Maximilian Schachmann

„Ich sehe eher das Positive“, sagt Schachmann, angesprochen auf seine Saison 2019. Im Frühjahr stand er beim ältesten Klassiker auf dem Podium, im Sommer musste er mit gebrochener Hand die Tour de France aufgeben. Das Pech beim größten Rennen der Welt ist nur ein kleiner Makel in einer sehr guten Saison. 

Dass er wegen eines Infektes die WM absagen musste, ärgerte ihn sehr. Nur sechs Tage nach der Hand-OP im Juli saß er wieder auf der Rolle um sich auf die WM vorzubereiten. Doch er konnte erst nach der WM wieder ins Renngeschehen zurückkehren. „Es war gut, dass ich am Ende des Jahres noch einmal Rennen fahren konnte. Nach der Rundfahrt in China wäre ich wieder sehr gut in Form gewesen, aber dann war die Saison halt zu Ende“, sagt Schachmann. 

Leistungssprung

Vor der Saison war Schachmann vom Deceuninck-QuickStep-Team zu Bora-hansgrohe gekommen. Schon beim belgischen Team hatte sich der Berliner gut entwickelt, steigerte sich nun nochmals. „Ich habe schon einen Sprung gemacht“, sagt Schachmann. „Ich habe mich grundsätzlich verbessert, in allen Leistungsbereichen“.

Vor allem seine Entwicklung im Bereich von kürzeren Belastungen – bis maximal 1, 2 oder 3 Minuten hat ihn in der Weltspitze konkurrenzfähig gemacht. „Da bin ich richtig gut geworden. Dieses Tiefgehen braucht man halt im Finale bei den Rennen“, sagt Schachmann, der bei allen drei Ardennen-Klassikern in den Top5 landete. 

Der Leistungssprung und die Erfolge sind nicht nur auf die körperliche Entwicklung zurückzuführen. Anders als beim belgischen Team bekam Schachmann bei Bora-hansgrohe mehr Chancen, und wusste sie zu nutzen.

„Dieses Abliefern ist mental nicht einfach. Wenn man Radrennen wie Lüttich fährt, muss man sich darüber im Klaren sein, dass man sechs Stunden hochkonzentriert sein muss. Sich verpflegen, aufpassen, dass es nicht zu warm oder zu kalt wird. Diszipliniert sein, die richtigen Entscheidungen treffen. Wenn es schon schwer geht, muss man trotzdem wieder nach vorn fahren. Man muss bereit sein, sich wehzutun“, sieht Schachmann als Voraussetzung für Erfolge.

Wichtige Erfahrungen & Denks Schlüssel zum Erfolg 

Er schaut positiv und selbstbewusst nach vorn: „Was mir mental sehr hilft, ist das Wissen, dass es sich auszahlt, wenn man hart trainiert und verzichtet“. Nach den Top-Leistungen bei den Ardennen-Klassikern 2019 werden die hügeligen Klassiker auch 2020 eines seiner großen Ziele sein. „Es macht einfach viel Spaß, die Rennen zu fahren, wo man gut ist. Aber natürlich sind diese Rennen auch für uns als Team sehr wichtig, und wir versuchen, dort das Maximum rauszuholen“, so der Ardennen-Kapitän des Teams.

Bei Bora-hansgrohe fühlt er sich wohl, gut aufgehoben und glaubt daran, sich weiter entwickeln zu können. „Ralph Denk hat über Jahre etwas aufgebaut und ist sehr bedacht bei der Auswahl von Personen. Er hat eine klare Idee und scheint auch einen guten Riecher für das Personal zu haben. Wir alle sind heiß darauf, besser zu werden.“

Olympia und Giro

Nach den Ardennen wird Schachmann im kommenden Jahr auch beim Giro d’Italia starten. Ein großes Ziel werden dann die Olympischen Spiele im Sommer sein. Die schweren, sehr bergigen Strecken kommen ihm entgegen. „Ich weiß schon recht viel über die Strecke und es wird extrem schwer“, so Schachmann.

Einige Fahrer, wie etwa Romain Bardet, haben mit Blick auf Olympia einen Start bei der Tour de France abgesagt. „Die Tour ist schon besonders, die Aufmerksamkeit sehr groß. Aber es geht mir jetzt nicht wie anderen Fahrern, für die es das einzige Ziel ist und die einfach immer und unbedingt bei der Tour dabei sein wollen. Vielleicht wird man süchtig, wenn man mal eine Etappe gewinnt, das weiß ich nicht. Ich fand den Giro auch richtig cool und es hat mir sehr viel Spaß gemacht“, so Schachmann, der 2018 eine Etappe bei der Italien-Rundfahrt gewinnen konnte.

Dass sich die Wahrnehmung des Radsports in Deutschland verändert, nicht nur die Tour interessiert, davon ist Schachmann überzeugt: „Mein Podestplatz in Lüttich hat schon für Aufmerksamkeit gesorgt und auch die Deutschland Tour trägt dazu bei, dass mehr als die Tour wahrgenommen wird“.

„Hab immer Ackermann gehört“

Schachmann hat sich in der Weltspitze etabliert und ist spätestens seit seinem Auftritt als Deutscher Meister bei der Tour de France auch in Deutschland einem breiteren Publikum bekannt. Der Sieg bei der Deutschen Meisterschaft war ein großer Erfolg, allerdings mit witzigen Nebenwirkungen.

„Ich habe dann immer nur Ackermann, Ackermann gehört“, sagt Schachmann lachend. „Pascal war in dem Trikot eben sehr erfolgreich. Es wurde dann mit der Zeit weniger, aber es ist schon nicht so witzig, wenn die Leute mit Ackermann-Autogrammkarten kommen und man dann erklären muss, dass man das gar nicht ist“, schiebt er mit einem Grinsen nach.

Er habe es dennoch genießen können. „Mit dem Meistertrikot sticht man immer heraus und die Wahrnehmung ist schon groß, auch die Kommentatoren sprechen mehr über einen“, so Schachmann, der seinen Titel auf dem schweren Kurs in Stuttgart sicher gern verteidigen würde.

Künftig Rundfahrer?

In den Nachwuchsklassen landete Schachmann auch bei Rundfahrten weit vorn, gewann beispielsweise die schwere Tour Alsace. Auch bei den Profis würde er gern mal probieren, bei Rundfahrten aufs Gesamtklassement zu fahren. Doch das ist kein kurzfristiger Plan. „Klar, habe ich das noch im Hinterkopf. Aber wann ich dazu bereit bin, wird man sehen müssen. Da müsste man wohl besser meinen Trainer zu fragen. Aber grundsätzlich denke ich, dass man, wenn man bei den kürzeren Rundfahrten in der Lage ist, ganz von zu landen, auch bei den Grand Tours gut sein kann.

Wenn man dort bergauf ganz vorn mitfahren kann, muss man nur noch gucken, ob man es über drei Wochen kann“, so Schachmann. „Es gibt Ausnahmen, die es eher über Konstanz schaffen, ein hinteres Top10-Ergebnis einzufahren, aber grundsätzlich muss man in der Lage sein, bergauf dort ganz vorn mitzufahren. Ob ich dazu irgendwann in der Lage bin, wird man sehen“.

Im Jahr 2020 wird es auf die Frage, welches Rundfahrt-Potenzial in Schachmann schlummert, keine Antwort geben. Mit den Ardennen, Zeitfahren und Olympia zählt es für ihn eher an einzelnen Tagen.