Deceuninck-QiuckStep – der Klassikerbulldozer muss noch an Fahrt gewinnen

Alle Jahre wieder – QuickStep macht das Frühjahr. Oder doch nicht? Es ist schon etwas seltsam, wenn ein zweiter Platz beim Klassikerauftakt halb als Niederlage gesehen wird. Doch für das belgische Deceuninck-QuickStep-Team gelten im Frühjahr andere Regeln, als für alle anderen Mannschaften. Dass Yves Lampaert im Sprint gegen Jasper Stuyven keinen Stich sah, war keine Überraschung und sicher auch nicht enttäuschend. Und die Bilanz des Opening Weekends mit Rang zwei beim Omloop und dem Sieg bei Kuurne-Brüssel-Kuurne kann sich durchaus sehen lassen. Dennoch ist im Vergleich zu den vergangenen Jahren noch Luft nach oben.  
Vor allem beim Omloop war man nicht ganz so dominant wie in der Vergangenheit. Als die Verfolgergruppe mit Wout van Aert und Tiesj Benoot stand, machte man schnell das Loch zu. Das war stark, und taktisch richtig. Aber bereits zuvor musste man reagieren, statt wie in den vergangenen Jahren selbst das Rennen zu zerpflücken. Dabei sollte man natürlich auch bedenken, dass man einen Abgang wie Philippe Gilbert nicht so einfach kompensieren kann. Dennoch hatte man zwei Fahrer in der entscheidenden Gruppe und ließ dahinter nichts anbrennen. Ein Auftritt, der absolut „ok“ ist. Doch irgendwie schien es, als sei man noch nicht ganz auf dem Niveau, wie etwa im vergangenen Jahr. Wird die Dominanz tatsächlich (etwas) schwinden? Die nächsten Klassiker werden es zeigen.
 

Asgreen, das neue Monster

Schon am Samstag wurde die beeindruckende Form von Kasper Asgreen deutlich. Er war es, der in wenigen Kilometern mal schnell die Gruppe um Wout van Aert und Tiesj Benoot zurückholte. Da war im Feld direkt Anschnallen! angesagt. Was er dann am Sonntag machte, war ähnlich beeindruckend. Er fuhr 30 Kilometer vor dem Ziel los und wurde nicht wieder eingeholt. Das Feld legte die 15 Kilometer lange Schlussrunde angeblich mit einem 50er Schnitt zurück. Die 30 Sekunden zu Asgreen konnten sich nicht wettmachen. Asgreen ist die typische QuickStep-Maschine. 1,90 m groß, rund 75 Kg schwer und unkaputtbar. Ein Wattmonster. Sein Zweiter Platz bei der Ronde van Vlaanderen 2019 war mehr als ein Achtungszeichen. Nun ist der Däne 25 Jahre alt und offenbar in einer sensationellen Verfassung. Neben Lampaert, Stybar, Jungels und Co. ist er nun weit mehr als eine taktische Option. 
 

Stuyven liefert, endlich

In den Nachwuchsklassen blieb Jasper Stuyvens Talent nicht verborgen. Als er dann Profi wurde, galt er als das nächste große Klassiker-Talent. Als er 2016 Kuurne-Brüssel-Kuurne gewann, war es mehr eine Bestätigung seines Talents, als eine Überraschung.
Stuyven wollte in die Top-Liga aufsteigen und die ganz großen Rennen gewinnen. Doch irgendwie kam seine Entwicklung ins stocken. Mal taktisch ohne Glück, mal schlicht nicht stark genug – es reichte nicht für den ganz großen Sieg und die eigenen Ansprüche. Doch nun, mit inzwischen 27 Jahren, lieferte er beim ersten Klassiker der Saison eine starke Vorstellung und holte sich den Sieg beim Omloop Het Nieuwsblad. Für sein Team war es ein wichtiger Sieg, gehörte man nach dem Höhenflug mit Fabian Cancellara in den 2010er Jahren nach dessen Karriereende doch eher zum Klassiker-Mittelmaß. Auch wenn John Degenkolb und Mads Pedersen bei den Klassikern Achtungserfolge gelangen.
Nach dem Sieg zum Auftakt ist nun der ganz große Druck weg. Man darf gespannt sein, ob dies nun den erhofften Auftrieb gibt und man auch bei den ganz großen Rennen Siege feiert. Als Team zeigte man beim Opening Weekend eine ordentliche Leistung, auch wenn Pedersen nicht in der Form für Top-Resultate zu sein scheint. Vor allem der Luxemburger Alex Kirsch hat sich zu einer wichtigen Stütze entwickelt und zeigte beim Omloop ein wirklich starkes Rennen. Sorgt der frühe Erfolg für einen Auftrieb, kann man vom Team Trek-Segafredo in diesem Frühjahr einiges erwarten.
 

Endlich Optionen – CCC

Mit der Verpflichtung von Matteo Trentin erhoffte man sich im Finale der Klassiker eine weitere Option, neben Kapitän Greg van Avermaert. Und bereits zum Klassiker-Auftakt wurde deutlich, wie gut es der Mannschaft und Van Avermaert tut. Beim Omloop fehlte Trentin nicht viel, um an Muur von Geraardsbergen bei den drei Podiumsfahrern zu bleiben. Rang vier ist ein ordentliches Ergebnis. Bei Kuurne-Brüssel-Kuurne blieb das Top-Ergebnis zwar aus, aber es war noch besser sichtbar, wie man taktisch nun besser agieren kann. Greg van Avermaet muss nun nicht selbst alle Attacken mitgehen. Das bringt die Mannschaft und Kapitän Van Avermaet mehr in eine Position, selbst agieren zu können. Denn während Van Avermaet früher nach einer eigenen Attacke drohte, den entscheidenden Konter zu kassieren, kann er sich nun auf Trentin verlassen. Nathan Van Hooydonck und Michi Schär sind wichtige Helfer und wenn auch Guillaume Van Keirsbulck zurück zu alter Stärke findet, ist man für die kommenden Klassiker sehr gut aufgestellt. Mit diesem Team darf man in diesem Frühjahr rechnen.
 

Offene Rennen

Dieses Opening Weekend macht Lust auf mehr. Vor allem auf spannende Rennen. Es scheint, als könnte diese Klassiker-Saison besonders unterhaltsam werden. Denn die großen Teams & Stars scheinen auf Augenhöhe. Ob Van Avermaet, Oli Naesen, Stefan Küng, Philippe Gilbert, John Degenkolb, Wout van Aert oder Tiesj Benoot – sie alle waren da, als es um die Entscheidung ging. Und auch das EF-Team sollte man nicht unterschätzen, denn bis zu den ganz großen Rennen wird man noch an Qualität gewinnen. Es wird vermutlich von der Taktik und der Tagesform abhängen, wer die großen Resultate einfährt. Einen klaren Favoriten gibt es nach diesem Auftakt nicht – mehr kann man sich als Fan sicher auch nicht wünschen.