Nerz Buch

Einer der wichtigsten Sätze des Buches findet sich auf der vorletzten Seite. „Am Ende ist Dominik Nerz vom System Leistungssport als untauglich ausgespuckt worden, physisch und psychisch kaputt“. So ausführlich, komplex und gut aufgelöst die Gründe für die gescheiterte Karriere des großen Talentes auf den 281 Seiten zuvor beschrieben wurden, dies ist das nüchterne Bild, das sich aus dem Puzzle einer schwierigen Karriere ergibt. 

Auf den ersten Blick erscheint „Gestürzt“ als Radsportbiografie, aber dieses Buch will mehr. Michael Ostermann hat aufwändig recherchiert, mit Nerz, dessen Familie und vielen Wegbegleitern gesprochen. Über sein ganzes Radprofi-Leben begleiteten Dominik Nerz mentale und physische Probleme, die offenbar auch zusammenhingen.

Nerz erkrankte an Magersucht, konnte Druck nur schwer verarbeiten, malträtierte seinen Körper bedingungslos und war am Ende seiner Karriere mit 27 Jahren ein körperliches Wrack. In Ostermanns Buch wird ein Blick dahinter geworfen, geben Psychologen und Ärzte einen Einblick, erklären die fatalen Folgen der Magersucht und die allgemeinen Probleme des Hochleistungssports. 

Gehirnerschütterung – das Problem mit dem Kopf

Das Thema Gehirnerschütterung und deren Nachwirkungen wurde in vielen Sportarten lange Zeit lax behandelt. Doch seit einigen Jahren hat ein Umdenken stattgefunden und gibt es gute Tests und bessere medizinische Betreuung. Auch Dominik Nerz hatte mit den Folgen einer Gehirnerschütterung zu kämpfen. Nerz hatte die Symptome fahrlässig ignoriert, sie den Ärzten verschwiegen und mit schwerwiegenden Folgen zu kämpfen. Die ungesunde Einstellung zum Thema Schmerz und dessen dramatische Folgen werden im Buch ausführlich und aufschlussreich behandelt.

Ohne Ausweg

Beim Lesen des Buches gewinnt man den Eindruck, dass Nerz‘ Weg vorgezeichnet war. Mit viel Talent und reichlich Anschub aus der Familie war ein Weg vorgezeichnet, dem der Mensch Dominik Nerz nicht gewachsen war. In Nerz Ausführungen findet sich immer jemand anderes, der Schuld ist, dass es nicht lief. Mal wollten ihm Teamkollegen etwas nicht gönnen, mal war es die Teamleitung, die gegen ihn war. 

Manchmal fällt es beim Lesen schwer, sich ein klares Bild zu verschaffen, so gegensätzlich sind die Aussagen von Nerz und anderen Personen, die involviert waren. Am Ende scheint es so, als würden die Probleme von Dominik Nerz tiefer liegen, als die Begleiterscheinungen des Radsportler-Lebens.

Dieses Buch gibt einen guten Einblick in die Dimensionen des Sports und die komplexen Hintergründe des Scheiterns eines sehr talentierten Athleten. Nachdem man das sehr gut geschriebene Buch in Windeseile verschlungen hat, legt man es mit dem Wunsch zur Seite, dass Dominik Nerz seinen persönlichen Weg schnell finden möge und künftig alle Nachwuchssportler die richtigen Ratgeber und Unterstützer zur Seite haben.

–> Das Buch gibt es im Covadonga Verlag –> hier. Es kostet 16,80 €. 

Zur Information: Der Autor dieses Texts ist mit dem Buchautor kollegial verbunden. Michael Ostermann ist gelegentlich freier Autor bei CyclingMagazine.de.