Pascal Ackermann und Primoz Roglic

Ackermann jubelt mehrfach und beendet die Bennett-Debatte

Das Bora-hansgrohe-Management traf im Winter eine Entscheidung, die für Wirbel sorgte. Man plante für den Giro d’Italia mit Pascal Ackermann für die Sprints und ließ Sam Bennett außen vor. Bennett hatte 2018 bei der Italien-Rundfahrt drei Etappensiege gefeiert und zeigte insgesamt eine gute Saison. Kein Wunder, dass der Ire wenig begeistert war und das auch äußerte. 

Einige Fachleute und Journalisten stellten sich auf die Seite Bennetts, kritisierten die Entscheidung von Ralph Denk und der Sportlichen Leitung. Brisanz bekommt das Thema zusätzlich, weil man mit Peter Sagan stets den Sprinter für die Tour fix hat und so für Ackermann, Bennett und Co. nur Giro oder Vuelta bleiben, was die Grand Tours betrifft.

Bennetts Erfolg von 2018 ließ die Kritik an der Entscheidung „Pro-Ackermann“ plausibel erscheinen. Aber aus der Perspektive einer langfristigen Team-Planung, ist sie absolut nachvollziehbar. Denn Ackermann ist mehr als reif für eine Grand Tour und die Vuelta, in der Sommerhitze Spaniens ist nicht ideal für „Ackes“. Dazu ist Ackermann ein Mann für das Frühjahr und so lässt sich die Saisonplanung gut mit Klassikern, Giro und dann vielleicht dem Sommerziel Deutschland Tour vereinen.

Dass es neben den sportlichen Gründen auch ökonomische Überlegungen gibt, ist klar. Was gibt es besseres für ein deutsches World-Tour-Team, als ein sympathischer, stets freundlicher junger Mann im Trikot des Deutschen Meisters, der beim Giro Siege einfährt? Eben.

Die Diskussion um Sam Bennett und eine riskante Entscheidung der Teamleitung ist spätestens mit Ackermanns zweitem Etappensieg beendet. Alles richtig gemacht, lautet die Schlussfolgerung. Mit all diesen Dingen im Hinterkopf kann man sich gut vorstellen, warum bei Pascal Ackermann mit dem Sieg auf der 2. Etappe ein riesengroßer Druck abgefallen ist. Ab jetzt, ist alles Bonus. Wir freuen uns auf die Sprints!

 

Langeweile

Lange Flachetappen, vorhersehbare Rennverläufe, Stunden ohne Action – das ist der Radsportfan von der ersten Woche der Tour de France gewöhnt. Beim Giro hingegen wurde meist früh ein Reiz gesetzt, dank interessanter Streckenführung. In diesem Jahr allerdings nicht. Klar, das Auftaktzeitfahren war spektakulär. Auch die 7. Etappe nach L’Aquila hatte es in sich. Aber insgesamt bleiben von der ersten Giro-Woche eher die Monsteretappen mit wenigen Attraktivitätsspitzen hängen. Bald gehts in die Berge, dann zeigt der Giro sein wahres Gesicht. Hoffentlich.

 

Roglic Stärke könnte seine Schwäche sein

Natürlich ist nach 9 von 21 Etappen längst keine Vorentscheidung gefallen. Zumal es noch keinen „richtigen“ Berg zu erklimmen galt. Doch die Favoriten mussten zeigen, wie gut sie in Form sind. Der Mann, der aktuell der Stärkste ist und mit einem ordentlichen Polster auf die Konkurrenz in die zweite Woche geht, ist Primoz Roglic. Nach Rang 4 bei der Tour 2018 nimmt der ehemaliger Skispringer Anlauf für seinen ersten Grand-Tour-Gesamtsieg. Seine Bilanz in der Saison 2019 ist makellos, er gewann alle Etappenrennen, bei denen er startete. Auch beim Giro läuft es gut, sehr sogar. Mehr als eineinhalb Minuten liegt er vor der Konkurrenz.

Roglic ist der große Favorit, scheint extrem stark. Aber genau das könnte zum Problem werden. Denn die Konkurrenz muss zunächst ihn schlagen, will man den Giro gewinnen. Bläst also einer der Mitfavoriten zur Attacke, wird Roglic wenig Unterstützung anderer Teams bekommen. Das könnte auf Dauer zum Problem werden. Denn das Jumbo-Visma-Team ist nicht die stärkste Truppe, vor allem in den Bergen.

Der Ausfall von Kletterer Laurens De Plus dürfte schwer zu kompensieren sein. Nun ist es in den Bergen an Sepp KussKoen Bouwman und Antwan Tolhoek. Kuss ist 24 Jahre alt, bestreitet erst seine zweite Grand Tour. Tolhoek ist 25 und hat zuvor erst zwei große Rundfahrten bestritten. Auch Bouwman ist 25 Jahre alt, der Giro ist seine vierte Grand Tour. So sind auch die erfahrenen Jungs gefragt, den jüngeren Fahrer zu helfen. Tom Leezer, Jos van Emden und Paul Martens bringen sehr viel Erfahrung mit und verfügen über viel Rennintelligenz und Tempohärte. Aber in den Bergen müssen es die Jungen richten. So wird man vor allem darauf achten müssen, dass sie nicht zu früh die Körner verschießen und dann an den letzten Bergen des Giro kraftlos sind. Denn ohne Helfer ist es für Roglic wohl extrem schwer, Rosa bis Verona zu tragen.

Auch Tom Dumoulin hatte 2017 keine extrem starke Mannschaft. Aber die Situation war ganz anders. Er war nicht der große Dominator, sondern blieb in den Bergen „einfach“ nur bei den Besten. Dass er sich „versteckt“ habe, ist zu hoch gegriffen, aber er war deutlich weniger im Fokus, als es jetzt Roglic ist. Im Abschlusszeitfahren sicherte Dumoulin dann den Sieg. Vielleicht ist man bei Jumbo-Visma auch gut beraten, defensiv und zurückhaltend aufzutreten. Denn den Giro „Sky-mäßig“ bis zum Finale zu kontrollieren, dürfte unmöglich sein.

 

 

GC-Konstellation verspricht Spektakel in den Bergen

Schaut man sich die Abstände zwischen den großen Favoriten im Gesamtklassement an, kommt Vorfreude für die Bergetappen auf. Die extrem starken Kletterer Miguel Angel Lopez, Mikel Landa und Simon Yates liegen bereits weit zurück. Sie müssen attackieren und schnell Zeit gutmachen, wollen sie noch ein Wörtchen mitreden, im Kampf um Rosa. Das verspricht ein Spektakel, sobald es in die Berge geht. Vor allem Lopez, mit seiner starken Astana-Truppe wird die 4:29 min Rückstand auf Roglic schnell schmelzen lassen wollen. So darf man verrückte Dinge von der kasachischen Mannschaft erwarten. 

Aber auch Simon Yates muss Zeit gutmachen, will er zurück in Schlagdistanz. Astana hat mit Bilbao und Lopez zwei Optionen, Bora-hansgrohe mit Formolo und Majka auch. Gut möglich also, dass man Jumbo-Visma früh unter Druck setzt und dann die Karten ausspielt. Verbündet sich die Konkurrenz gegen Roglic, wird der Druck auf ihn noch größer.

Man darf für die Bergetappen in der zweiten Woche mit einem offensiven Rennen rechnen, genau das hatten sich die Fans gewünscht.   

Primoz Roglic
Pello Bilbao +1:42
Vincenzo Nibali +1:44
Bauke Mollema +1:55
Bob Jungels +2:18
Davide Formolo +2:52
Rafal Majka +2:53
Sam Oomen +3:12
Richard Carapaz +3:16
Ilnur Zakarin +3:32
Simon Yates +3:46
Miguel Angel Lopez +4:29
Mikel Landa +4:52
Tao Geoghegan Hart +5:08

 

Danke, Wildcard-Teams, hoffentlich seid ihr auch in Zukunft dabei

Für die italienischen ProConti-Teams ist der Giro das absolute Jahreshighlight. Und genau so fahren sie. Offensiv, jeden Tag mit dem Versuch etwas zu reißen. Sie animieren das Rennen und werden zurecht von den Fans gefeiert. Ohne diese Teams wäre der Giro bislang höchstens halb so unterhaltsam. 

Logisch, sie fahren so jeden Tag All In, das ist ihre Rolle. Aber man sollte im Hinterkopf haben, dass sich das vielleicht in Zukunft ändern wird. Denn für 2020 hat die UCI in Aussicht gestellt, dass es vielleicht 20 World-Tour-Mannschaften geben könnte, sollte es so viele Bewerber um eine Lizenz geben (danach sieht es im Moment aus). Das würde bedeuten, dass die Organisation des Giro nur noch 2 Einladungen vergeben kann, sollte es bei 22 Teams im Rennen bleiben. Alle drei italienischen Teams beim Giro (Androni, Nippo & Bardiani) werden wohl nicht in die World Tour aufsteigen. Zieht man nun zusätzlich in Betracht, dass laut dem geplanten neuen Reglement die beiden besten UCI ProTeams (aktuelle ProConti) eine Startgarantie bei den Grand Tours bekommen, erhöht das für die italienischen Zweitligateams nicht gerade die Chance auf einen Giro-Start.

Wie bei allen Regeln oder Reformen der UCI muss man abwarten, was denn tatsächlich umgesetzt wird, aber egal was 2020 passiert – die ersten 9 Tage des Giro haben gezeigt, dass die italienischen ProConti-Teams ihre Einladung nutzen und das Vertrauen zurückzahlen.