Dan Lorang ist Trainer beim Team Bora-hansgrohe und betreut rund ein Drittel der Athleten des Teams. Seit 2017 ist er auch Trainer von Emanuel Buchmann. Im Podcast vor der Tour hat Lorang berichtet, wie sich Emanuel Buchmann auf die Tour vorbereitet hat und wie die Zusammenarbeit mit dem deutschen Kletterer funktioniert. Lorang erzählte davon, dass er bei manchen Rennen nicht zuschaut, weil die Anspannung zu groß ist. Bei der Tour de France ist er vor Ort, unterstützt Buchmann und die anderen Sportler des Team Bora-hansgrohe. Für uns hat er einen Tag in den Pyrenäen dokumentiert und bietet uns damit die Chance, die legendäre Tourmalet-Etappe aus Sicht eines Trainers zu erleben, der viele Monate dafür gearbeitet hat, dass während der drei Wochen im Juli die Fahrer ihr absolutes Leistungsmaximum abrufen können.

 

6 Uhr: „Läufchen“ für den Kopf

„Am Samstag, vor der schweren Tourmalet-Etappe bin ich um 6 Uhr aufgestanden und habe ein Läufchen gemacht“, berichtet Lorang. „Einfach um gut in den Tag zu starten. Aber auch, um noch einmal darüber nachzudenken, was passieren wird, was man den Fahrern sagt, vor solch einer wichtigen Etappe.“ Kofferpacken. Frühstück. Ab zum Start.

In der Teambesprechung vor dem Rennen hat die Sportliche Leitung das Sagen. Der Plan für den Tag wird gemacht. Die Trainer bringen die Analysen ein. „Es geht darum, die Sportliche Leitung mit den Infos zu versorgen, wie gut die Fahrer drauf sind, wer sich gut erholt hat, wer möglicherweise nicht“, erklärt Lorang. Der Plan für die 111 Kilometer lange 14. Etappe zum Col du Tourmalet ist klar: „Nach Möglichkeit sollte ein Fahrer in die Gruppe. Gregor (Mühlberger), oder Patrick (Konrad). Und auch Peter (Sagan). Er sollte versuchen, bis zur Sprintwertung zu kommen um noch Punkte für das Grüne Trikot abzugreifen“, erklärt Lorang. 

 

Extra-Verpflegung 

Dan Lorang fährt im 2. Begleitfahrzeug mit, bei Jan Valach, einem der Sportlichen Leiter. Auf der Rücksitzbank sitzt ein Mechaniker und sie haben eine große Kiste Verpflegung dabei. Der Rennplan geht auf, Sagan holt beim Zwischensprint Punkte. Es ist warm, an diesem Samstag in den Pyrenäen. Kurzerhand wird der Verpflegungsplan umgestellt. Lorang wird an einer günstigen Stelle abgesetzt, reicht Flaschen an und wird dann von einem Physiotherapeuten später wieder eingesammelt. 

 

Gänsehaut bei der Radio-Reportage

„Im Auto vom Physio war kein TV. Ich hatte nur Radio-Tour“, erzählt Lorang. Aber auch in den Begleitfahrzeugen bekommt man nicht immer alles mit, weil oft das Signal zu schlecht ist. Lorang sitzt im Auto, das sich den Weg durch das schmale Spalier der Fans bahnt um ins Ziel zu kommen und verfolgt den Tourfunk wie eine Radioreportage. „Ich habe Gänsehaut bekommen, als ich hörte, dass Emu noch dabei ist“, sagt Lorang. „Das sind starke emotionale Momente für einen Trainer. Du hörst, dass der nächste Fahrer abfällt, dann noch einer. Aber Emu ist immer noch dabei“, beschreibt Lorang die Situation. „Man sieht in diesem Moment, dass die ganze Arbeit, die der Athlet reingesteckt hat, die ganze Unterstützung die man selbst gegeben hat, die alle im Team gegeben haben, fruchtet“, so Lorang.

 

Emu-Attacke auf der Leinwand

Lorang ist kein Mensch, der mit großen Worten Bilder malt. Er ist klar, strukturiert und auf das konzentriert, was wichtig ist. Typisch Trainer, mag man denken, wenn man ihn erlebt. Er fordert viel von seinen Athleten, vor allem Eigeninitiative. Je mehr der Sportler bereit ist zu investieren, desto mehr ist auch er bereit zu geben. So beschrieb es Lorang im Podcast. Neben Talent sind harte Arbeit und Leidenschaft gefragt, um sich zu entwickeln. Seit zweieinhalb Jahren arbeitet Lorang mit Emanuel Buchmann zusammen, nun ist er live dabei, als Buchmann am legendären Tourmalet mit den besten Fahrern der Welt um den Etappensieg kämpft. Ein Moment voller Emotionen.

Buchmanns großartige Fahrt zum Gipfel des Riesen der Pyrenäen hätte der Trainer daheim am TV mehr genießen können, denn „bei der Tour ist man zwar mittendrin, bekommt aber nur sehr wenig mit“, sagt Lorang. Doch Buchmanns Angriff konnte er live sehen. „Wir saßen im Auto und durch die Zuschauermassen ging es nur ganz langsam voran. Doch wir hatten das Glück genau in dem Moment an einer Leinwand vorbeizukommen, als Emu attackierte„, erzählt Lorang. 

Buchmann im Angriffsmodus am Tourmalet

Gespräche am Abend, mal mehr, mal weniger

Es dauerte Stunden, ehe sich die Autokarawane vom Tourmalet ins Tal gestaut hatte. Auch das ist die Tour. Lorang ist nach dem Rennen im Teambus, geht die Etappe mit Buchmann durch: „sobald er dazu bereit ist“. Mal wird mehr gesprochen, mal weniger. Am Abend geht Lorang noch zu den Fahrern aufs Zimmer, bespricht das, was am nächsten Tag ansteht. Es sind auch für die Trainer lange Tage, die erst in der Nacht enden. 

 

Telefon weg & Wallfahrt nach Lourdes

Nach der Extra-Verpflegung während der Etappe vermisste Lorang sein Telefon. Es war weg. Schnell rief er die Nummer, ein freundlicher Franzose meldete sich. Er wisse, dass es jemandem von Bora-hansgrohe gehöre und habe es eingesteckt, um es zurückzugeben, erklärte der Mann, der als Zuschauer die Tour schaute. Lorang konnte natürlich nicht zurück, das Rennen war in vollem Gange. Der Mann gab Lorang seine Adresse, damit er es abholen könne. 

„Doch während der Tour einfach mal ein Auto nehmen um ein verlorenes Handy zu holen ist nicht so einfach“, sagt Lorang halb lachend. Doch ein Trainer ohne sein Telefon ist kaum arbeitsfähig. Am Abend schnappte er sich ein Teamfahrzeug und machte sich auf den Weg nach Lourdes. „Es war lustig, denn meine Oma ist früher jedes Jahr aus Luxemburg nach Lourdes gereist um eine Pilgerfahrt zu machen. Da dachte ich mir: wenn man an Zufälle oder Schicksal glaubt, hier passt es wie Faust aufs Auge“, erzählt Lorang.

Die Familie in Lourdes wollte keinen Finderlohn annehmen, sondern den Bora-Trainer lieber zum Essen einladen. Doch Lorang machte sich zurück auf den Weg ins Hotel. Schaute kurz bei Emu vorbei, bereitete den nächsten Tag vor und knipste nach Mitternacht das Licht aus.

 

Spaß und Energie

Von sechs Uhr am Morgen bis in die Nacht geht ein Tag von Trainer Dan Lorang bei der Tour. Es macht Spaß, versichert er glaubwürdig. „Es steckt so viel Energie in dieser Sache hier, dass lässt es einen gern machen“, so Lorang und schwärmt von der großartigen Verpflegung. „Unsere netten Soigneure versorgen uns bestens, da kommen auch wir sehr gut durch den Tag. Du merkst, dass es ihnen nicht egal ist, ob man eine trockene Semmel isst, oder ein Baguette mit Omelett und Schinken. Es sind diese kleinen Details, die während einer solchen Rundfahrt enorm wichtig sind, vor allem für den Staff im Hintergrund. „Denn nicht nur die Athleten, sondern auch die Mechaniker und Physiotherapeuten sind bei der Tour am Limit“, so Lorang.

Für die Schlusswoche haben Lorang und Buchmann einen klaren Plan ausgearbeitet. Sie wissen, dass der Weg nach Paris noch weit ist, aber schauen zuversichtlich auf die schweren Alpen-Etappen. Je näher Paris rückt, desto größer wird die Anspannung. Auch beim Trainer. Vielleicht ist Lorang bei den Alpen-Etappen sogar ganz froh, dass er im Auto nicht allzu viel mitbekommt. Denn manchmal sei die Anspannung vorm Fernseher einfach zu groß, um hinzuschauen.