Vier Zwift-Rennen im Vorab sollten als Vorbereitung reichen. Bereit, mir über die 58,8 virtuellen Kilometer die Seele aus den Beinen zu strampeln, meldete ich mich für die Germany National Championship an. Etwa 300 Starter hatten selbiges vor und so war schon vorher klar – der Kampf um das Trikot mit dem schwarz-rot-goldenen Brustring dürfte ein anspruchsvoller unter den besten Zwiftern des Landes werden.

Statt also an jenem sonnigen und (für die Jahreszeit verhältnismäßig) warmen Sonntagmorgen des 24. Februar meine Kilometer im Freien abzuspulen, wurde der Smarttrainer aufgebaut, genügend Wasser bereitgestellt und der Ventilator auf Maximum gedreht. Rollentraining ist bekanntlich eine schweißtreibende Angelegenheit, doch ein Indoor-Radrennen über fast 90 Minuten setzt dem Ganzen dann doch die Krone auf.


Eric beim Velorace in Dresden


Etwa 20 Minuten vor Rennstart setzte ich mich schonmal auf die Rolle, um das Warm-up ganz professionell abzuspulen. Denn trotz aller Hitzeentwicklung gilt vor allem auf Zwift: Wer am Start nicht eingefahren ist, der ist schnell raus aus der Entscheidung. In Manier eines Cross-Rennens war der Auftakt ein erster All-Out-Sprint. Zum Glück hatte ich mich rechtzeitig in Zwift eingeloggt und so einen vorderen Platz in der Startaufstellung ergattert. Aufgehende Lücken im Feld lassen sich aufgrund des „Double Draft“-Effekts kaum wieder schließen und sorgen schnell für das Ende jeglicher Ambitionen. Dieser Gefahr ging ich so zumindest schonmal aus dem Weg.

Von Anfang an Vollgas

Auf der zweimal zu befahrenden Figure-8-Runde auf der virtuellen Insel Watopia galt es vor allem zu Beginn, Windschatten zu fahren und dann so schnell es nur geht den ersten Anstieg zum Reverse KOM (2,5 km, 2 %, max. 11 %) nach sieben Kilometern hochzujagen. Ein persönlicher Bestwert von 340 Watt für die ersten 14 Rennminuten reichte allerdings nicht, um die Bergwertung in der ersten Gruppe zu passieren. In der zweiten größeren Gruppe fuhren wir zwar weiter ein hohes Tempo, doch das gut 80 Mann starke erste Feld sahen wir nicht wieder.

Nach dem schnellen Rennstart fühlte ich mich zunächst wie nach einem Boxkampf über 12 Runden gegen Wladimir Klitschko (und sah wahrscheinlich auch so aus). So beschränkte sich die Taktik folglich auf Erholung im Windschatten, ohne mich aber an einer der zahlreichen kleinen Wellen auf dem Kurs abhängen zu lassen. Die Strategie ging sehr gut auf und ich hielt mich auch am zweiten Berg, dem Watopia KOM (1 km, 5 %, max. 10 %) im Vorderfeld der Gruppe. Hochmotiviert, einen Platz unter den Top 100 einzufahren, nahm ich die zweite Runde in Angriff und brachte mich für die dritte Bergwertung des Tages, dem zweiten Reverse KOM, in Stellung.

Dann passierte aber das, was für jeden Zwifter in einem Online-Rennen DER Albtraum ist: Aussetzer des Powermeter-Signals und somit Stillstand. Es dauerte ewige 20 Sekunden, ehe das Signal wieder vorhanden war – die Gruppe war natürlich auf und davon. Frustriert und zugegebenermaßen auch schon physisch etwas angeschlagen nahm ich das Rennen wieder auf und fuhr den Berg in meinem Tempo hoch. Da die nächste Gruppe nur etwa 30 Sekunden hinter mir lag, ließ ich mich in der Abfahrt einholen und hoffte, dass wir im weiteren Rennverlauf nochmal zu meinen ehemaligen Gefährten aufschließen würden.

1000 Watt für Platz 120

Stattdessen setzte das Signal allerdings noch zwei weitere Male aus, sodass ich auch den Anschluss an diese Gruppe verlor. Maximal sauer auf die Technik fand ich mich in der Anfahrt zur vierten und letzten Steigung des Tages in einem Feld wieder, aus dem heraus immerhin noch Rang 120 zu vergeben war. Mit diesem neuen Ziel vor Augen ließ ich am Berg nochmal gut 350 Watt und den Großteil meiner Begleiter stehen. Doch wie im echten Leben – meine zwei verbleibenden Mitstreiter und ich waren uns nicht einig über die Führungsarbeit für die letzten sieben Kilometer.

So schlossen die Verfolger wieder auf und es kam zum Sprint um den mittlerweile auch bei mir heißbegehrten 120. Platz. Aus dem Windschatten der Gruppe heraus konnte ich noch einmal die letzten knapp 1000 Watt mobilisieren und so den Sprint für mich entscheiden. Nach dem Rennverlauf über 1:29 Stunden und den technischen Schwierigkeiten fühlte sich das Rennen somit am Ende doch noch wie ein Sieg an.

Den Sprint um Platz eins und somit das Online-Meistertrikot holte sich Ingo Reichart vor Philipp Diegner und Nico Heßlich, die am Ende fast 15 Minuten schneller als ich waren und wahrscheinlich schon geduscht für den restlichen Sonntag auf der Couch lagen, als ich dann auch endlich mal im Ziel war. Bleibt also nur, die Marschroute auszugeben: Nächstes Jahr wieder!