Starkes Duo – Emanuel Buchmann und "Helfer" Maximilian Schachmann

Satte 17 Saisonsiege hat die deutsche Bora-hansgrohe-Mannschaft in diesem Jahr bereits geholt. Nur Astana und Deceuninck-QuickStep durften öfter jubeln. Betrachtet man nur die World-Tour-Rennen, liegt man auf Augenhöhe mit Deceuninck-QuickStep an der Spitze der Radsportelite. Es läuft bei der Truppe von Ralph Denk, und das, obwohl Top-Star Peter Sagan durch eine Magen-Darm-Erkrankung im Frühjahr nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war und erst einen Saisonsieg feiern konnte. 

Es sind die Sprinter und Kletterer, die für ein herausragendes Frühjahr sorgen. Um die Ausbeute des Teams richtig einzuordnen: Man hat bereits jetzt mehr Siege eingefahren, als die Teams Sunweb, Ag2R oder Katusha-Alpecin während der gesamten Saison 2018!

Funktionierende Einheit

Aber es ist nicht die bloße Statistik, die Bora-hansgrohe zu einer Top-Mannschaft macht. Sie gestalten die Rennen, fahren offensiv. Bei der schweren Baskenland-Rundfahrt haben sie dominiert, auch wenn man am letzten Tag den Gesamtsieg noch aus der Hand geben musste. Auffällig ist die positive Entwicklung der Kletter-Fraktion. Denn neben den erfolgreichen Sprintern Sam Bennett und Pascal Ackermann sind es vor allem Neuzugang Maximilian Schachmann, Top-Kletterer Emanuel Buchmann und neuerdings auch Davide Formolo, die für Erfolge sorgen. 

„Es ist einfach eine super Truppe, die richtig gut zusammenpasst“, sagt der Sportliche Leiter Jens Zemke, der mit seinen Jungs bei der Baskenland-Rundfahrt vier von sechs Etappen gewann. „Sie haben Spaß im Rennen und jeder kämpft für den anderen“, erklärt Zemke. Der Sieg von Emanuel Buchmann bei der Mallorca Challenge so früh in der Saison sei zudem mental wichtig gewesen. „Emu (Buchmann) ist wirklich toll gefahren und die anderen haben gesehen, was möglich ist. So hat sich das fortgesetzt“, sagt Zemke im Gespräch mit CyclingMagazine. Von der Mallorca Challenge über Paris-Nizza, die Katalonien-Rundfahrt und jetzt die Baskenland-Rundfahrt war die Gruppe zusammen. „Es hat einfach geflutscht. Sie haben gemeinsam gekämpft, sich in den Armen gelegen und gemeinsam gefeiert. Da war es egal, ob jetzt Emu oder Max das Gelbe Trikot anhatte“, führt Zemke aus, um den Teamspirit zu beschreiben. 

 

Eine Truppe von jungen Wilden

„Wir haben noch keine feste Struktur, wo es einen Leader gibt, und die Rollen ganz klar verteilt sind. Wir sind eine Truppe aus jungen Wilden„, sagt Zemke und man merkt ihm den Stolz durchaus an. Zufällig hat sich das Gefüge aus jungen, sehr talentierten Fahrer nicht gebildet. „Ralph Denk hat ein Händchen und das Auge für sehr gute Verpflichtungen“, lobt Zemke den Teamchef. Vor allem die Fähigkeit, junge Fahrer mit großem Talent ins Team zu holen, lobt Zemke an Denk. „Bei Max war das sicher nicht einfach, den zu bekommen, denn er hatte bereits 2018 gezeigt,  war er leisten kann“, so Zemke. Bei Bora-hansgrohe hat Maximilian Schachmann nun den nächsten Schritt vollzogen, ist einer der wenigen Fahrer, die das Team Deceuninck-QuickStep verlassen und anschließend noch schneller fahren. „Bei ihm ist noch nicht mal zu sehen, wo die Reise mal hingeht, was er wirklich für ein Potenzial hat“, schwärmt Zemke und verweist auf den Sieg beim Zeitfahren zum Auftakt der Baskenland-Rundfahrt

Die Truppe sei zusammengewachsen und auch das Zusammenspiel mit der Sportlichen Leitung sei ein Schlüssel zu Erfolg. „Die Jungs vertrauen uns und setzen das um, was wir vorgeben. Wenn wir sagen „ihr müsst dort oder dort vorn sein“, dann können  wir uns darauf verlassen, dass sie das auch machen“, führt Zemke aus.

Um als Team erfolgreich zu sein, müssen auch mal individuelle Interessen zurückgestellt werden. „Wenn wir das Trikot haben, wie jetzt bei der Baskenland-Rundfahrt, dann wollen wir es auch gemeinsam verteidigen“ so Zemke. Dass es am Ende mit dem Gesamtsieg bei der Baskenland-Rundfahrt nicht klappte, sieht Zemke auch nicht als Niederlage: „Ich habe in der Abschlussbesprechung gesagt, dass die Jungs stolz auf sich sein können, was sie in dieser Woche geleistet haben“. Ihm sei klar gewesen, dass es am Schlusstag auf der extrem schweren Etappe gegen eine superstarke Astana-Mannschaft schwer werden würde.

Neuer Mut

Mit Schachmann ist ein Fahrer ins Team gekommen, der meist mutig agiert. Aber auch Buchmann und Formolo fallen in diesem Jahr durch eine offensive Fahrweise auf. „Wir haben bei Emu gezielt an der Explosivität gearbeitet. Und das Trainerteam um Dan Lorang hat mit Emu einen Schritt nach vorn gemacht“, erklärt Zemke. Gefragt ist aber auch eine mentale Einstellung, um offensiv und mutig zu agieren. „Wir haben mit den Jungs intensiv gearbeitet und dann freut es uns natürlich auch, wenn der Plan aufgeht. Beispielsweise der Sieg von Davide Formolo bei der Katalonien-Rundfahrt. Er hat mutig agiert, wir haben ihn bestärkt und er hat tatsächlich den Sieg mit einer herausragenden Leistung eingefahren. Sowas wirkt sich dann natürlich auch auf den Rest des Teams positiv aus“, erklärt Zemke.

Euphorie-Bremse

Überbewerten will Zemke die Erfolge aber nicht und tritt bewusst auf die Euphorie-Bremse. „Ja, wir haben bislang einen sehr gute Job gemacht. Da schließe ich die Planung, das Training im Winter und die Arbeit der Trainer mit ein. Aber die Saison ist erst gut drei Monate alt und es kommen noch ganz andere Rennen und Aufgaben“, sagt Zemke ruhig. „Für die Sportliche Leitung ist es natürlich wichtig, bei den Erfolgen auch gemäßigt zu loben, aber ebenso wichtig, zu motivieren, wenn es mal nicht so läuft“, so Zemke.

 

Ardennen voraus

Für das Amstel Gold Race wird die Truppe um Patrick Konrad und Maximilian Schachmann mit der Klassikerfraktion um Daniel Oss, Marcus Burghardt und Peter Sagan zusammengelegt. Es bieten sich mehrere Optionen, abhängig davon, wie das Rennen läuft. „Die Jungs wie Patrick und Max sind gut drauf, aber auch Peter war seit Mailand-Sanmreo immer vorn dabei, da hat nie viel gefehlt“, sagt Zemke. Er will sich in Sachen Taktik nicht in Karten gucken lassen. „Wir machen einen Recon und dann besprechen wir gemeinsam mit Enrico Poitsche, der als Sportlicher Leiter zuletzt die Rennen mit Sagan bestritten hat, welchen Plan wir uns zurechtlegen. Im vergangenen Jahr lag man im Finale mit Sagan lange aussichtsreich im Rennen. „Wenn wir in diesem Jahr vielleicht sogar mit zwei Fahrer dabei sind, ist einiges drin“, sagt Zemke und verweist darauf, dass einige Fahrer gut drauf sind. 

Mit Patrick Konrad, 2016 beim schwersten Klassiker Lüttich-Bastoge-Lüttich 15. und im vergangenen Jahr 10. beim Flèche Wallonne, hat man eine weitere Karte zu spielen. Ob auch Maximilian Schachmann bereits in der Lage ist, beim 265 Kilometer langen Rennen im Finale dabei zu sein, muss man abwarten. „Ich habe überhaupt erst drei Rennen über eine solch lange Distanz bestritten“, so Schachmann gegenüber CyclingMagazine. „Ich bin 2018 Lüttich-Bastogne-Lüttich gefahren, vor zwei Jahren war ich beim Amstel dabei. Und im vergangenen Jahr war eine Giro-Etappe mal fast 250 Kilometer lang, aber das lässt sich mit einem Ardennen-Klassiker natürlich nicht vergleichen“, so Schachmann. Bei seiner Amstel-Premiere wurde er 105., in Lüttich erreichte er als 35. das Ziel.

Mit dem prall gefüllten Sieg-Konto kann man selbstbewusst und ohne übermäßigen Druck in die Ardennen-Klassiker gehen. Mit den mutigen „jungen Wilden“ und dem endschnellen Peter Sagan ist man beim Amstel auch taktisch flexibel und gut aufgestellt.