Nico Denz

Nach der Absage der italienischen Rennen planten die Teams um. Die Fraktion der Klassiker-Spezialisten reiste zu Paris-Nizza, um sich für die anstehenden Frühjahrsklassiker den letzten Schliff zu holen. Dass nur wenige Tag nach dem vorzeitigen Ende von Paris-Nizza sämtliche Radrennen für den April abgesagt werden würden, konnte man zu diesem Zeitpunkt höchstens erahnen. „Es war ein komisches Gefühl“, sagt Nico Denz über die Zeit bei Paris-Nizza. Eigentlich sollte der Klassikerspezialist bei Tirreno-Adriatico starten, wurde nach der Absage aber für Paris-Nizza nachnominiert.
„Ich war mir in den Tagen davor gar nicht sicher, ob wir überhaupt fahren würden. Aber dann kam so ein Gefühl von ‚starten wir halt mal‚ auf“, beschreibt Denz den Auftakt. Der Veranstalter ASO hatte vor Rennstart eine ganze Reihe von Maßnahmen beschlossen. Die Trinkflaschen wurden nur ins Auto gereicht und nicht zu Zuschauern geworfen, es sollten immer nur zwei Teams in einem Hotel, und diese immer in gleicher Kombination untergebracht werden und der direkte körperliche Kontakt wurde vermieden. 
„Wir haben keine Hände geschüttelt und das Einschreiben lief ohne Zuschauer. Ich hatte schon beim Omloop Het Nieuwsblad darauf geachtet, den Kontakt zu minimieren. Beispielsweise habe ich keine Zuschauer abgeklatscht oder Autogramme gegeben. Aber bei Paris-Nizza war das eine ganz andere Situation. Es waren bei Start und Ziel einfach keine Zuschauer. Wie bei einem U15-Rennen – die Familie steht am Start, aber sonst ist niemand da“, beschreibt Denz die Situation. Das Team Sunweb hatte zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen, auch im Umgang mit der Presse. 
Zwei Welten
„Unser gesamtes Klassiker-Team war am Start, abgesehen von Jasha (Sütterlin). Wir sind eine richtig gute Truppe und funktionieren als Mannschaft extrem gut„, sagt Denz. Sportlich lief es hervorragend. Zwei Etappensiege wurden eingefahren und Tiesj Benoot kämpfte bis zum Schluss um den Gesamtsieg. Doch Corona war der ständige Begleiter. „Es war schon eigenartig. Aber sobald wie losgefahren sind, war alles ausgeblendet. Es zählte nur das Rennen. Jeder hat seine Arbeit gemacht und wir haben 100% funktioniert. Aber nach dem Rennen war der Sport natürlich nicht mehr das einzige Thema.“ 
Jeden Tag kamen neue Informationen, wurden in weiteren Regionen Europas die Sicherheitsvorschriften geändert. Als dann die Absage des französischen Verbandes für alle Veranstaltungen kam, wurde das natürlich auch im Tross von Paris-Nizza wahrgenommen. „Uns war bereits zum Start des Rennen klar, dass wir wohl nicht bis Nizza kommen würden. Aber wir haben unseren Job gemacht, sind Rennen gefahren, solange es eben lief. Das war kurios, wenn man im Sattel alles aus sich herausholt und dann am Abend das Gefühlt hat, im Rest der Welt bricht das Chaos aus. Ich kann die Situation auch jetzt noch nicht verstehen“, sagt Denz.
Keine Angst vor dem Virus 
Die Organisation beschloss das Rennen einen Tag eher als geplant zu beenden. „Wir sind am letzten noch einmal richtig stark gefahren, haben mit Tiesj um den Sieg gekämpft. Aber dann wollte ich einfach nur nach Hause. Ich hatte keine Angst vor dem Virus, eher davor, irgendwo festzuhängen und nicht heim zu dürfen„, so Denz. Was sein nächstes Rennen sein wird, weiß er nicht. Nach der starken Belastung bei Paris-Nizza stand nun sowieso erst einmal lockeres Training an. Denz hat mit dem Rad seine Großeltern besucht. „Mit dem nötigen Abstand natürlich“, sagt der Südbadener. Auf den Kaffeestopp verzichtet er im Training nun auch. 
Es gibt Wichtigeres
Wie es konkret weitergeht, weiß derzeit niemand. „Erst wenn es möglich ist, genau zu planen, wird man sehen, wie es weitergeht. Es gibt Fahrer, die haben noch keine Rennen bestritten, auch für sie muss der Rennplan gemacht werden“, sagt Denz. Die Teams müssen von Grund auf neu planen und ihre Renneinsätze anpassen. Dass alle Rennen, die aktuell ausfallen, noch in diesem Jahr nachgeholt werden, ist unwahrscheinlich. Die Folgen für Rennveranstalter und Teams sind ungewiss. Konkrete Sorgen um seine Zukunft macht Nico Denz sich nicht. „Ich bin wirklich froh, dass ich auch 2021 noch einen Vertag habe und bei einem Top-Team wie Sunweb bin“, so Denz. Er hofft, dass die Epidemie schnell überstanden ist und die Klassiker nachgeholt werden können. „Doch im Moment gibt es Wichtigeres, als Radrennen zu spielen“.