Metteo Trentin, Mads Pedersen, Stefan Küng

Ein verdienter Sieger – eine Überraschung, aber keine Sensation

Rund 50 Kilometer vor dem Ziel ist Mads Pedersen in die Offensive gegangen und hat zur Spitze aufgeschlossen. Er hat sich anschließend taktisch clever verhalten, sicher auch von der Situation der zwei Italiener an der Spitze profitiert. Am Ende hatte er nach sechseinhalb Stunden im strömenden Regen die größten Reserven und hat verdient gewonnen. Pedersen ist der erste dänische Weltmeister und mit 23 Jahren der jüngste Träger des Regenbogentrikots seit 20 Jahren. 

Pedersens Sieg ist sicher eine Überraschung, aber keine Sensation. In der U23-Kategorie hat der Däne gezeigt, dass er zur absoluten Weltspitze gehört und nach dem zweiten Platz bei der Flandern-Rundfahrt 2018 zählt er zu den Top-Klassikerfahrern. Das Regenwetter spielte ihm in die Karten, und auch das enorme Selbstbewusstsein von Matteo Trentin half. Denn als Pedersen am letzen Anstieg wackelte wurde nicht angegriffen, sonder Trentin verließ sich auf seine Sprintstärke. Doch ein Sprint nach 260 km im strömenden Regen es etwas ganz Besonderes. Zudem musste Trentin richtig tiefgehen, als er der Attacke von Mathieu van der Poel folgte. Übrigens war er der einzige Fahrer im Peloton, der dieser krassen Attacke folgen konnte. Moscon fuhr im Finale voll für Trentin und Stefan Küng war bereits 20 km länger im Wind, als Pedersen. Dazu der Hungerast von Van der Poels. Es war eben einer dieser Tage, an dem alles richtig läuft – solch einen Tag brauchte Mads Pedersen, und hat zudem alles richtig gemacht. Ein verdienter Sieger.

 

Stefan Küng – es gab eine Möglichkeit eine Medaille zu holen, er hat sie genutzt

Neben Mads Pedersen hat auch der Schweizer Stefan Küng alles richtig gemacht. Als exzellenter Zeitfahrer ist Küng nicht sonderlich endschnell. Auch wird er sich wohl nicht beschweren, wenn man unterstellt, dass er weniger explosiv ist, als ein Julian Alaphilippe oder Mathieu van der Poel. Küng ist tempohart, clever und war in guter Form zur WM gereist. Es war klar, dass er bei den Attacken im Finale nicht mitgehen kann, wenn Van der Poel oder Alaphilippe eskalieren. So musste er bereits vorn sein, wenn das Rennen hinten explodiert

Genau das machte Küng. Etwas weniger als 70 Kilometer vor dem Ziel griff er an und wurde dann eingeholt. Erst von der Gruppe um Pedersen, dann von Trentin und Van der Poel. Als klar war, dass Moscon nicht folgen kann, waren es drei Fahrer an der Spitze – die Medaille sicher. Er hat es am letzten Anstieg probiert, als Pedersen und Trentin pokerten, doch er kam nicht weg. 

Er hat ein richtig krasses Rennen gezeigt, denn bereits bevor die anderen Jungs von hinten kamen, musste er 30 km Vollgas an der Spitze ballern – hatte mit Lawson Craddock nur einen Begleiter. 

Es fällt mir sehr schwer zufrieden zu sein„, sagte uns Küng im Frühjahr. Extrem ehrgeizig, aber sehr reflektiert und vielleicht mit dem Hang, etwas zu viel zu grübeln – dazu der riesige Rucksack voller Erwartungen als der „Cancellara-Nachfolger“. Küng hatte es sicher nicht leicht, in den vergangenen Jahren. 

Auf die Frage, was ihm zur absoluten Weltspitze der Klassikerfahrer noch fehlt, sagte Küng im Frühjahr: „Das Selbstvertrauen. Dass man sagt, ich kann das, ich gehöre da hin.“ Nach diesem WM-Rennen sollte auch ihm klar sein, dass er zur absoluten Weltspitze gehört.

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Nils Politt – einen Moment gezögert und die Chance verpasst

Aus Sicht von Nils Politt gibt es einen Moment im Rennen, bei dem er im Nachhinein sicher gern anders anders gehandelt hätte. Denn Politt hat im WM-Rennen viel richtig gemacht, aber dann etwas unglücklich agiert. Zunächst war er es, der das Finale in der Favoritengruppe 35 km vor dem Ziel eröffnete. Pedersen war bereits nach vorn gefahren, da griff Politt in der Verfolgergruppe an und setzte sich gemeinsam mit Dylan Teuns ab. Lukas Pöstlberger und Daniel Martinez schlossen ebenfalls auf. 

Wenig später eskalierte im Feld Mathieu van der Poel und schloss gemeinsam mit Matteo Trentin zur Gruppe um Politt auf. Trentin fuhr sofort an der Gruppe vorbei und hielt das Tempo hoch. Politt zögerte in diesem Moment, blieb am Rad von Pöstlberger. Doch da ging die Lücke auf. Nach der Kurve sah Politt die Lücke und sprang nach, schaffte es aber nicht mehr, bis zum Ende des Anstiegs die Lücke zu schließen und kam so auch nicht mehr zur Spitze. Nun macht das alte „hätte-Spiel“ nach einem solchen Rennen wenig Spaß, doch so stark, wie Politt nachsetzte, hätte er wohl folgen können, wäre er sofort ans Rad von Van der Poel gegangen, als dieser von hinten kamen. 

Hätte, hätte, Fahrradkette – danach hat sich Politt in den Dienst von John Degenkolb gestellt und ist am Ende mit dem Feld ins Ziel gekommen. Auch wenn Politt bereits Zweiter bei Paris-Roubaix war, er ist erst 25 Jahre alt und wird noch viele große Rennen bestreiten. Dass er bei solch einem Rennen das Finale aktiv mitgestalten kann, ist erneut ein Beleg seiner Leistungsfähigkeit. In ziemlich genau fünf Monaten beginnt die Klassikersaison, Politts Fans dürfen sich bereits drauf freuen.

 

Das deutsche Team – ohne Top-Favoriten ein gutes Rennen gezeigt

Durchaus schade, dass Maximilian Schachmann nicht rechtzeitig für die WM fit geworden ist. Aber auch ohne Top-Favoriten hat sich die BDR-Delegation gut verkauft. Jonas Koch hat die frühe Gruppe besetzt, Politt hat ein starkes Rennen gezeigt und John Degenkolb sprintete am Ende mit Alex Kristoff und Co. um einen Top-10 Platz. Es war eine ordentliche Leistung und auch die Situation, dass Politt sich am Ende für Degenkolb aufopferte und dieser sich anschließend bedankte, zeigt, dass sie als Team fuhren. So sollte man am Ende nicht nur den Top-15-Platz zur Bewertung zu Rate ziehen, sondern den durchaus ordentlichen Auftritt, bei einer schwierigen Ausgangssituation.

 

Unzufriedene Belgier

Sie waren neben Mathieu van der Poel die großen Favoriten und mussten sich am Ende mit Platz acht durch Greg van Avermaet begnügen. Für die Belgier lief es einfach nicht. Dabei haben sie durchaus gezeigt, wie stark sie in der Breite aufgestellt sind. Doch sie kamen nie in die Situation, das Rennen zu bestimmen. Dylan Teuns war zwar die Attacke von Politt mitgegangen, konnte aber dann nicht folgen. Greg van Avermaet war bei Van der Poels Angriff viel zu weit hinten. Er hatte wohl, wie vermutlich auch Peter Sagan, darauf spekuliert, dass es erst eine Runde später zur Sache geht. Das hätte man durchaus erwarten können, denn auch die Niederländer hatten mit Mike Teunissen einen Fahrer vorn dabei. 

Nachdem Van der Poel weg war, versuchten Yves Lampaert und Oliver Naesen noch zu retten, was zu retten war, aber vorn kreiselten die Stärksten und hinten fuhren nur die Belgier, nachdem klar war, dass Alaphilippe für Frankreich keine Medaille holen wird. Der Drops um die Medaillen war gelutscht und die Belgier mussten zugucken

Dabei spielte sicher auch das Pech von Philippe Gilbert eine Rolle. Der Belgier stürzte weit vor dem Ziel und hatte keine Chance mehr aufzuschließen, weil Frankreich das Tempo bestimmte. Gilbert konnte sich den Sturz selbst nicht erklären und hatte anschließend Schmerzen im Knie und spürte die Kälte. Sein Rennen war früh gelaufen. 

Dafür sammelte der 19-jährige Remco Evenepoel Sympathiepunkte. Er blieb sofort stehen, als es Gilbert erwischte, half ihm auf und legte fürsorglich seinen Arm um den Champion. Evenpoel spannte sich vor Gilbert, konnte ihn aber nicht zurück ins Feld bringen. Auf Instagram schrieb Evenepoel: „Phil, Champ. Es tut mir leid, dass ich dich nicht ins Peloton zurückbringen konnte. Du bist ein großer Champion, ich schwöre bei allem, was ich habe, dass ich alles gegeben habe, um dich zurückzubringen.“ Gilbert bedankte sich und sicherte Evenpoel die volle Unterstützung für das kommende Jahr zu. So gab es doch noch eine kleine belgische Lovestory. 

 

 
 
 
 
 
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Einfach explodiert – Mathieu van der Poels harte Lektion

Erst sorgte er mit einer sehr beeindruckenden Attacke für die Vorentscheidung, dann stand er plötzlich still. Das WM-Rennen von Mathieu van der Poel war eine harte Lektion. Es war sein erstes Rennen über eine solche Distanz bei schlechtem Wetter und er selbst vermutete, dass dies bei diesem extremen Rennen für den Einbruch verantwortlich war. Sein Trainer Kristof De Kegel vermutet einen Hungerast. „Es hat weniger mit der Distanz zu tun, als mit den Umständen“, sagte er gegenüber Het Niewusblad. Sein Tank sei einfach leergelaufen, so der Trainer. „Du siehst oder spürst das nicht kommen. Wenn der Moment kommt, kann man nichts dagegen tun„, so De Kegel. Man hatte ihm noch vor dem Rennen nahegelegt, viele Schichten zu tragen und in jede Nahrung zu packen.

Offensichtlich war für alle zu sehen, dass plötzlich die Energie weg war. Dennoch hat er gezeigt, welche Klasse er besitzt und hat das Rennen sogar beendet. Als 43. mit mehr als 10 Minuten Rückstand. Ein echter Champion eben, der um eine Erfahrung reicher ist. Dieser Kerl wird noch viele Rennen mitbestimmen, auch WM-Rennen.

 

Nicht Alaphilippes Wetter

Ein solches Rennen bringt selbst die zähesten Profis an ihre Grenzen. Für Julian Alaphilippe waren es sicher keine optimalen Bedingungen. Der Franzose zählte auf diesem Kurs zum Kreis der Favoriten, doch Kälte und Regen sind eher etwas für die Fahrer mit mehr Reserven. Alaphilippe war an Van der Poels Hinterrad, als dieser antrat. Doch der Franzose konnte nicht folgen. Am Ende erreichte er mehr als zwei Minuten nach dem Sieger als 28. das Ziel. Im nächsten Jahr bekommt Alaphilippe die nächste Chance. Auch der Kurs in der Schweiz sollte ihm liegen.