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Völlig losgelöst – Die Entwicklung des Pascal Ackermann

Pascal Ackermann

Am Samstag darf Pascal Ackermann das schwarz-rot-goldene Meistertrikot offiziell zum letzten Mal tragen, bevor am Sonntag der neue Deutsche Meister gesucht wird. Ackermann hat das Meistertrikot lieb gewonnen und die Radsportfans haben sich an den jubelnden Deutschen Meister mit dem Dauergrinsen gewöhnt. Denn Ackermann jubelte häufig. Zwölf Siege fuhr der 25-Jährige im Meistertrikot ein, sieben davon in der World Tour.

Hinter Ackermann liegt ein krasses Jahr. Zählt man seine ersten beiden Profi-Siege von der Tour de Romandie und dem Critérium du Dauphiné 2018 hinzu, kann er auf 14 verrückte Monate zurückblicken: Aus der Rolle des Talents zum Sieger des berühmten Ciclamino des Giro d’Italia. Doch nur von außen betrachtet ist es ein raketenmäßiger Aufstieg aus dem Nichts.

Neo-Profi mit viel Potenzial

„Sein Talent war sichtbar“, sagt sein Trainer Dan Lorang, „aber er sollte erstmal bei den Profis ankommen.“ Ackermann kam als Vizeweltmeister der Klasse U23 und ordentliches Sprinttalent im Jahr 2017 zum Team Bora-hansgrohe. Nicht alle sahen in ihm einen Rohdiamanten, der einfach viel Schliff brauchte. „Das haben viele nicht geglaubt, dass ich mich so entwickeln werde. Und wenn ich ehrlich bin, ich auch nicht. Klar, ich wollte schon Rennen gewinnen, aber so? Nein“, sagt er selbst.

Peter Sagan, Ralph Denk & Pascal Ackermann bei der Teamvorstellung für die Saison 2017(Foto: Team Bora-hansgrohe)

Als er Profi wurde, fehlte ihm einiges zum World-Tour-Profi. Er musste in Sachen Training und Ernährung einen Sprung machen. „Ich war damals noch weit weg, von einen Profi-Radsportler, was Gewicht, Training und Ernährung betrifft“, sagt Ackermann rückblickend. Aber er war wild entschlossen, sich durchzusetzen.

Schwerer Anfang

„Das erste Jahr war nicht leicht für ihn, das war eine harte Zeit“, sagt sein Teamkollege Michael Schwarzmann. „Schwarzi“ hatte Ackermann beim Münsterlandgiro 2017 angesprochen, ob er nicht im Winter mit nach Girona kommen wolle, um gut trainieren zu können. Ackermanns Antwort: „Ja, klar, ich bin dabei“. Wenig später bezog man die WG in Nordspanien.

Die erste Profisaison begann jedoch wenig erfreulich. „Das Talent da war, war klar, aber dann ging es direkt nach Belgien. Echte Männerrennen. Die Rennen waren zu schwer für ihn, aber er hat sich durchgebissen. Ich denke, für seine Entwicklung war das gut“, so Schwarzmann.

Ackermann kam mit reichlich „Babyspeck„, wie es Schwarzmann scherzhaft formulierte, zu den Profis. In der U23-Klasse achtete Ralf Grabsch darauf, dass die jungen Fahrer nicht schon zu sehr ans Limit gehen, sich auch menschlich entwickeln können – so sieht es zumindest Ackermann. Für ihn ist das rückblickend von großer Bedeutung. Doch als er den Sprung zu den Profis wagt, verschreibt er sich voll dem Sport.

Langfristige Planung

„Wir haben bei Bora-hansgrohe mit jedem Fahrer einen langfristigen Plan, so auch bei Pascal“, er klärt Trainer Lorang. „Er sollte erstmal ankommen, war ja noch grün hinter den Ohren“, schiebt Lorang mit einem Lächeln nach. „Der Spaß sollte weiter im Vordergrund stehen und es war uns immer wichtig, dass die Entwicklung der Persönlichkeit mit der Entwicklung der Leistung des Athleten Schritt hält.“

Durchbeißen – Ackermann 2017 (links)

Ackermann sollte selbst erfahren, was ihm gut tut und was nicht. Es gibt die Geschichte, dass er angeblich mal vor dem Spiegel stand und überlegte, ob ein Radfahrer so aussehen sollte. „Das Gute bei Pascal ist, er muss einfach die Süßigkeiten weglassen, den Kuchen auch, dann geht das von allein“, sagt Lorang halb im Scherz über den Gewichtsverlust von Ackermann. Mit 80 kg bei 1.80 m Körpergröße zählt Ackermann noch immer zu den schwereren Profis und ist weit weg von den dürren Kletterern, aber im Vergleich zur U23-Zeit ist er deutlich athletischer geworden.

Der nächste Schritt

Pascal Ackermann unterscheidet sich zunächst wenig von anderen Neo-Profis. Er ist ehrgeizig und ungeduldig. Als es im zweiten Jahr deutlich besser läuft, will er sich beweisen. Doch er muss sich zunächst unterordnen. „Man hat schnell gesehen, dass er kein Anfahrer ist, den man einfach mit anderen Sprintern ins Rennen schicken kann“, so Lorang.

Doch im Team Bora-hansgrohe gibt es Fahrer wie Matteo Pelucchi und Sam Bennett. Dazu noch Peter Sagan. Die Chancen, sich zu zeigen sind für Ackermann übersichtlich. „Er wollte immer viel  und das immer sofort. Aber er musste lernen, die Hierarchien einzuhalten, denn diese sind enorm wichtig, will man als Team langfristig Erfolg haben“, erklärt Lorang.

Näher dran, an der Weltspitze – In DePanne 2018 hinter Elia Viviani

Ackermann fügte sich ein und versuchte, seine Chancen zu nutzen. An Motivation mangelte es nie. „Ihn kann ihn beruhigt nach Hause schicken und kann stets davon ausgehen, dass er fit zum Rennen kommt“, sagt Lorang.

Ackermann macht nach dem ersten Profijahr einen sichtlichen Sprung und fährt im Frühjahr 2018 stark. Diese Leistungsverbesserung kommt nicht von ungefähr. „Sein aerobes Ausdauersystem hat sich sehr verbessert“, erklärt Lorang.

Mit der verbesserten Ausdauer und weniger Gewicht kommt Ackermann frischer ins Finale. Fahrerisch hat er sich auch weiterentwickelt und vom dauergrinsenden freundlichen Pfälzer bleibt im Finale eines Rennen nur ein beinharter Sprinter, der für den Sieg zur Not den Asphalt zertrümmert.

Siege in Serie

Bei der Tour de Romandie beginnt dann die Siegesserie. Perfekt für Ackermann, auch weil ihm die Erfolge zu einem noch besseren Standing verhelfen. Der Meistertitel, dann Siege beim Prudential Ride London und der Polen-Rundfahrt. Es läuft. Ackermann und seine Teamkollegen finden mit den Erfolgen immer besser zusammen. „Meine Jungs“, nennt Ackermann die Gruppe um Rudi Selig, Christoph Pfingsten, Andreas Schillinger und auch Michael Schwarzmann.

Dusche von Dege – Pascal Ackermann wird 2018 Deutscher Meister

Gerade Schwarzmann ist für Ackermann eine wichtige Figur. Er hat ihn damals im Giro unter seine Fittiche genommen und ist weiter an seiner Seite. „Ich wollte einfach meine Erfahrung weitergeben, auch in schwierigen Momenten. Denn auch wenn es vielleicht nicht so aussieht, auch die schwierigen Momente gab es“, sagte Schwarzmann. Damit man ihn bloß nicht missverstehen kann, schieb er schnell nach: „Aber an mir liegt’s nicht, dass das Pascal so schnell fährt, macht der schon ganz allein“.

Ab in die Weltspitze

Für das Jahr 2019 stand die erste Grand Tour auf dem Programm. Das Team legte im Winter fest, dass Ackermann zum Giro als Sprinter fahren soll und nicht der dreifache Etappensieger des Vorjahres Sam Bennett. Bennett reagierte enttäuscht, auch gegenüber der Presse. Der Druck auf Ackermann stieg.

„Wir haben einen Plan aufgestellt und uns voll auf den Giro konzentriert. Das Frühjahr sind wir ruhiger angegangen, haben alles auf den Giro gesetzt und riskierten dabei auch, dass ich ohne Saisonsieg nach Italien reise“, sagte Ackermann im Frühjahr, kurz bevor er die Bredene Koksijde Classic und dann Eschborn-Frankfurt gewann. 

Von Sieg zu Sieg – Ackermann bei der Tour of Guangxi 2018

„Er ist mental extrem stark und sein Talent ist enorm. Manchmal sag ich, dass es unfair ist, wie gut er ist, obwohl er nicht viel anders macht als wir“, sagt Schwarzmann um das Talent von Ackermann zu unterstreichen. Beim Giro schlug sich Ackermann überragend. Er holte zwei Etappensiege, steckte einen üblen Sturz weg und triumphierte am Ende in der Punktewertung. „Ich bin begeistert, dass er dem Druck stand gehalten hat und die drei Wochen so gut durchgezogen hat“, sagt Lorang und spielt dabei auch auf die mentale Belastung an. 

Wo gehts hin?

Wo es sportlich hingeht, muss man abwarten. Ackermann ist endschnell, kommt aber auch bei den Klassikern gut zurecht. „Ich will Rennen fahren, nicht einfach nur im Feld sitzen“, sagte Ackermann und schwärmt von den Rennen im Frühjahr. Doch auch die Massensprints bei den Grand Tours will er „gern mitnehmen“.

„Seinen Jungs“ zu Dank verpflichtet – Rüdiger Selig & Michael Schwarzmann

Ackermann ist enorm erfolgreich und muss nun auch mit den Begleiterscheinungen des Erfolgs zurecht kommen. „Das ist schon extrem. Früher konnten wir bei den Klassikern in Belgien einfach so in die Stadt fahren und einen Kaffee trinken. Wir konnten machen, was wir wollten. Jetzt kommt dann sofort jemand, will ein Foto mit mir machen und die Jungs stehen dann daneben. Dabei bin ich der gleiche Typ wie vorher auch“, sagte Ackermann. Nach seinem starken Auftritt beim Giro dürfte das öffentliche Interesse nicht weniger werden.

In kürzester Zeit ist Ackermann zum Vorbild geworden, was ihm durchaus bewusst ist. Einen Tag vor der Deutschen Meisterschaft Im Juni 2018 half Ackermann noch bei der Nummernausgabe der Südpfalztour, einem Jugendrennen seiner Heimat, bei dem er früher selbst gefahren ist. Er sagt, er will dem Sport etwas zurückgeben. In diesem Jahr findet die Südpfalztour parallel zum Auftakt der Tour de France statt. Da Ackermann nicht zum Bora-hansgrohe-Aufgebot gehört, kann er seiner Familie wieder bei der Orga helfen. 

Sein altes Umfeld und die Familie sind Ackermann wichtig. Dass er schnell die Bodenhaftung verlieren könnte, befürchten auch Schwarzmann und Lorang nicht. Er hat gelernt auch mal einen Termin abzusagen, sich abzuschotten. Er ist umgezogen und weiß, wie er seine Ruhe findet. 

Mit der Deutschen Meisterschaft endet für Pascal Ackermann ein unfassbar erfolgreiches Jahr, das viel verändert hat. Und diesem Kerl ist durchaus zuzutrauen, dass er einfach noch ein zweites dranhängt. 
 

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