John Degenkolb

John Degenkolbs Tränen in Roubaix gehören in jeden Jahresrückblick. Es war sein erster Tour-Etappensieg, nach einer langen Durststrecke und dem tragischen Trainingsunfall. Er siegt genau an dem Ort, wo er 2015 seinen größten Sieg eingefahren hatte und machte sich endgültig zum Pflaster-König. Die perfekte Geschichte, die mit seinen Tränen und dem Gedenken an den verstorbenen Freund seines Vaters nur noch gehaltvoller wurde.
Dieser Sieg hat ohne Frage eine große Bedeutung für Degenkolb, aber auch für sein Team. Dieser Erfolg rettete der Mannschaft die Tour-Bilanz. Denn GC-Kapitän Bauke Mollema fuhr hinterher und Jasper Stuyven war als Ausreißer glücklos. Degenkolbs Erfolg sorgte für Medienreichweite und die nötige Ruhe – perfekt für seine Mannschaft.

 

Schwache Grand Tours

Degenkolbs Erfolg war der einzige Grand-Tour-Etappensieg im Jahr 2018. Und auch in der Gesamtwertung der großen Rundfahrten spielte man 2018 keine Rolle. Im Jahr eins nach Alberto Contador konnten die routinierten Rundfahrtkapitäne Bauke Mollema und Neuzugang Gianluca Brambilla die Erwartungen nicht erfüllen. So schaffte man es bei keiner der Landesrundfahrten in die Top-15 der Gesamtwertung. Viel zu wenig, für ein solches Team.

 

Nur vier World-Tour-Erfolge

Insgesamt lief es bei den großen Rennen eher bescheiden. Neben Deges Sieg in Roubaix holten nur Jarlinson Pantano bei der Katalonien-Rundfahrt, Jasper Stuyven bei der BinckBankTour und Toms Skujiņš bei der Kalifornien-Rundfahrt Siege auf World-Tour-Level. Maximal eine mäßige Ausbeute, auch wenn man sagen muss, dass der Erfolg von Jasper Stuyven ein Schmankerl für die Zuschauen war und sich die Verpflichtung von Skujiņš insgesamt als sehr guten Griff herausgestellt hat. Und das nicht nur wegen seines Sieges in Kalifornien und bei Tre Valli Varesine. Doch es gab noch mehr positive Ansätze. So zeigte beispielsweise Niklas Eg in Kroatien, dass er durchaus ein ernstzunehmendes Klettertalent ist.

 

Ordentliche Klassiker

Auch bei den Klassikern lief es nicht katastrophal, auch wenn die Siege ausblieben. Stuyven wurde beim Omloop Het Nieuwsblad Vierter, bei E3-Harelbeke Sechster und lieferte bei Kuurne-Brüssel-Kuurne als Ausreißer ein starkes Rennen.  Für Top-Ergebnisse sorgte Mads Pedersen mit Rang fünf bei Dwars door Vlaanderen und seinem sensationellen zweiten Platz bei der Flandern-Rundfahrt. Dennoch hatte man sich beim Team mehr erhofft. Doch nachdem Kapitän John Degenkolb im Frühjahr lange an einer Nebenhöhlenentzündung laborierte und dann auch noch wegen einer Knieverletzung ausgebremst wurde, mussten Pedersen und Stuyven einspringen. 

Doch das Frühjahr war nicht das Problem in Saisonbilanz des Teams. Es klemmte bei den Rundfahrten, auch wenn der Touretappensieg das schwache Auftreten etwas kaschiert. Die Schwachstellen wurden analysiert und das Team wird sich zur neuen Saison verändern.

 

Umbruch

Mit Richie Porte wurde ein Kapitän für Grand Tours verpflichtet, der um Siege mitfahren kann (wenn er sturzfrei durchkommt). Dazu wurde der 21-Jährige Wunderknabe Iván Ramiro Sosa verpflichtet. Der Kolumbianer kommt vom Team Androni Giocattoli-Sidermec und hat die typische Entwicklung eines talentierten Kolumbianers in Europa genommen. Im italienischen Team von Gianni Savio ist er, wie vor ihm schon einige andere erfolgreiche Kolumbianer, früh Profi geworden und hat sich mit der Weltspitze messen können. Nun macht er den Schritt in die World Tour. Angeblich waren mehrere Teams an ihm dran. 

Mit dem Italiener Giulio Ciccone kommt ein weiterer Kletterer, der durchaus auch Potenzial als Klassementfahrer zeigt. Dazu Routinier Will Clarke und Edward Theuns, der nach dem Missverständis Sunweb zurück kommt. Mit dem 22-jährigen Matteo Moschetti hat man einen endschnellen Mann mit Potenzial verpflichtet.

Der letzte Neuzugang ist der inzwischen 26-jährige Luxemburger Alex Kirsch. Als Allrounder und guter Klassiker-Fahrer wird er Degenkolb, Pedersen und Stuyven eine wichtige Stütze sein. Beim ProConti-Team WB Aqua Protect Veranclassic hat er gezeigt, über welche Qualitäten er verfügt und sich für die World Tour empfohlen. 

Verlassen werden insgesamt neun Fahrer das Team. Darunter vor allem Routiniers wie Laurent Didier, Gregi Rast und Boy van Poppel, aber auch Matthias Brändle und Giacomo Nizzolo.

Das Team scheint für das Jahr 2019 sehr gut aufgestellt. Die Klassikerfraktion ist ohnehin sehr stark, dazu hat man nun auch auf starke Rundfahrer in der Mannschaft. Sollte es dem Management gelingen eine Einheit zu formen und vor allem für die Klassiker eine funktionierende Hierarchie zu etablieren, kann es ein sehr erfolgreiches Jahr 2019 werden. Von 2018 bleibt dann eh nur der Triumph und die Tränen von Roubaix in Erinnerung.


Saisonbilanz der Teams 2018 – alle Folgen:

Folge 1 – Die Bilanz der WorldTour-Teams | Das beste Team der Welt

Folge 2 – Team Sky im Soll

Folge 3 – Bora-hansgrohe – mehr als Sagan

Folge 4 – BMC auf Abschiedstour

Folge 5 – Mitchelton-Scott – Yates & Yates + X

Folge 6 – Astana – konstant erfolgreich

Folge 7 – Bahrain-Merida – trotz Pech erfolgreich

Folge 8 – Movistar – fast zu wenig für ein Top-Team

Folge 9 – Sunweb – wenig Siege, aber starke Grand Tours

Folge 10 – LottoNL-Jumbo – Roglic & Groenewegen als Erfolgsgaranten

Folge 11 – AG2R – da geht viel mehr

Folge 12 – mäßiges Jahr für UAE Team Emirates  

Folge 13 – Trek-Segafredo – Degenkolb sorgt für Highlight

Folge 14 – Groupama-FDJ – gutes Frühjahr, solider Sommer, starker Herbst

Folge 15 – Lotto-Soudal – Greipel-Zoff & solide Ergebnisse 

Folge 16 – EF-Drapac – zu wenig Siege

Folge 17 – ein katastrophales Jahr für Katusha-Alpecin

Folge 18 – Dimension-Data – ein verkorkstes Jahr