergangenen Sonntag gesehen, als Niki Terpstra am Gasgriff drehte und selbst Vincenzo Nibali schnell den Drehzahlbegrenzer erreichte. Ohne Nitro-Einspritzung konnte da einfach niemand mitfahren. Diese ist zum Glück für Mensch und Material streng verboten und wurde auch bei der Ronde wieder mit Tablets kontrolliert.

Doch was wenn Peter Sagan einen Sahne-Tag erwischt. Wenn er nur lenken muss und sogar die Gels schon nach Champagner schmecken? Dann reicht es einfach mitzufahren, bei den blauen Quick-Step-Jungs und am letzten schweren Pflasterstück den „Terpstra“ zu machen. Auf dem Weg ins Ziel bleibt dann genug Zeit, sich den Songtext für das Sieger-Interview über Funk durchgeben zu lassen (Terpstra zitierte nach seinem Erfolg bei E3-Harelbke im Interview einen Pop-Song). Blöd nur, wenn auch er wieder ohne Schubspannungswiderstand unterwegs ist.

 

5. Lass sie sich selbst schlagen

Sich darauf verlassen, dass die „Wölfe“ (das Team nennt sich selbst „the Wolfpack“) nun satt sind, weil sie von allerhand Pflastersteinen, Pokalen und Champagner-Flaschen dicke Bäuche haben, ist keine guter Plan. Zumindest Gilbert und Stybar sind heiß wie Frittenfett und Terpstra findet Symmetrien eh gut und will sich den zweiten Stein ins Regal stellen.

Doch auch wenn Quick-Step das stärkste Team am Start hat, gewinnen müssen sie auch erstmal. Defekte, Stürze, Bahnschranken – all das kann den einen, oder anderen Kapitän schnell aus dem Rennen nehmen. Oder, wie Tom Boonen schmerzlich erfahren musste, als er sich im Velodrome dummerweise einbauen ließ und im Sprint nur Zweiter wurde – blöde Fehler passieren selbst den Stärksten.

Abwarten, die anderen machen lassen und sich auf das eigene Ding konzentrieren. Das klingt jetzt nicht nach dem idealen Rezept für einen Radklassiker, aber Paris-Roubaix ist unberechenbar. Fragt mal bei Johan Vansummeren nach, oder Magnus Backstedt. „Es ist egal, wen du vorher als Kapitän aufstellst. Alle müssen versuchen so weit es geht zu kommen, und dann musst du im Finale schauen, wer noch dabei ist“, sagt kein geringerer als Marcel Sieberg.

Quick-Step kann sich selbst schlagen, und das wissen sie. Zudem sind sie immer in der Verantwortung, schaut jeder auf sie, und Peter Sagan ;). Für den Rest ist es legitim, die Satteltasche zu spielen und zur Not im Finale fleißig mit dem Kopf zu schütteln und den „Toten Mann“ zu machen. Es ist Paris-Roubaix, die „Hölle des Nordens“ – wer hier gewinnt, ist schon im Radsport-Himmel.