Giro-Tour-Double ist möglich

Sowohl Chris Froome, als auch Tom Dumoulin standen sowohl beim Giro, als auch bei der Tour auf den Podium. Es scheint so, als hätten sie damit den Beweis erbracht, dass es doch möglich ist, Giro und Tour in einem Jahr zu gewinnen. Klar, durch die WM war die Pause zwischen Italienrundfahrt und Start der Tour eine Woche länger, aber vielleicht sehen wir das in den kommenden Jahren öfter. Vielleicht bemüht sich die ASO auch darum, um auch den Girosieger zur Tour zu locken. Die Veranstalter des Giro d’Italia hätten sicher nichts dagegen. 

Doch auch ohne diese Extra-Woche scheint der moderne Radsport das Double wieder in greifbare Nähe zu rücken. Die Teams arbeiten an Traningspeaks, die Kräfte werden nach Berechnung eingeteilt und auch die Energieversorgung der Athleten folgt einem wissenschaftlichen Ansatz und geschieht nach System. So sehr dieser neue „Wattmesser-Radsport“ die Rennen berechenbar macht und den Fahrern die Impulsivität abtrainiert, es scheint so, als würde er die alte Regel „es ist unmöglich, Giro und Tour in einem Jahr zu gewinnen“ außer Kraft setzten. Man darf schon jetzt auf 2019 gespannt sein. 

 

Primoz Roglic kann 3 Wochen

Es war eine der großen Fragen vor dieser Tour de France und man kann sie mit „ja“ beantworten. Promiz Roglic kann auch über drei Wochen eine Leistung bringen, die ihn für die Zukunft zu einem Favoriten auf den Gesamtsieg macht. Dass er am vorletzten Tag im Kampf gegen die Uhr noch von Rang drei verdrängt wurde, war überraschend, ist er doch ein herausragender Zeitfahrer. Doch vielleicht musste er für die vielen Angriffe in den Tagen zuvor ein wenig Tribut zollen.

Ruft man sich ins Gedächtnis, dass Roglic beim Mannschaftszeitfahren 1:11 Minuten Rückstand auf Thomas und Froome kassierte und dann im Einzelzeitfahren noch einmal 1:11 auf Froome und 58 Sekunden auf Thomas verlor, sieht man, wie stark er in den Bergen war. Am Ende lag er nur 3:22 min hinter Thomas – bei seiner dritten Grand Tour! Vermutlich wird man ihn bald auf dem Podium einer großen Landesrundfahrt sehen, vielleicht sogar ganz oben.

 

Bonussprints – kein Comeback 2019?

Wir hatten uns schon nach der ersten Woche kurz mit den neuen Bonussprints beschäftigt. In diesem Jahr gab es in der ersten Woche eine Sprintwertung, bei der es 3, 2 und 1 Sekunde zu holen gab. Die Idee war, das Rennen so zusätzlich zu animieren und vielleicht den Kampf um Gelb zu Beginn der Tour etwas spannender zu machen. Doch großen Einfluss hatte es nicht. Nach dem Mannschaftszeitfahren waren die Abstände im Gesamtklassement zwar gering, aber bei max. 3 Sekunden lässt sich wenig bewegen. Die Sprintwertungen haben niemanden gestört, aber so richtig revolutionär war es auch nicht. Vielleicht sollte man den Bonus erhöhen, um mehr Spannung reinzubringen. Bei 10, 6 und 3 Sekunden wird das Ganze sicher ernster genommen. Im nächsten Jahr steht schon am zweiten Tag ein Mannschaftszeitfahren an, vielleicht verzichtet man dann gleich auf die Bonussprints.

 

Kurze Etappen sind toll, diesen Formel-1-Schischi brauchen wir nicht

Dass kurze Etappen die Chance für großartige Etappen ermöglicht, haben wir schon gefühlt 400 mal geschrieben. Das ist toll und gern dürfen bei jeder Grand Tour 1-2 kurze Bergetappen dabei sein! Aber diesen Schischi mit dem Formel 1-Start und Ampel brauchen wir nicht. Dass man die Top-20 des GC vorn hinstellt, dass niemand aufgehalten wird, ist voll ok. Aber Positionen aufmalen, Ampeln hinstellen und alles überhypen – ist eine Show, die man nicht braucht. 

 

Movistar – wohin soll es gehen?

Sie waren mit drei Leadern angetreten und reisen ohne Fahrer in den Top-5 ab. Klar, man hat einen Etappensieg gefeiert und die Mannschaftswertung gewonnen, aber es sollte auch ein Fahrer am Ende auf dem Podium stehen. Quintana hatte schon auf der ersten Etappe Pech und verlor viel Zeit, doch er war auch in den Bergen nicht stark genug. Am Ende stürzte er unglücklich und fiel auf der letzten Bergetappe noch weiter zurück. Doch es hätte wohl auch „weniger Pech“ nicht gereicht, um am Ende auf dem Podium zu landen. Auch Alejandro Valverde war nicht in der Verfassung, ganz vorn einzugreifen. Der Einzige, der die Form hatte, war Mikel Landa. Doch der Spanier stürzte wegen einer Unachtsamkeit auf der Roubaix-Etappe und litt anschließend unter Schmerzen, die ihm eine Top-Leistung in den Alpen unmöglich machten. Nun will Landa offenbar wieder weg von Movistar und Quintana scheint seit Jahren auf der Stelle zu treten. Was tun? Talent Marc Soler in die erste Reihe aufsteigen lassen, oder will der das Team verlassen? Landa, Valverde und Quintana haben jeweils noch ein Jahr Vertrag und sie sollen nun gemeinsam die Vuelta bestreiten. Kann das auf Dauer gut gehen? Valverde ist 38 Jahre alt, selbst er wird irgendwann aufhören. Das Team muss sich Gedanken machen und strategisch arbeiten. Manager Eusebio Unzué ist ein Fuchs und weiß, wie man im Radsport erfolgreich arbeitet – man darf gespannt sein, wohin die Reise geht.

Profil der 18. Etappe der Tour de France 2023 (©A.S.O.)

Bild 1 von 4

 

Zeitlimit = Fairplay?

Radsport ist komplex, das festlegen von Zeitlimits selbst für Strecken-Planungs-Götter eine Herausforderung. Man weiß schließlich nie, wie schwer die Fahrer das Rennen machen, vor allem bei mehreren Bergetappen in Folge. Bei der Tour gab es nun Kritik, vor allem von den Sprintern. An einem Tag wurde während der Etappe das Zeitlimit angehoben – manche Fahrer im Rennen wussten das aber gar nicht und stiegen aussichtslos zurückliegend aus. Allen Beteiligten geht es um Fairplay, denn niemand hat ein Interesse daran, dass zwei Drittel der Sprinter nach den ersten Bergetappen aus dem Rennen sind. Aber hier sind nicht nur die Veranstalter gefragt, sondern auch die Fahrer. Sie haben eine Vereinigung und können gemeinsam mit ihren Mannschaften auf die Veranstalter zugehen. Vor der Tour gab es so gut wie keine Stimme, dass eine Etappe zu schwer für die Sprinter ist – oder hat man sie nur nicht gehört? Statt gegeneinander die Schuld hin- und herzuschieben, sollte man zusammenarbeiten. – Es wäre schließlich im Interesse aller Beteiligten.

 

Fernando Gaviria – oben angekommen

Im August wird Fernando Gaviria 24 Jahre „alt“. Dem Sprinter vom Team Quick-Step wird seit seiner Debüt-Saison 2016, als er gleich drei Erfolge bei WorldTour-Rennen holte und den Klassiker Paris-Tours gewann, eine große Karriere prognostiziert. Im vergangenen Jahr holte er vier Etappensiege beim Giro d’Italia und nun durfte er bei der Tour de France zeigen, was er drauf hat. Und Gaviria schlug direkt ein. Auch dank seines extrem starken Teams holte er zwei Etappensiege, bei seiner erste Tour de France! Dabei hatte man im Vorfeld den Eindruck, Gaviria spürt den Druck auf seinen Schultern mehr, als ihm lieb ist. Schließlich musste er die Lücke füllen, die Marcel Kittel hinterließ. Aber Gaviria lieferte und bewies damit erneut, dass bei Quick-Step auch nach dem Abgang der großen Stars weiter Erfolge am Schnürchen produziert werden. Nach Cavendish kam Kittel, nach Kittel siegen nun Gaviria und Viviani. Beeindruckend. Wenn Gaviria sich weiter so entwickelt, wie bisher, hat er die Chance, der Sprint-Dominator für einige Jahre zu werden. Doch zum „nächsten Mark Cavendish“ gehört mehr als Siege. 

 

Katusha-Alpecin am Scheideweg

Der Saisonverlauf bis zur Tour war wenig zufriedenstellend. Gelinde ausgedrückt. Vier Siege, inklusive des DM-Titels von Tony Martin im Zeitfahren. Bei der Tour war der Druck groß, doch es kam noch schlimmer. Der öffentliche Zoff zwischen Kittel und dem Sportlichen Leiter Konyschev, dann die unglücklichen Stürze von Tony Martin und Robert Kiserlovski und schließlich das Ausscheiden von Rick Zabel und Marcel Kittel in den Bergen. Ilnur Zakarin kam etwas zu spät in Form, dennoch rettete er mit Gesamtrang neun ein wenig die Tour-Bilanz. Doch der Anspruch war sicher ein anderer.

Nun steht man vor dem letzten Drittel der Saison ganz weit unten im World-Tour-Ranking. Nur Dimension Data hat weniger Punkte. Im Ranking nach Saisonerfolgen ist man Letzter. Teammanager Alexis Schoeb sagte vor wenigen Jahren, er wolle das Team umbauen und weiterentwickeln. Internationaler ist die Mannschaft geworden, der Ruf hat sich deutlich verbessert. Nun müssen Lösungen im Performance-Bereich her, denn irgendwann will jeder Sponsor Erfolge einfahren, oder zumindest positive Aufmerksamkeit. Man darf gespannt sein, wie sich die Mannschaft für 2019 aufstellen wird, nicht nur was die Fahrer betrifft.

 

Egan Bernal – der erste kolumbianische Toursieger?

Er ist ein unfassbares Talent. Mit 21 Jahren brummt Egan Bernal an der Spitze des Tour-Pelotons die Berge hoch, dass nur noch eine handvoll Fahrer folgen kann. Beeindruckend. Doch dieses Wunderkind ist nicht nur ein herausragender Kletterer. Dieser junge Kolumbianer ist zudem ein herausragender Zeitfahrer. Diese Kombination macht aus Fahrern Tour-Favoriten. Es dürfte nur noch eine Frage von wenigen Jahren sein, bis Bernal als Leader in eine Grand Tour geht. Entwickelt er sich weiter, bleibt er gesund, sammelt er weiter Erfahrungen und bekommt er die Unterstützung seines Teams, wird er irgendwann auch die Tour gewinnen. Noch sind Rigoberto Uran und Nairo Quintana die großen kolumbianischen Tourhoffnungen, doch Bernal wird sehr bald ganz oben ankommen.

 

Sylvain Chavanel – ein schöner Abschied

Es war seine 18. Tour de France und er rollte an der Spitze des Rennens über den Champs-Élysées. Ein toller Abschied für den Franzosen, der außerhalb Frankreichs nie zu den ganz großen Stars gehörte. Doch Chavanel hat große Erfolge eingefahren, auch bei der Tour de France Etappen gewonnen. Er war starker Zeitfahrer, verlässlicher Helfer und bei Rennen wie den 3-Tagen-von-Depanne Erfolgsgarant. In Ausreißergruppe fuhr er sich ins Herz des Publikums und er genießt hohes Ansehen im Peloton. Es ist eine der schönen Seite des Radsports, dass er sich auch beim wichtigsten Rennen des Jahres auf eine großartige Weise verabschieden kann. Respektvoll, emotional und mit dem Rekord für Tourteilnahmen.