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Daniel Martinez – das nächste kolumbianische Talent

27. März 2018: Daniel Martinez befindet sich gemeinsam mit seinen Trainingskollegen Julian Cardona und Miguel Eduardo Florez auf einer Trainingsausfahrt nahe ihrer Wahlheimat im toskanischen Montecatini Terme. Plötzlich schneidet ein Autofahrer das kolumbianische Trio, das lautstark protestiert. Der Autofahrer hält an, steigt aus, schlägt Martinez mit einem Faustschlag ins Gesicht K.O. und begeht Fahrerflucht.

Der 22-Jährige Martinez kommt in ein Krankenhaus und muss aufgrund von Gedächtnisschwund zur Beobachtung über Nacht bleiben. Sein Trainer Michele Bartoli berichtete anschließend, dass Martinez zwar seine Stimme erkannt habe, sich dennoch aber nicht an seinen Wechsel vom italienischen Zweitdivisionär Wilier Triestina zum WorldTour-Rennstall Education First-Drapac im vergangenen Winter erinnern könne.

Kurze Zeit später ist er wieder auf den Beinen und kann sein Training fortsetzen. Beim Fleche Wallonne, in Lüttich und bei der Tour de Romandie zeigt er ordentliche Leistungen. Die Kalifornien-Rundfahrt im Mai war einer seiner Saisonhöhepunkte und er konnte zeigen, welches Potenzial er besitzt. Mit starken Leistungen auf den Bergetappen und einem soliden Zeitfahren gelang Martinez erstmals der Sprung auf das Treppchen einer WorldTour-Rundfahrt.

Noch im Schatten von Egan Bernal, Daniel Felipe Martinez (rechts)

Für seinen Sportdirektor Tom Southam alles andere als eine Überraschung. „Wir haben Ende letzten Jahres schon gesehen, wie gut Daniel ist. Er war starker Siebter bei Mailand-Turin, das ist ein schweres Rennen. Dann ist er zu Jahresbeginn in Kolumbien stark gefahren. Wir haben gesehen, wie gut er klettert. Vor allem hier in Kalifornien, wo nicht so sehr um Positionen gefightet wird wie in Europa, kommt ihm das Rennen entgegen. Er ist jung und er lernt schnell“, so der 36-jährige Brite am Rande der Tour of California.

 

„Ich möchte ein Grand-Tour-Fahrer werden“

Auch den Zwischenfall im Training hat der Kolumbianer gut weggesteckt. „Daran kann ich mich kaum erinnern“, sagt Martinez im Mai. „Aber es ist überwunden“, sagt Martinez nach dem Zeitfahren der Kalifornien-Rundfahrt, bei dem er in die Top-10 fuhr und sehr zufrieden war. In den Bergen wollte er bei Egan Bernal am Rad bleiben. Das gelang ihm auf der Königsetappe nach South Lake Tahoe zwar nicht, denn Bernal fuhr in einer eigenen Liga. Aber Martinez verteidigte auf dem Abschnitt mit fast 5000 Höhenmetern seinen dritten Gesamtrang.

„In Kolumbien gibt es derzeit viele starke Fahrer“, sagt Martinez. „Hauptsächlich Bergfahrer wie Egan oder Nairo Quintana, aber mit Fernando Gaviria auch einen Topsprinter. Ich selbst möchte ein Grand-Tour-Fahrer werden“, so der 22-Jährige. Nach zwei Teilnahmen beim Giro (2016 und 2017) steht er nun vor seinem Debüt bei der Tour de France. Dort will er vor allem Helferdienste für seinen 31-jährigen Landsmann Rigoberto Uran verrichten. „Rigo ist ein toller Kerl. Er ist unser Kapitän und ich möchte bei der Tour für ihn arbeiten. Wir sind gute Freunde“, beschreibt Martinez sein Verhältnis zum letztjährigen Tour-Zweiten.

Auch Southam sieht in dem Duo viel Potenzial: „So wie Daniel sich entwickelt, wird er ein wichtiges Teammitglied werden. Er ist ein Kletterer, kann aber auch einigermaßen Zeitfahren. Rigo ist unser Leader und von ihm kann Daniel viel lernen. Sie verstehen sich beide sehr gut. Auch für Rigo ist es gut, einen jungen Landsmann an seiner Seite zu haben“, so Southam.
Der Ex-Profi ist froh, dass Martinez keine körperlichen oder psychischen Folgen aus dem Trainingsvorfall mitgenommen hat. „Der Unfall hat ein Loch in seine Vorbereitung geschlagen. Er musste in einer wichtigen Saisonphase aussetzen, wo normalerweise viel trainiert wird und Rennen gefahren werden. Er kam in die Ardennenwoche nach einer ernsthaften Verletzung. Er musste sich davon regenerieren, aber wir sehen nun, dass er sich vollständig erholt hat. Es geht ihm auch mental gut. Wir sind froh, dass der Vorfall keine langfristigen negativen Effekte hatte.“
Auch wenn Martinez nominell als Helfer für Uran zur Tour fahren soll – in den Bergen ist dem Leichtgewicht durchaus einiges zuzutrauen.

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