Poitschke & Buchmann

Lange bevor die Saison beginnt, entsteht der Saisonplan bei den Teams. Die Ziele und Rennen werden festgelegt und dann der konkrete Plan für jeden einzelnen Fahrer erarbeitet. „Bei uns im Team beginnt der Chef-Sportliche-Leiter mit den Überlegungen für die Saisonziele“ , erklärt Dan Lorang, Trainer bei Bora-hansgrohe. „Doch wir haben für jeden Fahrer einen langfristigen Plan, sodass diese Überlegungen für die Saison nicht bei Null beginnen“, so Lorang. Hinter diesen langfristigen Planungen steckt, wo sich der Fahrer gezielt verbessern soll und welche Rennen in der Zukunft mal als große Ziele in Angriff genommen werden.
Enrico Poitschke macht als Chef-Sportlicher-Leiter bei Bora-hansgrohe den ersten Vorschlag für den Saisonplan und spricht sich anschließend mit dem Trainerteam ab. „Wir Trainer fügen dann unsere Gedanken dazu. Wir sagen, wo wir eventuell noch ein weiteres Rennen einplanen würden, oder wo man besser ein Trainingslager planen könnte. So entsteht aus dem Austausch ein grober Plan, der dann mit dem Fahrer besprochen wird“, erklärt Lorang und betont, wie wichtig es ist, dass sich die Fahrer auch für diese Ziele motivieren können.  


Poscast: Trainer Dan Lorang erklärt die Vorbereitung auf die Tour de France

 


Ziele erreichen
Ist der grobe Plan entworfen, geht es daran, wie man die Ziele erreichen kann. „Wenn wir beispielsweise einen Fahrer für das Gesamtklassement einer Rundfahrt nehmen, dann spielen die Höhentrainingslager eine große Rolle“, sagt Lorang. Dann kommt es darauf an, wie oft sich Trainingslager einbauen lassen, in welchem Abstand zum Höhepunkt diese stattfinden sollen, und wie sie zu den geplanten Rennen passen. „Die Trainingslager sind eigentlich das Zweite, was nach den Rennterminen in den Saisonkalender kommen“, sagt Lorang.
 
Keine Kompromisse
Der Radsportkalender ist ziemlich voll und die Profis müssen während einer Saison viele Rennen bestreiten. Emanuel Buchmann hatte 2019 mehr als 60 Renntage. Michael Schwarzmann kam sogar auf 79 Renntage. Hin und wieder müssen die Fahrer für einen ausgefallenen Kollegen einspringen, oder ihr Rennprogramm umstellen. So sind die Pläne für die meisten Fahrer flexibel gestaltet und man versucht Trainingslager und Renneinsätze in einem guten Kompromiss zu gestalten.
Für die Kapitäne im Team Bora-hansgrohe gilt hingegen: Keine Kompromisse. Bei einem Fahrer wie Emanuel Buchmann wird der gesamte Plan auf die Top-Form beim Highlight ausgerichtet. „Bei Emu hatten wir 2019 einen Plan und haben ihn auch so umgesetzt. Da gab es keinen Renntag zu viel, oder einen zu wenig. Der Plan und die Umsetzung waren exakt so, wie wir es wollten“, erklärt Lorang. Und dieser ging am Ende mit Rang vier bei der Tour de France voll auf. 
 
Rennen sind kein Training
Ein Plan, der beispielsweise voll auf die Tour de France ausgerichtet ist, bedeutet aber nicht, dass der Fahrer zuvor keine Rennen in guter Form bestreitet. Im Gegenteil. Denn auch für Fahrer wie Buchmann oder auch Egan Bernal ist es wichtig, sich im Formaufbau zu testen und Selbstbewusstsein zu tanken. „Er muss nicht jedes Rennen gewinnen, aber er soll in der Lage sein, Leistung zu bringen. Damit er auch merkt, dass er auf dem richtigen Weg ist“, erklärt Lorang.
Im Jahr 2019 war die Baskenland-Rundfahrt für Buchmann eines der ersten großen Ziele. Er fuhr extrem stark, tankte reichlich Selbstbewusstsein und gewann so auch zusätzlich Vertrauen ins Training und den aufgestellten Plan. „Wir haben die Philosophie, dass Rennen nicht zum Trainieren da sind, sondern um Leistung zu bringen. Man sieht dann sehr gut, wo man steht und was noch zu tun ist“, erklärt Lorang.
 
Trainingsphasen definieren
Steht der Rennplan, sind die Ziele definiert und die Trainingslager geplant, beginnt die Definition der Trainingsphasen. Je  nachdem wie viel Zeit bis zum Rennen bleibt und an welchen Fähigkeiten man gezielt arbeiten will, wird der Trainingsplan darauf abgestimmt.
„In der Regel ist es so, dass die Fahrer im November wieder mit dem Training beginnen. Im Dezember machen wir dann die erste Leistungsdiagnostik und sehen wo der Fahrer steht“, so Lorang. Individuell für die Fahrer entsteht dann der genaue Trainingsplan, der in definierten Phasen abläuft, die sich mehrfach wiederholen.
 
Pause
Ein wichtiges Element des Plans sind die Pausen. „Eine Saison ist sehr lang und man muss schauen, wo der Athlet mal abschalten kann“, so Lorang. Auch diese Phasen stehen bereits vor der Saison fest. „So kann der Fahrer planen und sieht genau, bis wohin die Phase geht und wo er mal durchatmen kann“, erklärt Lorang.
Von der ersten Idee der Sportlichen Leitung, über die Definition der Ziele bis hin zum konkreten Saisonplan ist es ein Prozess, der von vielen Faktoren abhängt. Spätestens im Dezember steht bei den Teams der genaue Plan für die Saison. Dann werden die großen Ziele der Kapitäne bei den Teampräsentationen vorgestellt.
Bei Bora-hansgrohe ist der Fahrplan für 2020 klar. Peter Sagan wird nach den Klassikern erstmals beim Giro d’Italia starten. Maximilian Schachmann, der erneut in den Ardennen glänzen soll, ist neben den Kapitänen Rafal Majka und Patrick Konrad  für den Giro vorgesehen. Für Emanuel Buchmann bleibt die Tour das Saisonhighlight. Sprinter Pascal Ackermann soll neben dem Giro auch bei der Vuelta starten.